Friedrich Merz: Mit konservativer Politik ins Kanzleramt?

Friedrich Merz, Olaf Scholz, Alice Weidel, Robert Habeck und Sahra Wagenknecht: Diese fünf Politiker haben ihre Ambitionen auf das Kanzleramt öffentlich gemacht. Für welche Politik stehen sie eigentlich? Teil 2 unserer Serie dreht sich um den starken Mann der Union, Friedrich Merz.
«Die Bürger wollen, dass das Land vernünftig regiert wird», sagt Friedrich Merz.
Der CDU-Parteichef und Oppositionsführer Friedrich Merz hat die besten Chancen, Olaf Scholz als Kanzler der Bundesrepublik abzulösen (Archivbild).Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 16. Januar 2025

Fünf offizielle Kandidaten ringen bis zum 23. Februar 2025 um die Ehre, als zehnter Bundeskanzler nach 1949 Deutschland in eine bessere Zukunft führen zu dürfen.

Den Umfragen der vergangenen Monate zufolge besitzt der Unionskandidat Friedrich Merz die weitaus größten Chancen: CDU und CSU versammeln gemeinsam mit Werten meist über 30 Prozent in der Sonntagsfrage die mit Abstand meisten Stimmen hinter sich.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber bringt in der „Augsburger Allgemeinen“ auf den Punkt, was seinen Spitzenkandidaten für viele Wähler auszeichnet: „Ich kenne Merz seit 30 Jahren. Seine Kompetenz liegt in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Beides wird in den nächsten Jahren dringend gebraucht.“

Laut RTL/ntv-Trendbarometer vom Dezember 2024 trauen 44 Prozent der Befragten es Friedrich Merz zu, die deutsche Wirtschaft am ehesten wieder auf Kurs zu bringen. Scholz schneidet bei der Frage mit nur 18 Prozent ab. 38 Prozent der Befragten sehen diese Fähigkeit weder bei Merz noch bei Scholz.

In Wirtschaftsfragen genießt Friedrich Merz das Vertrauen von 82 Prozent der Unions-Anhänger. Auch bei SPD-Wählern kommt der CDU-Mann in puncto Wirtschaftskompetenz auf einen Wert von 23 Prozent. Und selbst im Lager von AfD und BSW attestiert ihm dies ein Drittel der Befragten, analysiert der Nachrichtensender ntv.

Merz gilt als redegewandt und ehrgeizig. Außerdem bewies er immer wieder Durchhaltevermögen. Er arbeitete sich als Abgeordneter für den Hochsauerlandkreis bis zum Fraktionsvorsitzenden im Jahr 2000 hoch. Laut „Spiegel“ sah er sich bereits als kommenden Kanzlerkandidaten. Nach der verlorenen Bundestagswahl vom Herbst 2002 übernahm allerdings Angela Merkel den Fraktionsvorsitz mitsamt Kanzlerkandidatur. Merz musste zurück in die zweite Reihe. Spätestens als er Ende Oktober 2009 sein Bundestagsmandat freiwillig aufgab, schien seine politische Karriere erledigt.

Doch Merz schaffte Ende der 2010er-Jahre sein politisches Comeback. Damals schrieb Horst von Buttlar im „Stern“ über ihn, es sei gut, dass jemand mit klarer Kante Deutschland aufmische:

Der irgendwie auch klar redet, der nicht Sätze sagt, die in etwa so klingen: ‚Es ist eben auch die Frage, wie wir gemeinsam die Zukunft gestalten wollen.‘ So spricht Angela Merkel gerne, so spricht auch Annegret Kramp-Karrenbauer.“

Merz positioniere die Union bewusst im konservativen und wirtschaftsliberalen Bereich mit einem neuen Grundsatzprogramm.

„Brandmauer“ engt Bündnisoptionen stark ein

Allerdings lautet die Kernfrage für die CDU/CSU, mit welchem Koalitionspartner die Union die Regierungsgeschäfte übernehmen könnte, um einen Großteil ihres Wahlprogramms umzusetzen – beispielsweise eine Steuerreform, eine günstigere Energieversorgung oder eine strengere Migrationspolitik.

