Geschrumpftes Loch und neue Spar-Ideen: Der Ampelkompromiss

Auf den letzten Metern: Nach zähen Verhandlungen hat die Ampelkoalition eine Einigung über den Bundeshaushalt 2025 erzielt. Nun haben Bundestag und Bundesrat das Wort.
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Die Ampel hat sich in letzter Minute auf den Haushalt geeinigt.Foto: RALF HIRSCHBERGER/AFP via Getty Images
Von 16. August 2024

Die Führungsspitzen der Ampelkoalition haben eine neue Einigung zum Bundeshaushalt für das nächste Jahr erzielt, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit bekannt gab.

Hebestreit betont in einer Pressemitteilung, dass die Schuldenbremse eingehalten wird. Die Deutsche Bahn erhalte zusätzliches Eigenkapital in Höhe von 4,5 Milliarden Euro und ein Darlehen von drei Milliarden Euro, um Anleihen abzulösen. 

Das erhöhe die zulässige Nettokreditaufnahme des Bundes. Zudem werden 15,1 Milliarden Euro für Schieneninfrastruktur bereitgestellt. Die „Globale Minderausgabe“ wird durch diese Maßnahmen um 4,5 Milliarden Euro reduziert. Bei Globalen Minderausgaben oder auch „Bodensatz-GMA“ handelt es sich im Wesentlichen um allgemeine Ausgabenkürzungen, bei denen bisher nicht festgelegt ist, welche genauen Posten im Haushalt betroffen sein werden.

Diese Kürzungen betreffen den gesamten Haushaltsplan und somit alle Ressorts. Dadurch werden theoretische Einsparpotenziale berücksichtigt, ohne dass bereits konkrete Einsparungen bei bestimmten Ausgabenpositionen beschlossen werden müssen. Der Begriff „Bodensatz“ wird verwendet, um die Vorstellung zu beschreiben, dass bestimmte Haushaltsmittel möglicherweise nicht vollständig genutzt oder ausgegeben werden. Dies könnte passieren, wenn sich Projekte verzögern oder Maßnahmen gestrichen werden, wodurch ein „Bodensatz“ an Mitteln übrig bleibt.

Weitere Einsparungen von 500 Millionen Euro erfolgen durch höhere Uniper-Zahlungen und geringere Vorsorge für Steuerausfälle. Insgesamt reduzieren sich die Mindereinnahmen auf 12 Milliarden Euro. Das heißt, dass nun auch nach der Einigung eine Finanzierungslücke von 12 Milliarden Euro bestehen bleibt. Bei der Vorstellung des Ampelkompromisses im Juli klaffte noch eine Lücke von 17 Milliarden Euro im Haushalt. Ziel der Regierung war es eigentlich, den Fehlbetrag von 17 Milliarden Euro auf maximal neun Milliarden Euro zu verringern. Das ist jedoch offenbar nicht gelungen.

Der vom Kabinett verabschiedete Entwurf wird jetzt dem Parlament vorgelegt. Die Abgeordneten benötigen Zeit, um das umfangreiche Dokument mit über tausend Seiten gründlich zu prüfen. Nach aktuellem Plan soll der Haushalt in der Sitzungswoche ab dem 10. September erstmals im Bundestag beraten und anschließend im Spätherbst verabschiedet werden.

Heftiger Streit in den vergangenen Wochen

In den vergangenen Tagen war die Auseinandersetzung um den Bundeshaushalt für das kommende Jahr neu entflammt, die Koalitionspartner überzogen sich teils mit heftigen Vorwürfen. In den vergangenen Tagen ist immer wieder berichtet worden, dass ein Finanzierungsloch von über fünf Milliarden Euro im Haushalt klaffe – bei einem Gesamtvolumen von 480 Milliarden Euro. Am Ende ist es mit 12 Milliarden Euro sehr viel höher.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte, nachdem sich die Spitzen von SPD, Grüne und FDP Anfang Juli auf einen Haushaltsentwurf geeinigt hatten, einige Vorhaben verfassungsrechtlich und wirtschaftlich prüfen lassen. Damit wollte Lindner verhindern, dass der Etat 2025 im Nachgang wieder vom Bundesverfassungsgericht in Teilen einkassiert wird. Genau das war im November letzten Jahres passiert. Die Ampel musste in kürzester Zeit ein Milliardenloch ausgleichen. 

Seine Bedenken, ob alle vorgesehenen Projekte tatsächlich umsetzbar seien, hatte der Finanzminister schon auf der Pressekonferenz Anfang Juli mitgeteilt. Nachdem zwei Gutachten diese Zweifel teilweise bestätigt hatten, verwarfen die Koalitionspartner die Idee, 4,9 Milliarden Euro der KfW für die Gaspreisbremse auf andere Töpfe zu verteilen.

Buchungstricks lösten rechtliche Bedenken aus

Um den Haushalt zusammenzustellen, griffen die Spitzen von SPD, Grünen und FDP aber auch zu anderen Buchungstricks: So wurden etwa die Ausgaben für das Bürgergeld für 2025 so niedrig veranschlagt, dass das Geld wahrscheinlich nicht ausreichen wird. 

Auch die Zuschüsse an die Bahn zur Sanierung des Schienennetzes und an die privatisierte Autobahn GmbH des Bundes sollen in Darlehen umgewandelt werden, damit sie bei der Schuldenbremse nicht angerechnet werden – also faktisch auf Kredit finanziert werden können. 

