Gesetzentwurf: Lindner will „verdächtige“ Sachwerte ohne Strafverfahren einziehen lassen
Nach dem Willen von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) soll die Exekutive demnächst ermächtigt werden, unter bestimmten Bedingungen Wertgegenstände, Eigentumsurkunden und Rechtstitel in einem Gesamtwert von mindestens 100.000 Euro auch ohne vorheriges Strafverfahren beschlagnahmen zu können. Ermöglichen soll das ein „Gesetz zum Schutz des Wirtschafts- und Finanzsystems vor der Verschleierung und Einbringung bedeutsamer inkriminierter Vermögenswerte“, kurz: Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz (VVBG).
Sollte der vorliegende Referentenentwurf des VVBG (PDF) tatsächlich durchkommen, so würde er nach Einschätzung von Patricia Lederer, Fachanwältin für Steuerrecht, „den Rechtsstaat in Deutschland mit Füßen“ treten. Denn der Entwurf verletze gleich mehrere Grundrechte.
Laut Paragraf 30 VVBG wären die Unverletzlichkeit der Wohnung sowie das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis betroffen. Sogar das gesamte Rechtsstaatsprinzip der Bundesrepublik würde nicht mehr gelten, so Lederer. Denn wenn für den Einzug eines Vermögenswertes kein Strafverfahren mehr nötig sei, dann öffne das der „Willkür bei den Ermittlungsbehörden Tür und Tor“ (Video ab circa 11:49 Minuten auf YouTube). Zudem sei das Gesetz „so schlecht geschrieben, dass es Millionen Bürger unter Generalverdacht“ stelle, kritisiert die Juristin.
Ermittlungen ohne „Anlasstat“
Offiziell geht es laut Gesetzentwurf darum, „hochwertigen Vermögenswerten“ aus „inkriminierter oder unklarer Herkunft“ staatlicherseits habhaft werden zu können:
Hochwertige VermögensGegenstände [sic], die im Sinne des VErmiG [Vermögensermittlungsgesetz] verdächtig sind, sollen daher künftig unabhängig von einem Strafverfahren in das erweiterte selbstständige Einziehungsverfahren nach den Regelungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung einbezogen werden.“ (Hervorhebung: Epoch Times)
Derzeit ist das Einziehen von Vermögensgegenständen nur im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gestattet, die aufgrund einer „Anlasstat“ in die Wege geleitet wurden, wie aus den Vorbemerkungen im Gesetzentwurf hervorgeht. Das soll sich nun also ändern.
Zwar soll „eine anlasslose Kontrolle sämtlicher hochwertiger Vermögensgegenstände“ auch künftig „nicht ermöglicht werden“, heißt es in dem Entwurf. Falls aber bestimmte „Anhaltspunkte“ beziehungsweise „Risikomerkmale“ dafür vorlägen, dass ein Gegenstand „aus rechtswidrigen Taten“ herrühren könnte, sollen die Behörden bestimmte Befugnisse erhalten, um zunächst den wahren „wirtschaftlich Berechtigten“ an einem Vermögensgegenstand zu ermitteln – und letztlich per Verwaltungsgerichtsbeschluss auch Gegenstände einziehen zu dürfen. Mit dem „wirtschaftlich Berechtigten“ ist laut Steuerfachanwältin Lederer der „Hintermann“ gemeint, dem ein Wert „wirklich gehört“.
Welche Verdachtsmomente reichen aus?
Was aber gilt als „Anhaltspunkt“ im Sinne des Gesetzes? Paragraf 2 des Entwurfs zählt etliche Kriterien auf. So können ein oder mehrere Vermögensgegenstände im Gesamtwert von über 100.000 Euro bereits als verdächtig betrachtet werden, wenn die Einkommensverhältnisse des Besitzers „bei objektiver Betrachtung“ nicht mit einem Kauf in Einklang zu bringen sind. Was beispielsweise schon der Fall sein kann, wenn man als Geringverdiener ein Auto, eine Eigentumswohnung und ein Bündel Bargeld besitzt, die zusammen genommen die 100.000-Euro-Wertgrenze überschreiten.
