Grünen-Chefin: Demokratiefördergesetz soll AfD-Anhänger zum Aussteigen bewegen

Ricarda Lang, die Bundesparteichefin der Grünen, will auf Basis des Demokratiefördergesetzes Ausstiegsprogramme für AfD-Mitglieder finanzieren. Dabei hat auch die AfD einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Parteienspektrum.
Ricarda Lang, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
Ricarda Lang, die Bundesvorsitzende der Grünen, will AfD-Anhänger zum Umdenken bewegen – auch mit öffentlichen Steuergeldern der AfD-Mitglieder.Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Von 3. Juli 2023

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Ginge es nach Ricarda Lang, der Parteichefin der Grünen, so soll das noch gar nicht verabschiedete „Demokratiefördergesetz“ (DFördG) bei seinem Inkrafttreten ausdrücklich dazu genutzt werden, speziell der Konkurrenz von der „Alternative für Deutschland“ (AfD) das Leben schwer zu machen.

Lang will mehreren Medienberichten zufolge nicht nur öffentliche Institutionen der politischen Bildung, sondern auch Schulen und „kleine Initiativen“ mit Steuergeldern dabei unterstützen, Menschen zum Austritt aus der AfD zu bewegen. Lang sagte kürzlich während einer Pressekonferenz:

Das heißt natürlich auch, dass wir beim Thema Demokratieförderung, […], wenn es um Ausstiegsarbeit geht, wenn es um Extremismusprävention geht, wenn es um Schulbildung und politische Bildung geht, diese Institutionen, diese Verbände jetzt ganz klar zu unterstützen. Ein Blick geht da natürlich auf das Demokratiefördergesetz. Ich will hier gerade nochmal die wichtige Arbeit hervorheben, die viele kleine Initiativen im ländlichen Raum an dieser Stelle tun. Ich glaub‘, genau die haben jetzt unsere Solidarität verdient. Solidarität muss dann aber natürlich auch politische Unterstützung bedeuten.“ (Video auf YouTube ab ca. 12:25 Min. )

Lang spielte laut „Pleiteticker.de“ damit auf Paragraph 1, Absatz 2 des aktuellen DFördG-Gesetzesentwurfs an:

Der Bund ergreift hierzu eigene und fördert zivilgesellschaftliche Maßnahmen mit gesamtstaatlicher Bedeutung zur Erhaltung und Stärkung der Demokratie, zur politischen Bildung, zur Prävention jeglicher Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie zur Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt und Teilhabe.“ (Gesetzentwurf vom 1. März 2023 [PDF], finale Fassung [PDF])

Lang begründete ihre Überlegungen mit dem Hinweis, dass die AfD, speziell der Landesverband Thüringen und die Jugendorganisation „Junge Alternative“, vom Verfassungsschutz als „rechtsextrem“ eingestuft worden seien. Die Partei sei eine „Gefahr für die Demokratie“.

AfD hat Anspruch auf Gleichbehandlung

Ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts inklusive Parteiverbot liegt aber nicht vor. Solange das nicht der Fall ist, gelten auch für die AfD – ob in Thüringen oder anderswo – die gleichen gesetzlichen Grundlagen wie für alle anderen Parteien auch. Und diese fußen laut „Juraacademy.de“ vor allem auf Artikel 21 des Grundgesetzes in Verbindung mit „dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG“. „Im Rahmen des Wahlkampfes und bei der Wahl selbst leitet sich der Anspruch auf chancengleiche Behandlung aus Art. 21 Abs. 1 i.V.m. dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl des Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG ab“, so „Juraacademy.de“.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird zudem über Paragraph 5 des „Gesetzes über die politischen Parteien“ (Parteiengesetz) gewährt.

Demnach „sollen alle Parteien gleichbehandelt werden“, „wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt“. Eine Abstufung des Umfangs der Leistungsgewährung ist zwar möglich, aber nur „nach der Bedeutung der Parteien bis zu dem für die Erreichung ihres Zweckes erforderlichen Mindestmaß“.

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Jeder Fünfte würde derzeit AfD wählen

Der Zweck der AfD liegt wie bei allen anderen Parteien naturgemäß darin, letztlich in Regierungsverantwortung zu gelangen. Auch die Bedeutung der Partei kann spätestens seit den steigenden Umfragewerten nicht mehr negiert werden: Die AfD trifft zurzeit offenbar den Nerv bei jedem fünften Wahlberechtigten in Deutschland.

Selbst Thomas Krüger (SPD), der Chef der Bundeszentrale für politische Bildung, musste kürzlich zähneknirschend einräumen, dass es sich keineswegs mehr nur um Protestwähler handelt, die bei den Blauen ihr Kreuzchen setzen würden.

