Jeder Achte spart beim Essen: Die Ampel-Antwort auf die steigenden Lebensmittelpreise

Die Bundesregierung soll „die Handelsketten zu deutlichen Preissenkungen auf Vorkriegsniveau“ motivieren, meint die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht. Zu viele Menschen könnten sich nicht mehr vollwertig ernähren. Die Bundesregierung zieht Bilanz der in den letzten zwei Jahren bereits umgesetzten Maßnahmen.
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Ein Einkaufswagen in einem Supermarkt. Symbolbild.Foto: Pixfly/iStock
Von 18. Juni 2024

Sahra Wagenknecht, die Gruppenvorsitzende des BSW im Deutschen Bundestag, hat einen „Supermarktgipfel im Kanzleramt“ gefordert. Die Regierungsspitze solle „die Handelsketten zu deutlichen Preissenkungen auf Vorkriegsniveau“ bewegen, sagte Wagenknecht im Gespräch mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND). „Viele Lebensmittel“ seien „viel zu teuer geworden in unserem Land“, so Wagenknecht. Die Bundesregierung müsse der Inflation etwas entgegensetzen:

Anstatt Fleisch oder andere Lebensmittel mit neuen Abgaben noch teurer zu machen und Millionen Deutsche zu den Tafeln zu schicken, sollte die Ampel etwas gegen die massiven Kaufkraftverluste bei Löhnen und Renten unternehmen.“

13,3 Prozent der Menschen sparten 2023 beim Essen

Grundlage von Wagenknechts Appell waren Zahlen des Statistischen Amts der Europäischen Union (Eurostat), die das BSW beim Statistischen Bundesamt angefordert hatte. Demnach verfügten mehr als elf Millionen Bürger in Deutschland im Jahr 2023 nicht über genug Geld, um auch nur jeden zweiten Tag ein Essen mit Fleisch, Geflügel oder Fisch auf den Tisch zu bringen – oder mit gleichwertigen vegetarischen Zutaten. Das Datenmaterial liegt dem RND nach eigenen Angaben vor.

Prozentual wären 2023 deshalb durchschnittlich 13,3 Prozent der Deutschen aus finanziellen Gründen zum kulinarischen Verzicht gezwungen gewesen. 2022 habe das Problem 11,6 Prozent betroffen, 2021 „nur“ 10,5 Prozent.

Noch gravierender habe der Sparzwang beim Essen Alleinerziehende getroffen: Mehr als jede oder jeder Fünfte (22,8 Prozent) habe 2023 Verzicht üben müssen. Unter den Alleinstehenden seien es immerhin 17,4 Prozent.

Archivfoto: Sahra Wagenknecht, die Gruppenvorsitzende des BSW im Deutschen Bundestag, setzt sich für niedrigere Lebensmittelpreise ein. Foto: via dts Nachrichtenagentur

Wagenknecht sieht wachsende Ernährungsarmut in Deutschland

„Immer mehr Menschen können sich und ihre Familien nicht vollwertig ernähren“, fasste Wagenknecht die Lage dem RND gegenüber zusammen. „Allein in der Amtszeit der Ampel sind über zwei Millionen Menschen hinzugekommen, die sich nicht mal jeden zweiten Tag eine anständige Mahlzeit leisten können. Das ist die wahrscheinlich beschämendste Sozialstatistik unter der Ampel.“

Ein Regierungssprecher wies das auf Nachfrage der Epoch Times von sich: „Die Bundesregierung hat in den vergangenen zwei Jahren viel getan, um Belastungen durch Preissteigerungen aufzufangen, etwa durch Entlastungspakete, Kindergelderhöhungen, den Kinderzuschlag, das Bürger- und Wohngeld sowie mit dem höheren Mindestlohn und dem Unterhaltsvorschuss“, so der Sprecher.

Bundesregierung: Gesamtinflationsrate „spürbar zurückgegangen“, kräftige Tarifabschlüsse

Zudem sei die Inflation in den vergangenen Monaten spürbar zurückgegangen: „Die Gesamtinflationsrate liegt nun wieder nahe dem Zielwert der EZB von 2 Prozent“. Auch bei den Nahrungsmittelpreisen seien die Preise wieder deutlich gesunken. Und weiter:

Die in den vergangenen Monaten abgeschlossenen, kräftigen Tarifverträge wirken dem Kaufkraftverlust entgegen. Die realen verfügbaren Einkommen der Haushalte in Deutschland sind somit zuletzt wieder gestiegen. Dazu tragen auch der höhere Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer und die abgeschaffte EEG-Umlage bei.“

