Fördergeldaffäre: Stark-Watzinger schweigt über Auftraggeber vom 10. Mai

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat Forderungen nach einem Rücktritt eine Absage erteilt. Den Namen jenes Mitarbeiters, der am 10. Mai eine Liste der Unterzeichner eines kritischen offenen Briefes angefordert hatte, wollte sie im Bundestag nicht verraten.
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Bildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger während der Fragestunde im Bundestag am 26. Juni 2024.Foto: Michele Tantussi/Getty Images
Von 27. Juni 2024

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) lehnt einen Rücktritt wegen der sogenannten Fördergeldaffäre weiter ab. Bei der Fragestunde im Plenum des Bundestags erläuterte Stark-Watzinger lieber erneut ihren Blick auf die Geschehnisse der vergangenen sechs Wochen. Aufklärung und Transparenz seien ihr wichtig, betonte die Ministerin.

Es habe insgesamt drei Aufträge im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gegeben. Beim ersten vom 10. Mai 2024 habe es sich gar nicht um einen Prüfantrag gehandelt. Die Fachabteilung Öffentlichkeitsarbeit habe damals lediglich eine Liste jener Universitätsdozenten angefordert, die am 8. Mai einen wohlwollenden offenen Brief zu den propalästinensischen Protesten an deutschen Universitäten unterzeichnet hatten: Die Öffentlichkeitsmitarbeiter hätten wissen wollen, welcher Unterzeichner in welchem Verhältnis zum BMBF stehen würde.

Fachabteilung Öffentlichkeit wollte „reaktiv sprachfähig“ sein

Dies sei geschehen, um gegenüber Presseanfragen „reaktiv sprachfähig zu sein“, erklärte die Ministerin. Diese Aufstellung sei von der Fachebene angefordert worden und sei auch „bei der Fachebene geblieben“. „Es hat keinerlei Zusammenhang mit den beiden Prüfanträgen gegeben“, stellte die BMBF-Chefin klar. Ihr selbst oder Dritten sei die Liste auch nicht vorgelegt worden. Sie persönlich habe gar nichts davon gewusst.

Auch auf Nachfrage des bildungs- und forschungspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion Thomas Jarzombek vermied Stark-Watzinger, den Namen des internen Auftraggebers vom 10. Mai zu nennen. Gegenüber dem CDU-Abgeordneten Stephan Albani blieb sie die Antwort auf dieselbe Frage ebenfalls schuldig (Video der Plenarsitzung auf YouTube).

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bei ihrer Befragung am 26. Juni 2024 im Bundestag.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bei ihrer Befragung am 26. Juni 2024 im Bundestag. Foto: Bildschirmfoto/Bundestag.de

Stark-Watzinger über die beiden Prüfaufträge

Der zweite Auftrag sei am 13. Mai erfolgt, so die Ministerin. Forschungsstaatssekretärin Prof. Sabine Döring habe damals telefonisch um eine rechtliche Einschätzung gebeten. Dieser Prüfauftrag „konnte aber von der Fachabteilung so verstanden werden, dass auch förderrechtliche Konsequenzen mit Blick geprüft werden sollten“, so Stark-Watzinger.

Diese Interpretationsmöglichkeit habe auch Döring in einer E-Mail bestätigt. Die Überprüfung förderrechtlicher Konsequenzen sei von Döring tatsächlich gar nicht „intendiert“ gewesen und sei später auch „nicht mehr weiter verfolgt“ worden. Sie selbst habe von diesem Vorgang erst am 11. Juni durch einen Beitrag des NDR-Magazins „Panorama“ erfahren.

Der zweite Prüfauftrag vom 17. Mai habe eine „generelle rechtliche Einschätzung“ betroffen – und zwar „mit Blick auf die Meinungsfreiheit des offenen Briefes“. Nur dieser der drei Aufträge sei mit ihrer eigenen Kenntnis erfolgt, räumte Stark-Watzinger ein.

Vertrauensverhältnis zu Döring passé

Es sei ihr eigener Prozess der Aufarbeitung zur Frage „Prüfaufträge im BMBF“ gewesen, der letztlich dazu geführt habe, dass das Vertrauensverhältnis in Staatssekretärin Döring nicht mehr gegeben sei. Darüber hinaus wolle sie personelle Themen in der Öffentlichkeit nicht diskutieren, sagte die Ministerin.

Bereits am Vormittag hatte Stark-Watzinger im Ausschuss für Bildung und Forschung des Bundestags gesagt, dass sie „keine Veranlassung“ sehe, ihr Amt niederzulegen. Gefragt hatte nach Angaben der „Badischen Zeitung“ der Abgeordnete Ali Al-Dailami vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Die Ministerin habe zudem bekräftigt, dass sie ihre Kritik an dem offenen Brief dieser Dozenten beibehalten wolle: Der Text blende ihrer Ansicht nach den „Terror der Hamas“ einseitig aus. Sie habe einer Meinung schlicht eine andere Meinung entgegengesetzt, so Stark-Watzinger laut „Badischer Zeitung“.