Es reicht für die Zuschreibung „verdächtig“ auch aus, wenn ein Gegenstand im Besitz einer Person ist, die zuvor wegen einer „Vermögensstraftat oder Straftat von erheblicher Bedeutung“ verurteilt wurde. Oder wenn man einem Menschen nahesteht, der einer kriminellen Vereinigung angehört. Oder auch, wenn der Besitzer „in geografischen Risikogebieten ansässig“ ist oder dort auch nur Geschäfte macht. Als solche Risikogebiete gelten laut „Zoll.de“ Nicht-EU-Länder wie Gibraltar, die Philippinen oder die Vereinigten Arabische Emirate, aber auch Zypern, Malta, die Türkei, China oder Russland. Letztlich genügt als Beleg für ein Risikogebiet eine „glaubwürdige Quelle“, die versichert, dass in einem Land „kriminelle Tätigkeiten […] stark ausgeprägt sind“.
Zuständigkeiten
Auf die vermeintlichen Geldwäsche-Profiteure angesetzt werden sollen nach dem Referentenentwurf die gut 100 Mitarbeiter einer noch einzurichtenden Behörde, nämlich dem Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung (EZV).
Dieses soll dem Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF) unterstehen, das nach einem Bericht der „Wirtschaftswoche“ im Sommer 2025 „an den Start gehen“ soll. Laut „Tagesschau“ soll ein Nebensitz des BBF in Dresden liegen. Der Hauptsitz sei für Köln geplant – unweit der bereits bestehenden Anti-Geldwäsche-Einheit Financial Intelligence Unit (FIU) und der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung (ZfS). Die 1.700 Beschäftigten des neuen BBF sollen dann eng mit der ebenfalls noch einzurichtenden EU‑Behörde zur Geldwäschebekämpfung namens AMLA („Anti-Money Laundering Authority“) in Frankfurt am Main zusammenarbeiten.
Befugnisse des EZV
Die Mitarbeiter der EZV-Behörde sollen laut Paragraf 5 des Gesetzentwurfs befugt werden, die Besitzer „verdächtiger“ Vermögensgegenstände per Anordnung vorzuladen und von ihnen zu verlangen, den „wirtschaftlich Berechtigten“ oder den rechtmäßigen Erwerb der Gegenstände gegebenenfalls mit entsprechenden Schriftstücken nachzuweisen. Besitzer sollen auch erklären, was sie dafür bezahlt haben und woher sie das Geld hatten. Den Beamten wird nach Paragraf 3 auch erlaubt, im Verdachtsfall private Bankgeschäfte zu durchleuchten.
Damit Behördenmitarbeiter Wohnungen, Geschäfts- oder Betriebsräume durchsuchen, Beweisstücke mitnehmen und „Postsendungen, einschließlich in elektronischen Postfächern gespeicherten Nachrichten“ beschlagnahmen dürfen, bedarf es laut Paragraf 6 (4) zwar grundsätzlich einer richterlichen Anordnung des zuständigen Verwaltungsgerichts – ein eigenes Strafverfahren ist, wie beschrieben, aber nicht mehr zwingend notwendig. Bei „Gefahr in Verzug“ soll sogar eine Anordnung durch die zuständige Behörde selbst genügen.
Durchsuchungs- und Beschlagnahme-Aktionen sollen gemäß Paragraf 6 (5) auch dann zulässig sein, wenn der Inhaber des durchsuchten Ortes gar nicht mit dabei ist – es genügt schon, dass ein Mitbewohner oder Nachbar hinzugezogen wird, sofern das „möglich“ ist.