Zu letzterer Vorgehensweise meldeten Anfang August Experten Zweifel an. Da unklar sei, ob diese wieder zurückgezahlt werden können, stehe die Schuldenbremse auf der Kippe. Diese ist aber im Grundgesetz festgeschrieben und soll, dafür hatte die FDP und der Finanzminister immer wieder gekämpft, nicht wieder ausgesetzt werden. 

Das Finanzministerium unter Lindner schlussfolgerte aus den beiden Expertengutachten, dass die Ausgaben neu verhandelt werden müssen. Die FDP erwartete nun Sparvorschläge von SPD und Grünen. Die FDP-Fraktion und der Finanzminister teilte in den vergangenen Wochen Ideen mit, wie die fehlenden Milliarden Euro aufgebracht werden könnten. Lindner stellte jedoch klar, dass es „keine Steuererhöhungen für die arbeitende Mitte“ geben werde.

SPD: Kein Sparhaushalt

Der SPD-Haushaltspolitiker Achim Post sagte Anfang August gegenüber der „Bild“: „Unser Staatshaushalt darf kein Sparhaushalt sein, sondern muss die soziale, innere und äußere Sicherheit sichern und unverzichtbare Investitionen schaffen. Der Finanzminister ist jetzt am Zug, die angedachten Maßnahmen zur Schließung der Haushaltslücke gemeinsam mit der gesamten Bundesregierung zu bewerten.“ Die SPD erwarte dazu „konstruktive Lösungsvorschläge, die rechtlich gut tragbar sind“.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kritisierte dagegen seine Koalitionspartner scharf: „Der Schuldenpopulismus von SPD und Grünen wird immer unerträglicher. Der Respekt vor den Steuerzahlern gebietet jedoch, dass die politisch Verantwortlichen sorgsam und sparsam mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umgehen. Diesen Respekt lassen SPD und Grüne leider allzu oft vermissen“, so der FDP-Generalsekretär.

Aus Reihen der Grünen kam Kritik an dem Vorgehen der FDP. „Die Aufgabe des Finanzministers ist es, gemeinsame Lösungen zu ermöglichen. Christian Lindner tut jedoch das Gegenteil“, kritisierte der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch Anfang August gegenüber der „Rheinischen Post“. Jetzt liege es in der Verantwortung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), „dafür zu sorgen, dass ein vereinbarter Kompromiss von allen in der Koalition getragen wird.“

„Der rechtliche und finanzpolitische Spielraum dafür ist gegeben“, wies Audretsch Bedenken von Lindner zurück. Gleichzeitig sprach er sich gegen Forderungen der FDP nach zusätzlichen Einsparungen im Sozialbereich aus. „Klar ist, dass es kein Kaputtsparen beim sozialen Zusammenhalt und beim Klimaschutz geben wird“, betonte der Grünen-Fraktionsvize. Details könne man im Parlament besprechen.

Am Mittwoch legten Teile der FDP dann noch einmal nach. Ein Entwurf aus den Reihen der FDP-Bundestagsfraktion hatte als Kosteneinsparungsmaßnahme die Zusammenlegung von Entwicklungs- und Außenministerium vorgeschlagen. Das Papier war nach einem Bericht von „Politico“ öffentlich geworden. 

Politiker-Frotzeleien

Auch in allen anderen Staaten der EU und G7 sei das Entwicklungsministerium kein eigenständiges Ressort, heißt es zur Begründung im FDP-Vorschlag. 

Es solle deshalb „mit seinen erheblichen Ressourcen als Instrument der Außenpolitik verstanden werden“. Zugleich könne man die Ausgaben einer kritischen Prüfung unterziehen.

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) schoss nach Bekanntwerden des FDP-Papiers am Rande eines Termins in Berlin, gegen die Liberalen, wie unter anderem die „Welt“ schreibt:

„Ich war ganz überrascht, dass sie das Entwicklungshilfeministerium gesagt haben. Ich dachte, sie nehmen das Finanzministerium.“

Der FDP-Politiker Michael Kruse reagierte daraufhin in der „Bild“ auf das Habeck-Statement. „Dass sich Herrn Habeck der Sinn von Ministeriumszusammenschlüssen nicht erschließt, wundert mich nicht“, sagte Kruse. Unter seiner Führung füge „der Zusammenschluss von Wirtschaft, Energie und Klima dem Land schließlich täglich wirtschaftlichen Schaden zu“.

Geld muss irgendwo herkommen

Am vergangenen Mittwoch war Finanzminister Lindner Gast auf einem Bürgerdialog in Friedrichshafen. Der neu entflammt Haushaltsstreit in der Ampel war auch dort Thema, wie die „Tagesschau“ berichtete. „Ich bin der einsamste Minister“, so Lindner.

Ich bin allein im ganzen Bundeskabinett, denn alle anderen wollen immer zusätzliches Geld.“

Lindner aber bleibe aufrecht. Er sei dann immer der, der sagen müsse: „Es muss doch von irgendwo kommen!“

Mit der heutigen Einigung ist die Bundesregierung nun wieder in ihrem Zeitplan. Bis November werden Bundestag und Bundesrat über den Etat für das kommende Jahr beraten. Im November soll der Haushalt dann verabschiedet sein. 



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