Hoffnung für jüngst einkommensteuerpflichtig gewordene Rentner: Lindners Entlastungspaket

Wegen der jüngsten Rentenerhöhung wurden rund 114.000 Senioren am 1. Juli automatisch einkommensteuerpflichtig. Bundesfinanzminister Christian Lindner will das nach der Sommerpause rückwirkend verhindern. Beschlossen ist noch nichts.
Die Bezüge der Rentnerinnen und Rentner in Deutschland steigen um 4,57 Prozent.
Die Bezüge der Rentnerinnen und Rentner in Deutschland sind zum 1. Juli um 4,57 Prozent gestiegen. Finanzminister Lindner will verhindern, dass dadurch mehr Rentner steuerpflichtig werden.Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa
Von 15. Juli 2024

Mit der Rentenerhöhung vom 1. Juli 2024 durften sich etwa 21 Millionen Rentner in ganz Deutschland über ein Plus von 4,57 Prozent bei der gesetzlichen Monatsrente freuen. Für rund 114.000 Rentner aber bedeutet die Erhöhung zugleich, dass ihr jährliches Einkommen nun über dem steuerfreien Grundfreibetrag von 11.604 Euro liegt. Bei Ehepaaren liegt der Freibetrag für 2024 doppelt so hoch, also bei 23.208 Euro.

Jeder Euro, der über dieses Existenzminimum hinausgeht, würde grundsätzlich versteuert werden müssen: Die Mühe einer Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2024 bliebe den Betroffenen nicht erspart.

Lindner möchte rückwirkend 180 Euro mehr Grundfreibetrag

Genau das aber will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verhindern: Bereits Anfang Juni hatte er angekündigt, den Grundfreibetrag rückwirkend von 11.604 Euro um 180 (360) Euro auf dann 11.784 (23.568) Euro anheben zu wollen. 2025 soll das Existenzminimum nach dem Willen Lindners auf 12.084 (24.168) Euro klettern, 2026 sogar auf 12.336 (24.672) Euro. Sollte sich Lindner durchsetzen, blieben auch 2024 gesetzliche Renten bis zu einer Höhe von 982 Euro automatisch steuerfrei. 2025 läge die Grenze bei 1.007 Euro, 2026 bei 1.028 Euro.

Lindners Gesetz existiert nach Angaben des „Münchener Merkur“ bislang nur als Entwurf. Der Bundesfinanzminister beabsichtige jedoch, es gleich nach der Sommerpause im September beschließen zu lassen.

Teil des 23-Milliarden-Entlastungspakets

Insgesamt sollen die zu erhöhenden Grundfreibeträge den Steuerzahlern – inklusive Rentnern – 2024 eine Ersparnis von zwei Milliarden Euro bringen. 2025 soll die Entlastung in Verbindung mit einem neuen Einkommensteuertarif acht Milliarden Euro betragen. 2026 sogar mehr als 13,3 Milliarden, verglichen mit den Regeln von 2024. Summa summarum würde das gut 23 Milliarden Euro Steuerentlastung für die Bürger entsprechen. „Endgültige Zahlen liegen erst im Herbst vor“, hatte sein Ministerium Mitte Juni mitgeteilt.

Aufgrund der Höhe ihrer Bezüge waren nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP schon vor dem 1. Juli 2024 etwa 6,2 Millionen Rentner einkommensteuerpflichtig gewesen. Nun also wären es ungeachtet der Lindnerschen Entlastungsankündigungen rund 6,3 Millionen. Die Zahlen stammen nach AFP-Informationen aus einer bisher nicht öffentlich einsehbaren Antwort des Bundesfinanzministeriums (BMF) auf eine Kleine Anfrage der BSW-Vorsitzenden Dr. Sahra Wagenknecht.

Sollten Lindners Pläne scheitern, müssten sich in den westlichen Bundesländern inklusive Berlin laut AFP etwa 91.000 Rentner an die Besteuerung ihres gesetzlichen Altersruhegelds gewöhnen. In den östlichen Bundesländern wären es rund 23.000 Altersruhegeldbezieher, die mit der kalenderjährlichen Summe ihrer gesetzlichen Renten und sonstiger Einnahmequellen etwa aus privaten oder betrieblichen Rentenversicherungen, aus Vermietungen oder Kapitalanlagen Gesamteinnahmen über 11.604 beziehungsweise 23.208 Euro (Ehepaare) erzielen.

Sahra Wagenknecht findet Rentenbesteuerung „beschämend“

Die BSW-Vorsitzende Wagenknecht nannte die Besteuerung der Altersrenten nach Informationen von AFP „eine der ungerechtesten Steuern Deutschlands“. Es sei „beschämend“, dass nach der Rentenerhöhung wieder mehr als 100.000 Rentner in die Besteuerung fielen:

Jahrzehntelang abrackern und einzahlen, dann eine Rente erhalten, die im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich ist und dann meldet sich auch noch das Finanzamt und hält die Hand auf.“

Wagenknechts Lösung: Ein gesetzlicher Steuerfreibetrag von 2.000 Euro, sprich 24.000 Euro pro Jahr Grundfreibetrag. Die BSW-Gründerin und Parteivorsitzende habe von einer „Rentensteuerbremse“ gesprochen. Diese würde ihrer Ansicht nach „Millionen Rentner mit kleinen und mittleren Renten entlasten“, so Wagenknecht. Ähnliche Forderungen hatte Wagenknecht laut „Spiegel“ bereits vor vier Monaten erhoben.

