Grün gegen Gelb: Zwei Bundestagsvizepräsidenten im Duell

Sechs Wochen vor der Bundestagswahl haben sich die beiden Bundestagsvizepräsidenten Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP) einen Schlagabtausch im Nachrichtensender „Welt“ geliefert. Die beiden sprachen unter anderem über Meinungsfreiheit, Außenpolitik, Wirtschaft und die Migrationskrise.
Titelbild
Wolfgang Kubicki ist stellvertretender Vorsitzender der FDP und Vizepräsident des Bundestags. Am 15. Januar lieferte er sich ein Wahlkampfduell mit seiner grünen Kollegin Katrin Göring-Eckardt.Foto: Tobias Schwarz/AFP via Getty Images
Von 16. Januar 2025

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hat im Rededuell mit Katrin Göring-Eckardt (Grüne) im Nachrichtensender „Welt“ mehr Befugnisse und mehr „Robustheit“ für die deutschen Sicherheitsbehörden gefordert. Er kritisierte jene „3.000 Leute, die in Hamburg für das Kalifat demonstrieren“ und auch jene Menschen, die sich schon durch das Wort Weihnachtsmarkt in ihren Gefühlen verletzt sähen.

Es gehe ihm nicht um den gut integrierten Syrer, betonte Kubicki, sondern um jene Menschen, die „mit 18, 19, 20 hier einwandern und keinerlei Respekt mehr davor haben, wie die Gesellschaft bei uns organisiert ist“. Immerhin gehe die Hälfte der Syrer und noch mehr Afghanen hierzulande keiner Arbeit nach. Im Gegenteil existiere eine ganze Reihe von Gruppen, die nicht arbeiten wollten und „dem Staat den Kampf“ angesagt hätten. „Und wir tun immer so, als dürften wir dagegen nichts tun, weil das inhuman wäre“, kritisierte Kubicki. Und weiter:

Wenn sich der Rechtsstaat verabschiedet, darf man sich nicht wundern, wenn sich auch immer mehr Menschen von der Demokratie abwenden.“

Insbesondere für Stadtbewohner stellten die illegale Migration, Parallelgesellschaften oder die Situation in den Schulen mittlerweile ein „Riesenproblem“ dar.

Arabischsprachige Polizisten als „Gamechanger“?

Göring-Eckardt nannte es „nicht fair“, die ganzen Probleme des Landes wie den Investitionsstau oder die Inflation „auf Migrantinnen und Migranten“ zu schieben. Sie sprach sich für eine bessere Grundausstattung für die Polizei und eine bessere Zusammenarbeit unter den Behörden aus.

Es komme weniger auf die Herkunft eines Delinquenten an, sondern auf dessen Verhalten einschließlich Drogen- oder Alkoholkonsum. Ein arabisch sprechender Polizist in Frankfurt am Main habe sich schnell als „Gamechanger“ herausgestellt, wie sie bei einem Besuch vor Ort erfahren habe.

Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP) am 15. Januar 2025 im Rededuell beim Nachrichtensender „Welt“. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/„Welt“

Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP) am 15. Januar 2025 im Rededuell beim Nachrichtensender „Welt“. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/„Welt“

Die Ursache für die Migrationsprobleme verortete die Erfurterin beim Personalmangel in Schulen und Kitas. Eine weitere „entscheidende Frage“ sei, dass die Betroffenen, auch die syrischen Frauen, „sehr schnell in Arbeit oder in Ausbildung“ kämen.

Deutschland sei jetzt und zukünftig auf die Migranten angewiesen: „Die zahlen in die Sozialsysteme ein, die fahren die Busse, die helfen im Pflegeheim“. Insofern sei es ihr egal, ob die Migranten über das Chancenaufenthaltsrecht oder als Geflüchtete nach Deutschland gekommen seien.

Abschiebungen nur bei Straftätern – „wenn das geht“

Ihrer Beobachtung nach fühlten sich selbst manche Gastarbeiter der dritten oder vierten Generation hierzulande als „Menschen zweiter Klasse“ und hätten Angst, auch wegen der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft.