In diesen Themenfeldern liegen die größten Schnittmengen der Union bei den wirtschaftsliberalen Parteien FDP und AfD. Die FDP muss nach drei Jahren Ampel allerdings um ihren Wiedereinzug in den Bundestag fürchten. Und selbst wenn es damit bei der Neuwahl des Bundestags am 23. Februar 2024 klappen würde, käme Schwarz-Gelb allein kaum auf genügend Sitze für eine stabile Mehrheitsregierung.

Eine schwarz-blaue Mehrheit wäre Umfragen zufolge dagegen leicht möglich. Doch zur AfD besteht seitens der Union ebenso wie zu den Linken seit 2018 bekanntlich ein Unvereinbarkeitsbeschluss (PDF).

Habeck als Wirtschaftsminister keine Option mehr?

Obwohl Merz immer wieder die Notwendigkeit eines Politikwechsels betont, muss er sich de facto an den Wünschen von Rot-Grün orientieren – und ältere Aussagen zuweilen nachjustieren.

Beispiel Wirtschaftspolitik: Noch vor einem knappen Jahr hatte Merz durchblicken lassen, auch für eine Partnerschaft mit den Grünen im Bund offen zu sein. Am 4. Dezember 2024 hatte Merz in der Fernsehtalkshow „maischberger“ ebenfalls eingeräumt, dass er auch einen grünen Wirtschaftsminister Habeck akzeptieren würde, falls dieser einen „Politikwechsel“ mitmachen würde.

Nach heftigem Gegenwind aus der CSU-regierten Münchener Staatskanzlei ruderte Merz zuletzt aber wieder zurück. „Hohe Steuern, hohe Schulden und hohe Umverteilung durch Subventionen für wenige“, wie sie den seiner Meinung nach „stramm nach links“ gerückten Grünen vorschwebten, seien nicht mit ihm zu machen. Auch in der Außenpolitik wünsche er sich einen anderen Stil.

Kommando zurück bei der Schuldenbremse?

Beispiel Nummer zwei, die Schuldenbremse. Anfang Dezember 2023 hatte Merz sich auf seinem X-Kanal klar dagegen ausgesprochen, „unsere Kinder und Enkelkinder mit immer noch höheren Schulden“ zu belasten. „Es gibt im Bundeshaushalt Einsparpotenzial ohne Ende“, so Merz damals.

Ein Jahr danach zu Gast bei Maischberger bezeichnete Merz die Begrenzung der staatlichen Kreditaufnahme zwar noch immer als „richtig und notwendig“, ließ sich zugleich aber ein Hintertürchen in Richtung SPD und Grüne offen: „Ich habe mir angewöhnt, in der Politik niemals nie zu sagen“, „Wir wissen nicht, was morgen und übermorgen an Herausforderungen auf uns zukommt“ und „Schau‘n wir dann mal“, heißt es nun (Kurzvideo auf X).

Für weitere Unterstützung der Ukraine – Option Taurus?

Eine gewisse Flexibilität zeigt der ehemalige Vorsitzende der US-affinen Atlantik-Brücke (2009 bis 2019) und Ex-Aufsichtsratschef des amerikanischen Investment-Giganten Blackrock (2016 bis 2020) auch beim Ukrainekrieg.

Nachdem er seit Kriegsbeginn immer wieder betont, dass Kiew unbedingt siegen müsse, legte Merz Mitte Oktober im Bundestag mit dem Vorschlag nach, „Russland ein 24-Stunden-Ultimatum zu stellen“ (Kurzvideo auf X). Sollte der Kreml danach nicht einlenken, solle die Reichweitenbeschränkung für die Ukraine nach Merz‘ Vorstellung aufgehoben und deutsche Taurus-Raketen geliefert werden. Eine Woche vor der Präsentation des Wahlprogramms präzisierte Merz, dass Raketen „nicht im Alleingang“, sondern nur in enger Abstimmung mit der kommenden US-Regierung und den europäischen Verbündeten geliefert werden sollten.

Im aktuellen Wahlprogramm heißt es allerdings nur noch, dass die Ukraine „mit allen erforderlichen diplomatischen, finanziellen und humanitären Mitteln sowie mit Waffenlieferungen“ unterstützt werden solle. Das Wort „Taurus“ taucht selbst in der Komplettfassung des Papiers (PDF) nicht mehr auf, womöglich als ein frühes Zugeständnis an die SPD.

