Feldversuch „Klimaschutz“: Was, wenn Habecks Pläne scheitern?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will an seinen „Klimaschutz“-Plänen grundsätzlich festhalten – koste es andere, was immer er wolle. Gegnern, die immer wieder auf die Unmöglichkeit hinweisen, dass Deutschland im Alleingang das Weltklima „retten“ könne, hält der Grüne regelmäßig seine Vision von der Vorreiterrolle der Bundesrepublik entgegen: Die anderen Staaten würden schon irgendwann nachziehen – und dann stehe Deutschland wegen seiner Erfahrung und seinem Know-how international wieder top da.
Von Nachziehen kann aber derzeit keineswegs die Rede sein. Ein Beispiel von vielen mag genügen: China, das laut „Statista“ mit rund 30 Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes – Tendenz steigend – die 17-fache Menge der deutschen Emissionen in die Luft entlässt, denkt gar nicht daran, seine Wirtschaft zu gefährden. Nach Informationen der „Berliner Zeitung“ gehört der asiatische Industriegigant zwar zu den weltweit führenden Herstellern von Wind- und Solaranlagen, plant aber auch 368 neue Kohlekraftwerke „mit einer Gesamtkapazität von 106 Gigawatt“.
Das bedeute einer Vervierfachung der chinesischen Kohlestromleistung im Vergleich zu 2021 und „mehr als der Rest der Welt zusammen“. Im Schnitt würden „zwei Kohlekraftwerken pro Woche“ gebaut, bestätigte die „Zeit“. Der Anteil am weltweiten CO₂-Ausstoß lag in den USA im Jahr 2021 laut „Statista“ übrigens bei 13,49 Prozent, in Indien bei 7,3 Prozent. Auch Russland, Japan und der Iran setzten mehr CO₂ frei als Deutschland (1,82 Prozent).
Warum Deutschland sich so sehr „reinhängen“ muss
Die Frage, warum eigentlich ausgerechnet das kleine „Deutschland sich so reinhängen“ müsse, beantwortete Habeck persönlich am 12. Oktober 2022, also wenige Wochen vor der internationalen COP27-Weltklimakonferenz in Sharm el Sheikh, in einem Kurzvideo. Es ist noch heute auf der Seite seines Ministeriums zu sehen. Habeck:
Ich glaube, gerade weil Deutschland alle Möglichkeiten hat, sind sehr viele Augen auf Deutschland gerichtet. Wenn wir es nicht hinbekommen, wir, in Deutschland, mit all unseren finanziellen und technischen Möglichkeiten, mit auch der breiten gesellschaftlichen Bereitschaft, Klimaschutz jetzt umzusetzen; wenn wir es nicht hinbekommen, dann werden die anderen 98 Prozent ebenfalls sich nicht daran beteiligen.“
Die Welt blickt also wieder einmal nach Deutschland – meint Habeck. Es gelte deshalb, „Haltung in Politik“ umzusetzen. Andere Länder würden sich dann „nicht rausreden können“, sagte der Wirtschaftsminister.
Mit anderen Worten: Habeck erklärte Deutschland im Oktober 2022 offiziell zum Experimentierfeld für die grüne Null-CO₂-Ideologie, die sich hierzulande hinter Wortschöpfungen wie „Energiewende“, „Wärmewende“, „Heizungswende“, „Mobilitätswende“, „Ernährungswende“ oder dem „Kampf gegen den Klimawandel“ versteckt.
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Gigantisches Risiko
Sollte der Versuch schief gehen – wovon viele Experten schon allein wegen der vielen sonstigen Krisen ausgehen –, stünde Deutschland nicht nur vor den Augen der Welt dumm da, sondern hätte Milliarden und Abermilliarden in eine „Energiewende“ gepumpt, die gar nicht funktioniert. Und vielleicht gar nicht funktionieren kann.
Denn angesichts der schon jetzt aufgetretenen und weiter absehbaren Probleme – Stichworte: Gasmangellage, Fachkräftemangel, Geldmangel, Lieferketten – bleibt die Frage noch immer unbeantwortet, woher Mittel, Material und Manpower kommen sollen, um in wenigen Jahren Wind- und Solarkraftanlagen in ausreichender Menge her- und aufzustellen und nebenbei noch das Problem mit der Leitungsinfrastruktur zu lösen. Sei es nun beispielsweise bei Stromtrassen, der letzten Meile für E-Auto-Ladeboxen oder die Wasserstoffpläne. All das würde selbstverständlich zusätzliche CO₂-Emissionen in Millionenhöhe bedeuten, ganz zu schweigen von den Folgen für Wiesen und Wälder, Flora und Fauna.
Besonders im Fokus standen in den vergangenen Monaten Habecks Heizungspläne. Sollte es wirklich gelingen, Millionen Häuser auf Kosten ihrer Eigentümer mit Wärmepumpen auszustatten und darüber hinaus sämtlichen dafür benötigten Strom durch „Erneuerbare“ bereitzustellen, würde das nur und 20 Prozent des deutschen Energiemixes „sauberer“ machen. Denn laut Umweltbundesamt wurden schon 2021 nur 473,5 Terrawattstunden (TWh) fürs Heizen mit fossilen Energieträgern benutzt, eben ein rundes Fünftel des Gesamtenergieverbrauchs von 2.407 TWh. Weitere 200,5 TWh Heizleistungsverbrach wurden schon damals durch „Erneuerbare“ gedeckt. Den größten Anteil machte mit 84,2 Prozent dabei die Biomasse aus, Wärmedifferenzen in Luft und Erdreich für Wärmepumpen waren mit nur elf Prozent dabei.
