Habeck will Wirtschaft retten zum Preis neuer Schulden – Lindner: „Das ist schon ein Hammer“

Nach den jüngsten Ideen von Bundeswirtschaftsminister Habeck soll der Strompreis sinken. Ein neuer, schuldenfinanzierter „Deutschlandfonds“ soll zudem für mehr private und staatliche Investitionen in die Infrastruktur sorgen. Neuer Ärger in der Ampel erscheint damit programmiert.
Streiten über die Wirtschaftspolitik: Minister Habeck und Lindner
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht offenbar dringenden Handlungsbedarf zur Rettung der deutschen Wirtschaft. Ohne neue Milliardenkredite aber werde das kaum gelingen.Foto: Carsten Koall/dpa
Von 24. Oktober 2024

Während Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in den Vereinigten Staaten weilt, hat Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck (Grüne) am Mittag des 23. Oktober 2024 in Berlin ein selbst verfasstes „Impulspapier“ zur Stärkung der deutschen Wirtschaft vorgestellt.

Unter dem Titel: „Update für die Wirtschaft – Impuls für eine Modernisierungsagenda“ skizziert Habeck darin seine Ideen für eine „Erneuerung der Standortbedingungen in Deutschland, natürlich eingebettet in Europa“.

Im Einklang mit dem Mitte September vorgelegten Bericht des ehemaligen EZB-Chefs Mario Draghi bedürfe es „mehr Innovationsfähigkeit, mehr Innovationsleidenschaft, mehr Mut zum Risiko für Investitionen, aber auch einer technologiefreundlichen Regulierung“, betonte Habeck. „Wir müssen mehr tun für Wachstum und wirtschaftliche Erholung in Deutschland“.


Als „Booster“: Investitionsprämie statt allgemeine Steuersenkungen

Es gelte, Investitionen jetzt schnell zu „hebeln“, forderte Habeck, denn „das würde den großen Booster für die Volkswirtschaft auslösen, wenn die Unternehmen jetzt mehr investieren würden“.

Allgemeine Steuersenkungen seien dafür aus seiner Sicht nicht das richtige Mittel. Denn diese bedeuteten „keine Garantie, dass wirklich investiert“ werde, sondern seien „sehr mitnahmeeffektanfällig“, konterte Habeck den favorisierten Politikansatz des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP).

Der Chef des Bundeswirtschaftsministeriums schlug stattdessen ein für Deutschland „neues Instrument“ vor, nämlich eine „Investitionsprämie“:

„Zehn Prozent von allen Investitionen kann man entweder von der Steuer wieder abgezogen bekommen oder, wenn man keine Steuern zahlt, wenn man ein kleineres Unternehmen ist, wenn man ein junges Unternehmen ist, wenn man ein Start-up-Unternehmen ist, dann kriegt man es quasi negativ wieder ausgezahlt“, so der Wirtschaftsminister. Man bekomme „das Geld dann als negative Steuer erstattet“. „Und danach gibt es noch alle weiteren Abschreibungsmodelle, die wir in Deutschland haben“, ergänzte Habeck (Video auf YouTube).

„Deutschlandfonds“ soll als Geldquelle für Investitionen dienen

Ihm sei angesichts der „ökonomisch angespannten“ Situation „wohlbekannt“, dass es kaum möglich sein werde, das Geld für sein Wunschprojekt Investitionsprämie über weitere Einsparungen im Haushalt oder durch Steuererhöhungen gegenzufinanzieren. Weil aber auch die Rechnungsmodelle der Opposition aus seiner Sicht nicht funktionieren würden, halte er die Idee eines neu einzurichtenden „Deutschlandfonds“ für zielführend:

Dann wird investiert, dann wächst die Wirtschaft, dann steigen die Steuereinnahmen und der Staat hat wieder Einnahmen.“

Er sehe allerdings „keine andere realpolitische Möglichkeit“, als diesen Fonds vorzufinanzieren, erklärte Habeck auf Nachfrage der Presse, ohne dabei die Worte Neuverschuldung oder Sondervermögen auszusprechen.

Mittlere dreistellige Milliardenzahl vonnöten

Er selbst habe absichtlich kein Volumen dafür errechnet, „um die Möglichkeit für Beiträge zu schaffen“. Der Bund der Deutschen Industrie aber habe bereits „eine mittlere dreistellige Milliardenzahl für die nächsten Jahre“ berechnet. Immerhin werde es ja „ein bisschen dauern, bis alle Autobahnen und alle Schulen saniert“ seien.

Entscheidend für ihn sei, dass man sich auf den Weg mache und nicht ständig alte Vereinbarungen vorschütze, denn die Wirklichkeit halte sich nicht an Verträge. Auch sein eigenes Impulspapier (PDF) gehe über das hinaus, was vor drei Jahren im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei.

Ich finde, diese Fonds-Idee ist auch für diejenigen, die auf einer strikten Einhaltung der Schuldenbremse bestehen, hoffe ich jedenfalls, ein gangbarer Weg, weil es eine begrenzte Verabredung ist.“

Ein Deutschlandfonds sei aus seiner Sicht ein „pragmatischer Weg aus dieser ideologisch so verkeilten Diskussion heraus“. Denn dieser Fonds diene ja nicht zuletzt Steuersenkungen, schob Habeck nach. Diese aber würden „eben nicht zulasten von Sozialkürzungen, Bildung, Forschung, Kultur finanziert werden, sondern quasi vorfinanziert werden“.