Agrarministerium: Lebensmittelpreise nicht staatlich festgelegt

Ein Sprecher des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) stellte ebenfalls auf schriftliche Anfrage der Epoch Times klar, dass Lebensmittelpreise in Deutschland nicht staatlich festgelegt würden. Sie entstünden vielmehr „durch Gesetzmäßigkeiten der Marktwirtschaft“ und hängten „von diversen externen Faktoren ab: zum Beispiel der Entwicklung der Energiepreise, Verfügbarkeit und der Preisentwicklung von Produkten oder Rohstoffen, etc.“

Auch der BMEL-Sprecher verwies auf „unterschiedlichste Maßnahmen“, die die Bundesregierung seit Kriegsbeginn in der Ukraine getroffen hätte. Denn die Preissteigerungen im Lebensmittelbereich seien „vor allem Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine“, der eben „Auswirkungen auf die globalen Märkte“ habe. „Gleichwohl können die Folgen des russischen Angriffskriegs nicht ungeschehen gemacht werden“, so der Sprecher.

Erst im Januar 2024 habe die Regierung eine Ernährungsstrategie (PDF) beschlossen. Deren Ziel sei es, „dass sich jede und jeder in Deutschland gut und gesund ernähren kann, wenn sie oder er das will“. Der Schwerpunkt des BMEL liegt dabei offenbar weniger auf der Preisdimension, sondern vor allem auf der Qualität: „Wir wollen die Angebote verbessern, zum Beispiel in der Gemeinschaftsverpflegung in Kita und Schule, Betrieb und Klinik, wo in Deutschland täglich 16 Millionen Menschen essen“, so der BMEL-Sprecher.

Özdemir: Fleischprodukte sollen kostspieliger werden

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte sich vor wenigen Wochen für weniger Fleischverzehr starkgemacht, obwohl der Konsum in Deutschland seit Jahren ohnehin sinkt. Der erhoffte Verbrauchsrückgang tierischer Erzeugnisse käme seiner Meinung nach dem Tierwohl, dem Klima und der Gesundheit zugute.

Mit einer zusätzlichen Verbrauchssteuer, dem „Tierwohlcent“, will Özdemir zudem die Haltungsbedingungen in den Schweinemastbetrieben verbessern. In den kommenden sieben Jahren hofft der Agrarminister auf eine Milliarde zusätzlicher Einnahmen, um die bereits freigegebenen Subventionen für die Bauern gegenfinanzieren zu können. Seit April 2024 war aus dem BMEL nicht mehr viel davon zu hören. Nun antwortete der BMEL-Sprecher:

Der zuletzt öffentlich diskutierte Tierwohlcent geht auf eine Idee der Borchert-Kommission aus der vergangenen Legislaturperiode zurück. Auch eine Finanzierung über die Mehrwertsteuer wäre, wie von der Borchert-Kommission vorgeschlagen, denkbar. Eine mögliche Umsetzung liegt derzeit in den Händen der Fraktionen der Regierungsparteien.

Nach Angaben des RND sperrt sich vorwiegend die FDP gegen eine neue Verbrauchssteuer auf Fleisch und Fleischprodukte.

Tafeln an der Belastungsgrenze

Nach Informationen des Statistischen Bundesamts gab es Anfang Februar 2024 in Deutschland 975 sogenannte Tafeln, die sich um die Lebensmittelversorgung von Bedürftigen kümmern. Die Esswaren stammen in der Regel aus überschüssigen Beständen der Supermärkte. Die erste Einrichtung dieser modernen Form der Armenspeisung war demnach 1993 in Berlin gegründet worden. Wie die „Tagesschau“ berichtete, nahmen schon 2022 rund zwei Millionen Menschen in Deutschland ihr Angebot regelmäßig in Anspruch – 50 Prozent mehr als noch 2021.

Andreas Steppuhn, der Vorsitzende des Dachverbandes der Tafeln in Deutschland, berichtete zuletzt im April 2024 im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ), dass „etwa ein Drittel aller Tafeln Aufnahmestopps oder Wartelisten“ verfügt hätten. Inzwischen wendeten sich sogar Lohnempfänger an die Essensausgabestellen. Rentner machten heute ein Viertel der Empfänger aus – Tendenz steigend.

Auch Steppuhn nannte „die Inflation und die gestiegenen Preise“ als einen Treiber der Geldnot der privaten Haushalte. Vor allem die „aktuelle Rentenpolitik“ jedoch gehe „an der Lebenswirklichkeit vieler Menschen vorbei“. Hohe Mieten besonders in den Städten, außerdem „Nebenkosten, Reparaturen oder energetische Sanierung“ täten ein Übriges. Dabei kämen weiterhin nicht einmal all jene zur Tafel, die das eigentlich tun könnten:

Gerade bei Älteren ist die Scham groß. Wenn alle kämen, die die Unterstützung eigentlich bräuchten, könnten wir das als Tafeln nicht leisten.“



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