Um eine hinreichend große Bedeutung im Sinne von Paragraph 5 des Parteiengesetzes festzustellen, genügt es laut „Juraacademy.de“, wenn eine Partei die Fünf-Prozent-Hürde knackt: Das sei dann „ein wichtiges Indiz dafür, dass die Partei in der Bevölkerung hinreichend verankert ist und es sich somit um eine politisch ernst zu nehmende Gruppe handelt“.

Neutralitätspflicht der Regierung

Ricarda Lang ist als Co-Bundesvorsitzende ihrer Partei zwar kein direktes Regierungsmitglied, ihre Partei aber stellt mit fünf Ministern einen gewichtigen Teil der Bundesregierung und damit der exekutiven Gewalt.

Falls Robert Habeck, Annalena Baerbock, Cem Özdemir, Lisa Paus und Steffi Lemke sich also öffentlich der Auffassung ihrer Parteichefin anschließen sollten, das „Demokratiefördergesetz“ zum Kampf gegen die AfD einzusetzen, würden diese den Grundsatz verletzen, dass „Staatsorgane im politischen Meinungskampf neutral bleiben müssen“. Das hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einer „Kurzinformation“ zur „Neutralitätspflicht von Regierungsmitgliedern und Parlamentarischen Staatssekretären“ festgestellt (PDF). Weiter heißt es da:

Regierungsmitglieder und Parlamentarische Staatssekretäre dürfen keine öffentlichen Mittel verwenden, um den in der Regierung vertretenen Mehrheitsparteien Hilfe zukommen zu lassen oder die Oppositionsparteien zu bekämpfen.“

Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfg) hatte laut „juracademy.de“ wegen eines AfD-kritischen Interviews auf der amtlichen Internetseite des Bundesinnenministeriums einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht gesehen: Die AfD sei „dadurch in ihrem Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am Prozess der politischen Willensbildung aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt“ worden (Urteil vom 9. Juni 2020, 2 BvE 1/19).

AfD-Kandidaten: zwei Siege in einer Woche

Anlass für Ricarda Langs Aussage war eine Frage zum Gewinn der Landratswahl durch den AfD-Kandidaten Robert Sesselmann im südthüringischen Landkreis Sonneberg am 25. Juni 2023. Es handelte sich um das erste Mal, dass ein Mitglied der „Alternative für Deutschland“ demokratisch in ein Amt gewählt wurde – gegen den Widerstand aus allen anderen Parteien.

Am Sonntag, 2. Juli 2023, wählte eine knappe Mehrheit der Bürger von Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt mit Hannes Loth noch einmal einen AfD-Mann, diesmal zu ihrem Bürgermeister.

Haldenwang und Faeser kontra AfD

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte schon kurz vor dem Wahlsieg Sesselmanns während der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2022 angedeutet, eventuell ein Verbotsverfahren gegen die AfD einzuleiten, falls ihre Behörden „irgendwann zu dem Ergebnis kommen, dass es genügend Gründe zur Einordnung als verfassungswidrig gibt“.

Der Chef der obersten Behörde im Bereich innere Sicherheit, Thomas Haldenwang (CDU), hatte die AfD schon vor Monaten als „Verdachtsfall“ eingestuft – ein Berufungsverfahren läuft. Nichts deutet derzeit darauf hin, dass Haldenwang seine Einschätzung zurücknehmen könnte. Im Gegenteil sieht es mehr danach aus, dass er die Partei wegen „erwiesen extremistischer Bestrebungen“ noch schärfer unter die Lupe nehmen will – und Faeser entsprechend reagieren könnte.

Parteiverbotsverfahren selten erfolgreich

Nach einem Video des Deutschen Bundestags (YouTube) wurden in der Geschichte der BRD bisher nur zwei Parteien verboten: Die „Sozialistische Reichspartei“ (SRP) im Jahr 1952 und die „Kommunistische Partei Deutschlands“ (KPD) 1956.

„Der Staat soll schließlich nicht einfach Parteien verbieten können, die ihm nicht passen“, erklärte die Sprecherin. Bestrebungen, die als rechtsextrem geltende Splitterpartei NPD zu verbieten, waren zuletzt 2016 vor dem BVerfG gescheitert.

Demokratiefördergesetz –  Teil des „Aktionsplans gegen Rechts“

Das „Demokratiefördergesetz“ (DFördG) wurde schon Mitte Dezember 2022 vom Familien-, Senioren-, Frauen- & Jugendministerium unter Lisa Paus (Grüne) auf den Weg gebracht, ist aber noch nicht verabschiedet. Paus lässt den offiziellen Twitterkanal ihres Ministeriums übrigens neuerdings weniger in Schwarz-Rot-Gold, sondern vielmehr in den Farben der LSBTIQ-Regenbogenbewegung ausstatten.

Ricarda Lang unterstützt das DFördG als Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Das Gesetz gehört nach Informationen der „Tagesschau“ auch zum großen „Aktionsplan gegen Rechts“ von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Für das DFördG sollen 1,1 Milliarden Steuergeld bereitgestellt werden.



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