Rücktrittsforderung aus der Unionsfraktion

CDU-MdB Thomas Jarzombek hatte Stark-Watzinger schon vor einigen Tagen zum Rücktritt aufgefordert, nachdem sie ihre Staatssekretärin entlassen hatte: „Bundesministerin Stark-Watzinger hat recht: Ein personeller Neuanfang im BMBF ist notwendig. Sie muss diesen Schritt jetzt selbst vollziehen“, erklärte er.

„Es war ihre Ansage, dass sich die Dozenten mit ihrem Brief nicht auf dem Boden des Grundgesetzes befänden.“ Damit habe sie die Richtung für das Ministerium vorgegeben, so Jarzombek.

Antisemitismusklausel für Förderanträge soll kommen

Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Bezahlschranke) will Stark-Watzinger nun für mehr Klarheit in der Förderpraxis des BMBF sorgen. Demnach erwäge die Bildungsministerin, standardmäßig eine Antisemitismusklausel in die Antragsformulare für wissenschaftliche Förderung einzubauen: Judenfeindlichkeit dürfe niemals in den Genuss von Steuergeldern kommen, habe Stark-Watzinger zum Ausdruck gebracht.

Fördergelder aus ihrem BMBF würde jedenfalls nicht je nach politischer Weltanschauung vergeben, sondern nach Exzellenzkriterien. Vorausgehen müsse der Klausel nun aber eine Debatte mit der Wissenschaft.

„Spiegel“ bezweifelt Darstellung der Ministerin

Nach einem Bericht des „Spiegel“ steht der Verdacht im Raum, dass die Ministerin zeitlich falsche Angaben zu jenem umstrittenen Prüfungsauftrag gemacht haben könnte, der seit Wochen für Unruhe im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sorgt.

Nach Recherchen des „Spiegel“ sollen zwei Referate der BMBF-Abteilung 4 („Hochschul- und Wissenschaftssystem; Bildungsfinanzierung“) bereits am 10. Mai 2024 intern den Auftrag erhalten haben, eine Liste jener Uni-Dozenten anzufertigen, die Fördergelder vom Ministerium erhalten und sich in dem offenen Brief vom 8. Mai schützend vor die propalästinensischen Proteste an deutschen Universitäten gestellt hatten.

Zum Auftrag habe auch gehört, mutmaßlich strafrechtlich relevante Bestandteile des Briefes zu identifizieren und mögliche Konsequenzen für die Unterzeichner zu erörtern, schrieb der „Spiegel“. Dabei habe im Raum gestanden, den Unterzeichnern staatliche Fördermittel zu streichen.

Obwohl es aus den Reihen der Beauftragten Bedenken gegen den Auftrag gegeben hätte, soll die Fachstelle laut „Spiegel“ am 12. Mai tatsächlich eine Liste mit Namen der betroffenen Hochschullehrer an die BMBF-Pressestelle weitergeleitet haben.

Als der Vorfall bekannt wurde, hatte das einen Sturm der Entrüstung im Wissenschaftsbetrieb ausgelöst.

Ministerin entließ Staatssekretärin

Bettina Stark-Watzinger hatte bereits am 16. Juni 2024 erklärt, dass ihr der umstrittene Auftrag aus ihrem Ressort erst am 11. Juni 2024 durch einen Beitrag des NDR-Magazins „Panorama“ persönlich „zur Kenntnis gekommen“ sei. Sie habe daraufhin intern die Aufarbeitung der Vorgänge veranlasst. Zugleich hatte sie angekündigt, den Kanzler um die Entlassung ihrer Staatssekretärin Prof. Sabine Döring zu bitten, weil diese aus ihrer Sicht die Verantwortung für das Missverständnis getragen haben soll.

Der zugrunde liegende Artikel seiner Kollegen Miriam Olbrisch und Armin Himmelrath ist nur hinter der Bezahlschranke lesbar.

Sprecher weist „Spekulationen“ zurück

Ein Ministeriumssprecher hatte diese Darstellung des Nachrichtenmagazins allerdings umgehend „entschieden“ zurückgewiesen: Es handele sich um „reine Spekulation“. Die Vorwürfe würden „auf Unterstellungen und unwahren Tatsachenbehauptungen“ beruhen.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte am vergangenen Montag lediglich, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „mit allen Ministerinnen und Ministern eng und vertrauensvoll“ zusammenarbeite – „auch mit der Bildungsministerin“.

Mit Material der AFP.



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