Andererseits sei sie „sehr dafür“, den Menschen „sehr klare Ansagen“ über das Zusammenleben und Regeln zu machen, erklärte Göring-Eckardt. Wenn jemand straffällig werde, könne er, „wenn das geht“, nicht mehr im Land bleiben. „Aber so eine Debatte führt natürlich dazu, dass sich Migrantinnen und Migranten in Stellvertretung immer mitgemeint fühlen“, wechselte die ehemalige Theologiestudentin erneut die Perspektive:

Diese Verschärfung, diese Zuspitzung, das hilft uns, glaube ich, in Deutschland nicht, weil am Ende geht’s darum, wie leben wir vernünftig zusammen.“

Ihr selbst gehe es stets um Ordnung, aber auch um Humanität, so Göring-Eckardt: „Beides gehört für mich zusammen“.

Göring-Eckardt gegen Abschiebe-Deals

Abschiebungen nach Syrien erteilte Göring-Eckardt eine Absage: Die neue Situation vor Ort sei „extrem volatil“. Man wisse bisher nicht, wie sie ausgehen werde. Das Individualrecht auf Asyl bestehe jedenfalls weiter, auch für Anhänger von Assad, die sich auf den Weg nach Deutschland machten.

Kubickis Vorschlag, den Herkunftsländern „vielleicht auch finanzielle Angebote“ zu machen oder die Entwicklungshilfe zu beschneiden, damit sie ihre Staatsangehörigen wieder aufnähmen, hielt Göring-Eckardt für „nicht sinnvoll“: Damit würden womöglich gerade jene Unbeteiligten bestraft, die sich gegen ihre Regime auflehnten.

Das wiederum bezeichnete Kubicki als „ziemlich absurd“: Die Geldtransfers aus Deutschland landeten ohnehin in der Regel in den Taschen der „Autokraten“.

Kubicki für rein interessengeleitete Außenpolitik – Göring-Eckardt will mehr

Überhaupt sehe er einen Widerspruch in der grünen Außenpolitik: „Entwicklungshilfe nicht stoppen, auch bei Ländern nicht, die ihre eigenen Staatsbürger nicht zurücknehmen, aber Frau Baerbock fährt nach Syrien und sagt, ihr kriegt nur Hilfe, wenn ihr die Frauenrechte stärkt. Also das eine verbinden wir mit dem anderen, und auf der anderen Seite geht’s nicht“, stichelte Kubicki.

Wenn Deutschland allgemein „mit erhobenem Zeigefinger in der Welt“ herumgehe, sei das Land irgendwann ganz alleine mit seiner Moral, mahnte der Liberale. Schon heute habe das Auftreten der Deutschen damit zu tun, dass die Hälfte der Franzosen ihre Nachbarn nicht mehr möge. Außenpolitik müsse aber stets „interessengeleitet“ sein.

„Ich glaube nicht, dass Außenpolitik nur interessengeleitet sein darf und kann“, konterte Göring-Eckardt. Für wichtiger halte sie, mehr Kooperationen anzubahnen und überall für den Schutz der Menschenrechte einzutreten. Schließlich gebe es derzeit „sehr viel mehr autokratische Regime“.

Ist die Meinung in Deutschland noch frei?

Auch beim Thema Meinungsfreiheit wurden sich die beiden nicht einig. Kubicki stellte fest, dass Umfragen zufolge rund die Hälfte der Deutschen Angst davor habe, öffentlich eine Meinung zu äußern. Dabei lebe die Demokratie von Meinungsfreiheit. Sogar „blöde, irre, nicht akzeptable Meinungen“ seien vom Grundgesetz geschützt:

Ungeregelte Meinungen aufeinanderprallen lassen, solange es nicht strafbar ist, ist der Sinn der Veranstaltung. Jeder, der versucht, das zu lenken, ist kein Demokrat, für mich auch ein Verfassungsfeind“.

Er glaube zudem nicht, dass der Staat ein Recht habe, „die Plattformen dazu zu verpflichten, wahre und unwahre Aussagen zu unterscheiden.“ Er könne auch „die Anmaßung von sogenannten Faktencheckern nicht nachvollziehen“, über zutreffende oder unzutreffende Meinungen entscheiden zu wollen. Gerade die Faktenchecker von „CORRECTIV“ hätten „die schlimmsten Fake News seit Bestehen des Landes verbreitet“.

Die Bemerkung über das „CORRECTIV“-Team löste bei Göring-Eckardt Kopfschütteln aus. „Die Menschen, die das tun“, seien „unabhängig“ und „nicht der Staat“, betonte die ehemalige Grünen-Fraktionsvorsitzende. Es gebe in Deutschland „keine vorlaufende Meinungspolizei oder so was“. Bei Einträgen in sozialen Netzwerken würden „im Nachgang“ lediglich die Fakten geprüft.

Zudem halte sie es für „absurd“, so zu tun, als ob nicht jeder „in der Demokratie, in der wir leben“, seine Meinung sagen könne. „Man muss halt damit rechnen, wenn’s um Meinung geht, dass man auch ’ne Gegenmeinung kriegt“.

Kubicki setzte noch einmal nach: „Wir haben während der Corona-Krise erlebt, dass offensichtlich der Staat sich angemaßt hat, die Meinungen zu kanalisieren. Und das halte ich wirklich für verfassungswidrig.“

Göring-Eckardt: „Krasse Fehler“ in der Corona-Zeit

„Nein, der Staat hat sich’s nicht angemaßt“, konterte Göring-Eckardt. „Der Staat hat auf den Plattformen gesagt, schaut euch bitte an: Was sind Fakten, was stimmt und was stimmt nicht?“

Sie gab zu, dass „wir auch als politisch Agierende und Aktive und Mitbestimmende in dieser Zeit nie alles gewusst haben, was wir hätten wissen sollen“. „Wir haben krasse Fehler gemacht“, sagte Göring-Eckardt, „also irgendwie Spielplätze dichtmachen und solche Dinge“. Das sei dem Umstand geschuldet gewesen, dass es seinerzeit „sehr schnell“ gegangen sei und „wir nicht sicher waren, funktioniert jetzt das, funktioniert jetzt das?“.

Auch ihr selbst sei wegen des Fürsorgeauftrags als Politikerin und wegen der vielen Krankheits- und Todesfälle die Abwägung „oft sehr schwergefallen“: „Deshalb bin ich auch nach wie vor dafür, dass wir eine echte Aufarbeitung dieser Zeit machen, damit uns sowas nicht wieder passiert.“

Ende des Jahres 2021 hatte sich Göring-Eckardt im „Deutschlandfunk“ für eine allgemeine Impfpflicht eingesetzt. Deren Gegner bezeichnete sie damals als „kleine Minderheit“, „Verschwörungsideologen“ und „Rechtsextreme“. Noch am 17. März 2022, drei Wochen vor der gescheiterten Bundestagsabstimmung über eine Ü60-Impfpflicht, war sie diesbezüglich im Plenarsaal zuversichtlich gestimmt:

Es gibt ja einige […], für die die allgemeine Impfpflicht […] immer ein Riesenproblem war. Für die wird es jetzt ein bisschen einfacher. Da gibt es nämlich eine Anweisung, und dann muss man das machen. Damit, glaube ich, sind wir ganz gut aufgehoben.“

Kubicki gegen Habecks neue Steuerpläne

Während Kubicki Robert Habecks Idee, Kapitalerträge der Sozialversicherung zu unterwerfen, als „dumm“ bezeichnete, „weil es im Sozialversicherungsrecht gar keine Freigrenzen geben“ könne, wies Göring-Eckardt die Zuschreibung zurück.

Es gehe den Grünen darum, einen eigenen Fonds einrichten, in den künftig Sozialversicherungsbeiträge aus Kapitalerträgen fließen sollten – als Ausgleich und Zeichen der „Solidarität zwischen allen“. Zinsen auf Rücklagen zur Alterssicherung seien nicht Bestandteil des Vorschlags.

Zur schnellen Erholung der Wirtschaft riet Kubicki von Marktsubventionen ab und empfahl Steuerreformen, Bürokratieabbau und einen „Mentalitätswechsel in der öffentlichen Verwaltung“. Göring-Eckardt wollte von einer Soli-Abschaffung nichts wissen. Wo der Investitionsstau sehr drücke, solle die Regierung Schulden aufnehmen, insbesondere für „Straßen, Schienen, vor allen Dingen aber bei Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden“.

Das Duell zwischen Katrin Göring-Eckardt und Wolfgang Kubicki ist auf dem YouTube-Kanal der „Welt“ zu sehen.



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