Hickhack um Haushaltsentwurf 2025 geht weiter – Lindner scharf kritisiert
Im politischen Berlin ist erneut ein Streit ums Geld zwischen Grünen, SPD und Liberalen entbrannt: Während Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Haushaltsentwurf 2025 wegen verfassungsrechtlicher Sorgen nachverhandeln will, fühlen sich SPD und Grüne von der entsprechenden Ansage des Ressortchefs überrumpelt.
„Es gibt keinen Grund, neu zu verhandeln“, stellte Andreas Audretsch, der Vizefraktionsvorsitzende der Grünen, im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ (RP) klar. Es sei die „Aufgabe des Finanzministers“, gemeinsame Lösungen möglich zu machen. Doch Christian Lindner (FDP) tue augenblicklich das Gegenteil, beklagte sich Audretsch: „Er stellt die Einigung einseitig infrage, ohne Absprache in der Koalition, ohne Verständigung auf einen gemeinsamen Weg.“ Obwohl sowohl Olaf Scholz (SPD) als auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Urlaub sind, forderte Audretsch ein Eingreifen des Regierungschefs:
Nun liegt es auch in der Verantwortung des Kanzlers, dafür zu sorgen, dass ein vereinbarter Kompromiss von allen in der Koalition getragen wird.“
Audretsch beharrt auf Geldern für „sozialen Zusammenhalt und Klimaschutz“
„Bei der Aufstellung des Haushaltes geht es nicht um parteipolitische Profilierung, sondern um Lösungen“, kritisierte Audretsch laut RP in Richtung Lindner. Dafür sei der „rechtliche und finanzpolitische Spielraum“ bereits gegeben. „Das bestätigt auch das Rechtsgutachten“, so Audretsch. Für ihn stehe fest: „Kaputtsparen beim sozialen Zusammenhalt und beim Klimaschutz“ werde es mit den Grünen nicht geben: „Menschen und Unternehmen müssen sich auf Zusagen verlassen können.“
Ende der vergangenen Woche war aus Kreisen des BMF bekannt geworden, dass der Finanzminister über eine Verringerung der Konsum- und Sozialausgaben für 2025 nachdenkt, um die Gesamtfinanzierungslücke von 17 Milliarden Euro im Haushalt wenigstens zum Teil zu schließen. Neun Milliarden hofft das BMF nach Angaben des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ dadurch auszugleichen, dass am Jahresende erfahrungsgemäß etwa zwei Prozent des Etats übrig bleiben. Der Rest in Höhe von etwa acht Milliarden müsste woanders gefunden werden, hieß es zunächst.
Lindner fehlen eigenen Angaben zufolge „nur“ fünf Milliarden Euro
Finanzminister Lindner taxierte das Defizit am Sonntag im ZDF-„Sommerinterview“ auf „nur“ noch „etwa fünf Milliarden Euro“.
Beim aktuellen Stand der Dinge handele es sich lediglich um das „Ergebnis verabredeter Prüfaufträge“, betonte Lindner. Er habe den Etatplan nach der Haushaltseinigung am 5. Juli 2024 unter dem Vorbehalt präsentiert, dass alle Ausgaben „wirtschaftlich vernünftig“ und „verfassungsgemäß“ sein müssten. Verfassungsrechtliche Bedenken von Gutachtern hätten ihm nun gezeigt, dass „innerhalb der Bundesregierung“ doch nachverhandelt werden müsse. Dafür sei noch bis Mitte August Zeit. Dann sei das Parlament am Zug. Bis Ende November solle der Haushalt 2025 aber final beschlossen sein. Lindner mahnte um Verständnis für seinen Standpunkt:
Alle sollten ihre Lehre daraus gezogen haben, dass es schon einmal einen Haushaltsentwurf gab, wo sozialdemokratische Finanzpolitik umgesetzt worden ist. Das waren ja auch damals Ideen aus der SPD. Und der ist in Karlsruhe gescheitert.“
Auch heute nehme er wieder „mit Sorge wahr, dass die SPD viele Grundlagenentscheidungen infrage“ stelle: Insbesondere ein Überschreiten der Schuldenbremse und Steuererhöhungen würden „regelmäßig ins Gespräch gebracht“. Beides sei mit ihm nicht zu machen.
Esken verärgert über Lindner: Ansage ohne interne Absprache „unanständig“
Am 5. August im ZDF-„Morgenmagazin“ betonte die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken, dass die SPD vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges stets für einen „Überschreitensbeschluss“ plädiert habe und diesen noch immer als „beste Lösung“ betrachte.
Über den Bundesfinanzminister zeigte sich Esken ähnlich verärgert wie ihr Generalsekretär Kevin Kühnert, der Lindner der RP zufolge „Selbstvermarktung“ vorgeworfen und ihm keinen „guten Stil“ bescheinigt hatte.
Der Minister, so Esken, habe seine Einschätzung zu einem Haushaltsgutachten des Rechtsprofessors Prof. Johannes Hellermann öffentlich gemacht, ohne zuvor mit dem Kanzler und den Koalitionspartnern darüber zu sprechen. Auch das Gutachten habe Lindner der Öffentlichkeit vorenthalten. „Das ist unanständig und es dient der eigenen Profilierung“, kritisierte die SPD-Chefin, „es beschädigt wieder einmal die Regierung“. Lindner habe mit seinen Verlautbarungen offenbar versucht, „sein Sommerinterview vorzubereiten“.