Kritische Haltung zu China

Im Verhältnis zu China vertritt der Transatlantiker Merz nach Einschätzung des Onlineportals „Table.Media“ eine deutlich kritischere Haltung als die letzte CDU-Kanzlerin Angela Merkel oder der amtierende SPD-Kanzler Olaf Scholz.

Im April 2024 hatte Merz nach Angaben der „Zeit“ erklärt, dass er Peking als „zunehmende Bedrohung auch unserer Sicherheit“ betrachte. „Länder wie Nordkorea, aber auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, werden von China unterstützt“, stellte Merz damals fest. Überhaupt verhalte sich China „nach innen immer repressiver und nach außen immer aggressiver“, so Merz.

Der deutschen Wirtschaft riet er vor weiteren Investitionen zur Risikoabschätzung: „Die Unternehmen müssen auch früh genug wissen, dass wir nicht bereit wären, Unternehmen zu retten, die ein zu hohes Risiko in Ländern wie zum Beispiel China eingegangen sind“, so Merz laut der „Zeit“.

Eine politische Karriere im Schatten von Angela Merkel

Joachim-Friedrich Martin Josef Merz, 1955 im sauerländischen Heilbad Brilon in eine Politiker- und Juristenfamilie hineingeboren, trat schon als 17-Jähriger in die Partei seines Vaters ein. Nach Abitur und Wehrdienst, den Merz im Rang eines Fahnenjunkers beendet hatte, schloss er sein Jurastudium 1985 in Saarbrücken ab. Nach einem Jahr als Amtsrichter an gleicher Stelle wechselte der Einunddreißigjährige eigenen Angaben zufolge zunächst als Referent zum Verband der Chemischen Industrie, bevor er 1989 EU-Abgeordneter wurde und fünf Jahre später erstmals in den Bundestag einzog.

Die Finanzindustrie bot dem Wirtschaftsanwalt während seiner parlamentarischen Auszeit ab 2009 in verschiedenen Aufsichtsräten, Beiräten oder Verwaltungsräten Lohn und Brot: Merz arbeitete unter anderem für AXA, die Deutsche Börse, diverse Banken, aber auch für den Flughafen Köln/Bonn oder die BASF.

Seinen Aufsichtsratsposten bei BlackRock legte er Ende März 2020 nieder, um sich wieder vermehrt in der Partei zu engagieren. Pünktlich zum angekündigten Rückzug seiner Rivalin Merkel zur Bundestagswahl 2021 zog der längst zum Millionär aufgestiegene Christdemokrat per Direktmandat des Hochsauerlandkreises erneut in den Plenarsaal ein.

In seinem zweiten Anlauf für den Parteivorsitz nach 2018 setzte er sich im Januar 2022 schließlich gegen Norbert Röttgen und Helge Braun durch. Im Monat darauf wurde er nach mehr als zwei Jahrzehnten das zweite Mal zum Fraktionschef von CDU und CSU gewählt. Bei der K-Frage machte er Mitte September 2024 trotz schlechterer Umfragewerte das Rennen gegen den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Parteichef Markus Söder.

Kenner der Wirtschafts- und Finanzwelt

Der 1,90 Meter große Kanzlerkandidat gilt allgemein als erfahrener Kenner der internationalen Wirtschafts- und Finanzszene, eckt nach Darstellung der „Augsburger Allgemeinen“ wegen seines betont selbstbewussten Auftretens auch bei manchem Publikum an. In der Merz-Biografie „Der Unbeugsame“ heiße es dazu: „Merz kommt als Mensch in der Öffentlichkeit nicht gut rüber. In Debatten und Talkshows wirkt er trotz seiner rhetorischen Brillanz oft kalt und schneidend.“

Nach Angaben der „Augsburger Allgemeinen“ lässt Merz zudem Fragen über jene Zeit unbeantwortet, in der er noch in BlackRock-Diensten stand. Besteht für den Fall einer Merz-Kanzlerschaft etwa ein Interessenkonflikt?

Die Zeitung weist darauf hin, dass BlackRock immerhin beachtliche Aktienpakete an DAX-Unternehmen besitze und sich darüber hinaus international für staatliche Rentenmodelle auf Aktienbasis starkmache. Auch die CDU verfolge in ihrem Wahlprogramm das Ziel, für Kinder ab sechs Jahren ein „individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot“ einzuführen.



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