Die genauen staatlichen oder privaten Kosten für den Auf- beziehungsweise Ausbau aller neuen Ampel-Infrastrukturprojekte sind schon heute kaum absehbar, noch viel weniger die Folgen für Wohlstand, gesellschaftlichen Zusammenhalt oder den Arbeitsmarkt, sollte das Habecksche Experiment scheitern.
Ausland kann aus der Ferne zuschauen
Souveränen Staaten wie China oder Indien, die unterdessen in Ruhe abwarten können, ob der immer weiter schrumpfende, schon heute schwer geschwächte Industrieriese Deutschland vielleicht doch noch irgendwie die Kurve kriegen wird, würden ihre ohnehin vergleichsweise mäßigen Anstrengungen, den „Klimawandel“ aufzuhalten, wohl einfach beerdigen, ohne nennenswerten Schaden genommen zu haben. Im Gegenteil: Mit Deutschland als neuem Drittweltland hätte sich ein jahrzehntelang ernst zu nehmender Konkurrent auf Betreiben der eigenen Regierung selbst vom globalen Wirtschaftsschachbrett gekickt. Vielleicht für immer.
Doch das Risiko ist laut Habeck gerechtfertigt, auch wenn er „vor der Größe der Aufgabe langsam“ erschauere. Im Video malt Habeck nach bewährter Manier das Schreckensszenario einer „grassierenden“, „galoppierenden“ Erderwärmung, für deren Bekämpfung die „Weltgemeinschaft“ sich „nicht schnell genug“ bewege. Schon 2022 sei in diesem Sinn ein „Katastrophenjahr“ gewesen.
Habeck: „Klimaschutz ist Menschenschutz“
Habeck bemühte sich, dem Narrativ einen neuen Spin zu geben: „Das Klima“ brauche in Wahrheit „gar keinen Schutz“, sondern das Leben der Menschen. Insbesondere das Leben jener Menschen, die ihre Heimat wegen „klimabedingtem“ Wassermangel oder fehlender Nahrungsmittel verlieren würden: „Klimaschutz ist Menschenschutz“, fasst Habeck seinen Standpunkt in drei Worte.
Bezogen auf die Pro-Kopf-Emission von CO₂ hatte Deutschland im Jahr 2021 nach Informationen von „Statista“ bei 8,09 Tonnen gelegen – und damit ungefähr gleichauf mit China (8,05 t), den Niederlanden (8,06 t) und Japan (8,57 t). Das meiste CO₂ pro Kopf sei 2021 von Katar (35,59 t), den Vereinigten Arabischen Emiraten (21,79 t) und Saudi-Arabien (18,7 t) emittiert worden. Dazwischen rangierten Australien, die USA, Kanada, Russland und Südkorea.
Die im europäischen Vergleich relativ hohen CO₂-Werte aus Deutschland, das eigentlich ja ein weltweites Vorbild in Sachen Emission sein will, geht auf den zuletzt angestiegenen Anteil an Kohlestrom zurück. 2022 machten Braun- und Steinkohle mit 169,9 TWh ziemlich genau ein Drittel der Produktion aus und bilden damit die momentan wichtigsten Energieträger zur Stromproduktion. Tendenz: steigend.
Um auf den Wunschwert des Umweltbundesamts von unter einer Tonne pro Kopf zu kommen, setzt Habeck langfristig auf „erneuerbare Energien“ statt Kohle. Atomkraft hat zwar eine deutlich bessere CO₂-Bilanz, die drei letzten AKWs in Deutschland aber wurden auch auf Betreiben der Grünen Mitte April 2023 abgeschaltet – gegen den Trend im Rest Europas. Die Parole „Atomkraft nein Danke!“ markiert den letzten noch verbliebenen Mythos der 1980 gegründeten Partei, in der Umweltschutz und Pazifismus 43 Jahre später de facto längst keine Rolle mehr spielen.
Nicht-Thema CO₂-Abscheidung
Interessanterweise spielt das Thema CO₂-Abscheidung bei Habecks Überzeugungen ebenfalls kaum eine Rolle. Dabei würde diese Technik, wenn man sie nur in Braunkohlekraftwerken anwenden würde, nach Recherchen des Onlineportals „achgut.de“ ebenso viel CO₂ einsparen wie Habecks Heizungspläne – allerdings zu einem Hundertstel der Kosten.
Nach Angaben des Umweltbundesamts ist die globale durchschnittliche Lufttemperatur in den vergangenen 120 Jahren um rund 1,2 Grad Celsius gegenüber der Durchschnittstemperatur der Jahre 1850 bis 1900 angestiegen. „Das Klimaabkommen von Paris legt fest, dass der globale Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad C – möglichst sogar auf 1,5 Grad C – gegenüber vorindustrieller Zeit begrenzt werden soll“, heißt es auf der Website des Amtes.
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