Gericht muss Einziehung anordnen
Die „verdächtigen“ Vermögensgegenstände dürfen nach Paragraf 7 allerdings nur dann „vorläufig sichergestellt“ werden, „wenn die Annahme begründet ist, […] dass der Vermögensgegenstand veräußert oder auf andere Weise dem Verfahren entzogen werden soll“. Außerdem ist eine richterliche Anordnung Voraussetzung.
Diese ist gemäß Paragraf 12 VVBG zu erteilen, „wenn der Gegenstand [nach Überzeugung des Gerichts] aus einer rechtswidrigen Tat herrührt und die Anordnungsgegnerin oder der Anordnungsgegner“ das zuvor auch in seiner Erklärung bestätigt hat. Was in der Praxis aber kaum vorkommen wird, wie die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in ihrer offiziellen Stellungnahme zum Referentenentwurf (PDF) bemängelt.
Verbände: „Kein deutlicher Mehrwert“
Dass der Entwurf überhaupt durchkommen wird, scheint fraglich. Zum einen finden sich im Entwurf immer wieder Verweise, die ins Leere laufen. Zum anderen sparen manche Verbände in ihren offiziellen Stellungnahmen nicht mit Kritik.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) etwa ist überzeugt, dass der VVBG-Entwurf „in der Bekämpfung der Finanzkriminalität keinen wirklich deutlichen Mehrwert“ bietet. Er sei sogar „noch schwächer, als sein ebenfalls nicht wirklich tauglicher Vorgängerentwurf vom Sommer letzten Jahres“.
Im Grunde, so die GdP, könne das Papier „faktisch auf seinen § 14 reduziert werden, ohne dass die durch die Bundesregierung beabsichtigte Möglichkeit zur Finanzkriminalitätsbekämpfung einen Schaden nehmen würde“. Paragraf 14 regelt, dass das Ermittlungszentrum „unverzüglich“ die Staatsanwaltschaft informieren muss, sobald „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür [vorliegen], dass der Vermögensgegenstand durch eine rechtswidrige Tat erlangt wurde oder aus einer solchen Tat herrührt“. Dann also würde doch noch ein reguläres Strafverfahren ins Spiel kommen: „Bis zu dessen Beendigung“ würde das zur Vereinfachung gedachte VVBG-Verfahren ausgesetzt.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hält den Entwurf für einen „gänzlich untaugliche[n] Versuch, die Geldwäschebekämpfung in Deutschland zu verbessern. Das BBF erhielte kein Herz […], sondern totes Gewebe“ (PDF).
Auch die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft hätte sich „umfangreichere Eingriffsbefugnisse“ nach dem Vorbild „der Anti-Mafia-Gesetzgebung in anderen EU-Mitgliedsstaaten“ gewünscht (PDF). Auf den italienischen Weg des „Codice Antimafia“ verweist auch die Bürgerbewegung Finanzwende. Der Verein meint, dass es im Entwurf keine „substantielle[n] Verbesserungen bei der Vermögensabschöpfung“ gebe (PDF).
Verabschiedung noch in der Schwebe
Noch steht nicht fest, wann das VVBG verabschiedet werden soll. Die ersten Kosten sollen gemäß Referentenentwurf jedenfalls ab 2025 anfallen. Ursprünglich sollte der Entwurf bereits das Kabinett passiert haben, wie die „Wirtschaftswoche“ berichtete. Doch dazu sei es bisher nicht gekommen, weil Finanzminister Lindner und Justizminister Marko Buschmann (FDP) mehr Zeit für die Abstimmung bräuchten.
Infolgedessen hätten es die Grünen im Bundestag am vergangenen Dienstag, 14. Mai 2024, abgelehnt, einen anderen artverwandten Gesetzentwurf durchzuwinken – nämlich das Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz (FKBG). Er enthält laut BFM „die wesentlichen Regelungen zur Errichtung des neuen Bundesamtes zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF)“ und die „Regelungen für die Einrichtung eines Immobilientransaktionsregisters“.
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