Durchschnittsrente nach 40 Jahren: 1.505 Euro

Wagenknecht hatte sich erst vor wenigen Tagen mit einer anderen Kleinen Anfrage nach der durchschnittlichen gesetzlichen Rentenauszahlung in Ost- und Westdeutschland erkundigt. Der Betrag lag Stand Ende Dezember 2023 nach Auskunft der Parlamentarischen Staatssekretärin Kerstin Griese bei 1.505 Euro, mindestens 40 Versicherungsjahre vorausgesetzt (BT-Drucksache 20/12029, Frage Nummer 50, Seite 45, PDF).

Männliche Rentner bezogen demnach im Schnitt 1.645 Euro, Frauen 1.299 Euro. Während Männer im Westen (1.698) deutlich mehr als ihre Kollegen im Osten (1.492) bekamen, lagen die durchschnittlichen Frauenrenten in den beiden Landesteilen auf ähnlichem Niveau (West: 1.293, Ost: 1.308 Euro).

BVerfG wollte Rentenbesteuerung

Die „nachgelagerte“ Besteuerung der Renten war nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung (DRV) infolge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2002 eingeführt worden. Das Altersruhegeld vollständig steuerfrei zu stellen, wäre nach Ansicht des BVerfG verfassungswidrig, weil Beamtenpensionen bereits der Steuerpflicht unterlagen.

Der Gesetzgeber hatte sich daraufhin 2005 entschieden, gesetzliche Renteneinkünfte schrittweise immer mehr zu besteuern, andererseits aber auch Aufwendungen für die Altersvorsorge zunehmend steuerfrei zu stellen. „In der Regel wirkt sich die ‚nachgelagerte Besteuerung‘ vorteilhaft für die Verbraucherinnen und Verbraucher aus, da die Aufwendungen für die persönliche Altersvorsorge die Steuerbelastung während des aktiven Berufslebens verringern“, heißt es bei der DRV. „Während der Zeit des Ruhestandes oder dem Bezug einer Erwerbsminderungsrente sind die Einnahmen in der Regel geringer – und dadurch auch die steuerliche Belastung durch die Rente“.

Einkommensteuerpflicht kann alle paar Monate wechseln

Nicht zu vergessen ist außerdem, dass zum Jahresbeginn 2024 auch fast eine Viertelmillion Rentner, nämlich rund 244.000, aus der Besteuerung herausgefallen waren. Der Grund war schon damals die Erhöhung des steuerfreien Grundfreibetrags von 10.908 (21.816) im Kalenderjahr 2023 auf nun 11.604 (23.208) Euro durch die Bundesregierung. Sie folgt in der Höhe normalerweise dem Existenzminimum, das von der Bundesregierung alle zwei Jahre neu berechnet wird, wie das Onlineportal „Taxfix.de“ erklärt.

Im kommenden Kalenderjahr dürften viele der nun im Juli 2024 wieder Hereingerutschten gleich wieder aufatmen, wenn der Grundfreibetrag zum 1. Januar 2025 abermals turnusmäßig erhöht wird. Bis im Sommer 2025 kurz vor der Bundestagswahl gemäß „Rentenwertbestimmungsverordnung“ dann die nächste allgemeine Rentenerhöhung ansteht. Nach Angaben der Bundesregierung orientiert sich die Anpassung an der zurückliegenden Lohnentwicklung.

Rentenfreibetrag und Kostenpauschalen

Eine Einkommensteuererklärung abzugeben, kann auch für Rentner im eigenen Interesse sein: Nach Angaben von „Finanztip.de“ dürfen auch sie die Werbungskostenpauschale von 102 Euro und den Sonderausgaben-Pauschbetrag von 36 Euro geltend machen. Zudem sei wegen des Rentenfreibetrags immer nur ein Teil der gesetzlichen Rente steuerpflichtig. Hier spiele das Jahr des Rentenbeginns die Hauptrolle. Faustformel: Je früher die gesetzliche Rente angetreten wurde, desto weniger aus dieser Einnahmequelle muss versteuert werden. Wer beispielsweise 2023 erstmals eine gesetzliche Rente bezog, muss diese laut „Finanztip.de“ lediglich zu 82,5 Prozent versteuern. Zu 100 Prozent versteuert werden muss sie nun erst ab dem Jahr 2058. Ursprünglich sollte die volle Besteuerung schon 18 Jahre früher greifen, doch das am 22. März verabschiedete Wachstumschancengesetz (PDF) sieht einen langsameren Anstieg vor, wie die DRV bestätigt.

Die DRV bietet Informationen zum Steuerrecht speziell für gesetzlich Versicherte und Rentner auf ihrer Website kostenfrei zum Herunterladen an. Seit dem 11. Juli ist übrigens auch das amtliche Einkommensteuer-Handbuch für den Veranlagungszeitraum 2023 in digitaler Form auf der Website des BMF erhältlich.

Auch „Rentenpaket II“ wartet auf Verabschiedung

Zuletzt hatte das Bundeskabinett Ende Mai das gemeinsame „Rentenpaket II“ von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) beschlossen. Demnach sollen ab 2028 höhere Beiträge für die Rentenversicherung gelten. Zur Stabilisierung des Gesamtsystems möchte Lindner außerdem einen „Generationenkapital“-Fonds einführen, der hauptsächlich über neue Schulden gespeist werden soll.

Doch auch dieser Gesetzentwurf hat nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bislang erst die Hürde des Kabinetts überquert: Der Bundestag muss noch zustimmen. Vor gut vier Wochen meldeten FDP-Abgeordnete im Bundestag bereits Bedenken an.

Mit Informationen von AFP.



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