Es gehe ihm nicht um eine „prinzipielle Öffnung oder Debatte“ um die Schuldenbremse. „Die kann man auch führen“, gab Habeck unter Verweis auf die „allermeisten Ökonomen“, auf internationale Agenturen und auf die Europäische Zentralbank zu bedenken. „Aber diese Debatte versuche ich auszusparen, indem wir eine punktuelle, konkrete Verabredung treffen und sagen: Dieses Volumen für den Zeitraum steht zur Verfügung. Und wenn’s alle ist, dann überlegen wir, was wir daraus gelernt haben, ob es reicht, ob wir gar nicht alles ausgeben müssen.“

Infrastrukturinvestitionen dringend notwendig

Aus dem neuen Fonds sollten nach Meinung Habecks auch Infrastrukturausgaben des Bundes bezahlt werden, zum Beispiel für die Bahn, für Brücken, für Bildung, für die Digitalisierung oder für neue Stromnetze:

Es sollte kein Wettbewerbsnachteil für die Unternehmen sein, dass Deutschland in den letzten 15 Jahren bei der Infrastruktur so gebummelt und geschlurt hat. Also sollten wir das ebenfalls aus diesem Deutschlandfonds heraus finanzieren.“

Bei der Vergabe öffentlicher Gelder für die Wirtschaft wolle er künftig das Prinzip „In Europe, for Europe“ vertreten. Speziell für den Bereich der Transformationstechnologien plädierte er innerhalb Deutschlands für ähnliche staatliche Garantie- oder Bürgschaftsregelungen, wie sie bereits länger für den Außenhandel existierten. Damit solle unter anderem der Bau von großen Konverterstationen oder Windenergieanlagen auf sichere Füße gestellt werden:

Wir müssen uns nur selber glauben, unserer eigenen Gesetzgebung, unseren eigenen Klimaschutzvorgaben, und dann können wir sie absichern.“

Geringerer Strompreis, mehr Wettbewerb, weniger Bürokratie

Da die Bundesrepublik ihren Energiebedarf bald zu 60 bis 80 Prozent aus erneuerbaren Quellen decken werde, machte Habeck sich zudem für günstigere Strompreise für alle Verbraucher stark – vom Privathaushalt bis zum Industrieriesen. Dafür sollten seiner Meinung nach die Netzentgelte und die Stromsteuer möglichst reduziert werden. Falls die Bundesländer zustimmen würden, solle auch die Mehrwertsteuer auf Strom sinken.

Außerdem schwebe ihm so etwas wie eine „Challenge auch auf europäischer Ebene“ vor, bei der die Ministerien und Behörden in Europa keine Vorgaben zu Technik oder Maßnahmen machen sollten. Habecks alternativer Ansatz: „Ein Problem muss gelöst werden und dann gibt es einen Wettbewerb und dieses wettbewerbliche System führt zu Neuerungen“, versprach der Grüne.

Um die „Entbürokratisierung“ weiter voranzutreiben, könne er sich vorstellen, europaweit noch mehr „Praxischecks“ von Ministeriumsseite in den Unternehmen durchführen zu lassen, als man sie für Deutschland schon bei der Wachstumsinitiative vereinbart habe.

Störfaktoren: Russland, China und die USA

So viel in den Jahren der Ampelregierung auch schon erreicht worden sei: All das Bisherige genüge nicht, „um Deutschland in einer völlig veränderten Weltlage in Europa wettbewerblich neu und stark zu positionieren“. Speziell die USA und China schotteten ihre Märkte immer stärker ab, was zunehmende Probleme für die Exportnation Deutschland bedeute.

Zu Beginn seiner Ausführungen hatte Habeck hauptsächlich Wladimir Putin und dessen „Angriff auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes […] durch das Abstellen des Gases“ für die Probleme verantwortlich gemacht. „Mit einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung“ sei es der Bundesregierung aber in den vergangenen anderthalb Jahren gelungen, den Angriff abzuwehren:

Die Energiepreise gehen wieder runter, die Inflation geht runter, die Zinsen sinken, die Menschen haben wieder mehr verfügbares Einkommen.“

Ein Teil der „ökonomischen Last“ sei zwar „noch nicht völlig bewältigt“, aber immerhin „handhabbar geworden“, so Habeck.

Kritik folgte auf dem Fuß

Finanzminister Christian Lindner (FDP) stellt die Machbarkeit des von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorgeschlagenen staatlichen Investitions- und Infrastrukturfonds infrage. „Der Bundeswirtschaftsminister hat nicht einfach einen Vorschlag in die Debatte eingebracht, Robert Habeck fordert eine fundamental andere Wirtschaftspolitik für Deutschland“, sagte Lindner bei einem Besuch in New York. „Das ist schon ein Hammer.“

Er lasse in seinem Ministerium jetzt prüfen, was von dem Vorschlag überhaupt theoretisch umsetzbar sei – erst dann könne man in der Sache diskutieren. Unter anderem seien europäisches Beihilferecht und Fiskalregeln zu beachten. „Wir können schlicht nicht einfach so viel Geld ausgeben, wie manche wollen.“ Zugleich betonte Lindner: „In jedem Fall ist aber klar, dass genau diese Unsicherheit über die weiteren Rahmenbedingungen der deutschen Wirtschaft selbst Teil der Probleme unseres Landes geworden ist.“

Nach Informationen der „Welt“ lobte der CDU-Haushaltspolitiker Mathias Middelberg den Ansatz Habecks, auch kleine und mittelständische Betriebe zu berücksichtigen.

Es sei „jedoch leider wieder der falsche Ansatz, Betriebe mit einer bürokratischen Investitionsprämie von zehn Prozent fördern zu wollen“. Aus seiner Sicht seien vielmehr „breit angelegte, langfristig planbare und unbürokratische Entlastungen bei Steuern, Energiepreisen und Sozialabgaben“ nötig und sinnvoll. „Dazu aber fehlt der Ampel die Kraft“. Außerdem mangele es der Bundesregierung an der richtigen Prioritätensetzung, um für Wachstum zu sorgen.

Mit Material von dpa



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion