Großrazzia gegen Reichsbürgerszene
Deutsche Terrorabwehreinheiten haben am Morgen des 7. Dezember 130 Objekte in elf Bundesländern durchsucht. Das hat die Generalbundesanwaltschaft bekannt gegeben. 25 der insgesamt 52 Beschuldigten seien festgenommen worden. Auch im österreichischen Kitzbühel und im italienischen Perugia habe man mutmaßliche Verschwörer überrascht.
„Über 3.000 Sicherheitskräfte und Polizeibeamte des Bundeskriminalamts, Spezialkräfte der Bundespolizei, der […] Landeskriminalämter sowie weitere Polizeikräfte aus Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Thüringen“ seien am Einsatz beteiligt gewesen, heißt es in einer Pressemitteilung der Generalbundesanwaltschaft.
Der dringende Anfangsverdacht laute auf Zugehörigkeit beziehungsweise Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Zu den mutmaßlichen Unterstützern, die festgenommen wurden, gehöre auch ein russischer Staatsangehöriger.
Die Gruppierung soll mindestens seit November 2021 aktiv sein und „einen gewaltsamen Umsturz des politischen Systems der Bundesrepublik geplant haben“. Dazu soll auch das Vorhaben gehört haben, „mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen“. Bei all dem habe die Gruppe auch den Tod „staatlicher Repräsentanten“ in Kauf genommen, erklärte die Generalbundesanwaltschaft.
Ablehnung staatlicher Institutionen
Die Verdächtigen folgten einem in der Szene weitverbreiteten Gedankengut, nämlich „einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen bestehend aus Narrativen der sogenannten Reichsbürger- sowie QAnon-Ideologie“, so die Erkenntnisse der Generalbundesanwaltschaft. Demnach werde Deutschland von Angehörigen des sogenannten „Deep State“ regiert. Abhilfe erhoffe sich die Szene durch das Eingreifen einer Allianz „von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten, einschließlich der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten von Amerika“.
Die Beschuldigten verbindet laut Generalbundesanwaltschaft „eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“. Als Alternative habe den Verschwörern „eine (militärische) Übergangsregierung“ vorgeschwebt, „die nach der Vorstellung der Vereinigungsmitglieder dem klassischen Reichsbürgernarrativ entsprechend die neue staatliche Ordnung in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des 2. Weltkriegs verhandeln“ solle.
Polizisten und Soldaten unter den Verdächtigen
Als internationalen Ansprechpartner für Verhandlungen habe die Gruppierung Russland gesehen. Der Beschuldigte „Heinrich XIII. P.R.“ habe „bereits Kontakt mit Vertretern der Russischen Föderation in Deutschland aufgenommen“. Noch existierten allerdings „keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ansprechpartner auf sein Ansinnen positiv reagiert“ hätten.
Bei Heinrich XIII. P. R. handele es sich um den Vorsteher des „Rats“ der Gruppierung. Er gilt nach Erkenntnissen der Generalbundesanwaltschaft „innerhalb der Vereinigung als zukünftiges Staatsoberhaupt“.
Auch Angehörige der Bundeswehr und der Polizei sollen nach Informationen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) zu den mutmaßlichen Verschwörern gehören. „Die Ermittlungen richten sich unter anderem gegen einen aktiven Soldaten sowie mehrere Reservisten“, erklärte ein MAD-Sprecher in Köln. Der aktive Soldat sei Angehöriger des Kommandos Spezialkräfte (KSK), habe dort aber keine leitende Funktion innegehabt. Es seien bislang auch keine Verbindungen zwischen dem beschuldigten Soldaten und früheren Fällen rechtsextremer Umtriebe beim KSK gefunden worden.
„Das Herz unserer Demokratie schützen“
Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, und ihr Fraktionsvize Konstantin von Notz haben nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP bereits veranlasst, „dass sich die entsprechenden Ausschüsse und Gremien des Parlaments in der kommenden Sitzungswoche intensiv mit den Razzien befassen“ werden. Es gelte, „das Herz unserer Demokratie bestmöglich zu schützen“ und „die Frage nach der Sicherheit des Deutschen Bundestags“ zu erörtern.
Nach Einschätzung des Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour hätten die Durchsuchungen gezeigt, „welche enorme Gefahr von Rechtsextremen und Reichsbürgern ausgehen kann“. Es sei „ein großer Fehler“ gewesen, sie als „harmlose Spinner“ abzutun. Die Razzia zeige aber, „dass unsere Demokratie und der Rechtsstaat wehrhaft sind“, so Nouripour gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Nach dpa-Informationen schätzte der Verfassungsschutz das Personenpotenzial der sogenannten „Reichsbürger“-Szene in Deutschland noch 2021 auf 21.000 Menschen. In diesem Jahr soll die Zahl der Angehörigen der Szene „noch einmal gestiegen“ sein. Etwa jeder Zehnte davon gelte als gewaltbereit.
(Mit Informationen von afp und dpa)
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