Hellermann-Schlupfloch: Darlehen statt Zuschüsse
Schon vor drei Tagen hatte Esken auf Lindners Nachverhandlungswunsch im „Welt“-Interview mit Unverständnis reagiert: Es sei die „Grenze dessen erreicht, was man in der Koalition noch ertragen“ müsse.
Einen Bruch der Koalition schloss sie im ZDF trotz des Ärgers aus: „In Politik hat man Verantwortung fürs Land und setzt sich zusammen und findet jetzt eine Lösung“, sagte sie, „und das werden wir auch tun“. Sie räumte ein, dass man zuvor tatsächlich vereinbart habe, noch einmal über den Haushalt zu reden.
Der Hintergrund: Im aktuellen Haushaltsentwurf hatte die Ampel zunächst geplant, Gelder der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die ursprünglich für die Gaspreisbremse gedacht waren, anderswo einzusetzen. Außerdem sollten der Deutschen Bahn und der Autobahn GmbH nur Darlehen statt Zuschüsse gewährt werden.
Doch gegen diese Ideen hatte der Wissenschaftliche Beirat des BMF in Gänze Bedenken angemeldet. Prof. Hellermann aber hatte zumindest die Kredite für Bahn und Autobahn als rechtlich möglich und verfassungskonform bewertet – entsprechende Gesetzesänderungen vorausgesetzt. Esken warb im ZDF dafür, die Ratschläge Hellermanns zu berücksichtigen.
Lindner: nicht sparen, sondern umschichten – „hin zur Zukunftsgestaltung“
Lindner wollte sich im ZDF-„Sommerinterview“ weder auf einen der Vorschläge Hellermanns noch auf andere Ideen festlegen, mit denen man die Fünf-Milliarden-Lücke stopfen könnte: „Das werden wir erst in der Regierung miteinander besprechen und dann gegebenenfalls auch im Parlament. Das mache ich nicht in der Öffentlichkeit.“
Definitiv nicht infrage kämen für ihn allerdings „Steuererhöhungen für die arbeitende Mitte in unserem Land“, legte sich Lindner nicht zum ersten Mal fest. Es gehe ihm vielmehr darum, wegzukommen „von Umverteilung, Bürokratisierung, Subventionierung – hin zur Zukunftsgestaltung“. Es gehe nicht ums Sparen, sondern darum, den Etat „umzuschichten“: für mehr Bildung, für die digitale Infrastruktur, für Straßen, Schienen, innere und äußere Sicherheit und für die Entlastung der Bürger. Für Letzteres habe er 23 Milliarden Euro veranschlagt.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sprang seinem Finanzminister zur Seite: In der „Bild“ warf er den Grünen und der SPD „Schuldenpopulismus“ vor. Stattdessen sollten die beiden Bündnispartner besser „konstruktive Lösungsvorschläge“ auf den Tisch legen, so Djir-Sarai.
Christian Dürr, der Fraktionschef der FDP im Bundestag, bemühte sich im Deutschlandfunk, die Wogen zu glätten. Der Streit drehe sich um eine „stemmbare Aufgabe“: „In Grundzügen steht der Haushalt“, so Dürr. Auch er argumentierte auf der Linie Lindners: Schon bei der Haushaltsvorstellung hätten Scholz, Habeck und Lindner erklärt, dass es noch Prüfbitten an das Finanzministerium gebe würde. „Und es gebietet die Transparenz, auch über die Ergebnisse dieser Prüfbitten dann zu informieren“, so Dürr.
Wagenknecht fordert Sondersitzung der Regierung
Sahra Wagenknecht, die Vorsitzende der Partei BSW, forderte angesichts der Unstimmigkeiten eine Krisensitzung der Regierungskoalition. Im Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte sie: „Die Ampel-Spitzen sollten aus dem Urlaub zurückkehren und einen Sonder-Koalitionsausschuss zum Haushalt einberufen.“
Der Bundestag habe immerhin im September über den Haushalt 2025 zu beraten, mahnte Wagenknecht. Ohne belastbare Zahlen sei dieser Zeitplan nicht zu halten. Finanzminister Lindner müsse nun „Stellung beziehen zu den Gutachten, die Zweifel an seinem Haushaltsentwurf äußern, und mögliche Lösungen aufzeigen“.
Ihr selbst gehe es um einen „seriösen Haushalt“, um genug Geld für Renten und um wichtige Investitionen. Auf „fragwürdige Ausgaben“ könne man stattdessen verzichten: „Wir könnten im kommenden Jahr zwischen 30 und 50 Milliarden Euro durch einen Kurswechsel in der Ukraine-, Zuwanderungs- und Energiepolitik einsparen“, schlug Wagenknecht vor. Dazu bedürfe es Friedensverhandlungen, geringerer Asylbewerberzahlen und einem Aus für das Habecksche Gebäudeenergiegesetz.
(Mit Informationen der Nachrichtenagentur dts.)
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