Fall Gelbhaar: Unterlassungsklage gegen rbb erfolgreich
Der Skandal um den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar zieht immer weitere Kreise: Das Landgericht Hamburg hat dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) untersagt, weiterzuverbreiten, dass der Noch-Bundestagsabgeordnete „systematisch Frauen innerhalb der Partei belästigt“ habe.
Wie der rbb selbst berichtet, hatte Gelbhaar in diesem Punkt auf Unterlassung geklagt – und sich vor Gericht durchgesetzt. Sollte der rbb gegen den Richterspruch verstoßen, droht ihm nach Angaben von „t-online“ ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro.
LG Hamburg: Keine „Grundlage des Vorwurfs“ vorhanden
Wie „t-online“ weiter berichtet, gelangte das Gericht zur Überzeugung, dass Gelbhaar durch den rbb in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt worden sei. Gerade in Zeiten des Wahlkampfs hätte der Sender erkennen müssen, so das Gericht laut „t-online“, dass es für dessen Berichterstattung an einer ausreichenden „Grundlage des Vorwurfs“ gemangelt habe, Gelbhaar habe „systematisch“ gehandelt. Zudem sei ein angebliches Ombudsverfahren auf Parteiebene „nicht hinreichend glaubhaft gemacht“ worden. Gelbhaar, von Beruf Rechtsanwalt, habe selbst mitgeteilt, dass ein solches Ombudsverfahren niemals stattgefunden habe.
Bei zwei der eidesstattlichen Versicherungen einer „Person“, auf denen der rbb seine bisherigen Artikel zum Fall Gelbhaar aufgebaut hatte, handele es sich nach Auffassung des Gerichts um „völlig inhaltsleere Darlegungen“. Beide Einlassungen stammten laut „t-online“ aus der Feder derselben Frau. Diese habe an Eides statt erklärt, dass Gelbhaar sie schon vor Jahren belästigt habe, als sie noch keine 20 Jahre alt war.
rbb räumt Fehler ein
Der rbb gestand ein, bei seinen Recherchen um parteiinterne Anschuldigungen gegen den 48-jährigen Familienvater Fehler gemacht zu haben. Als der Sender einige eidesstattliche Versicherungen mehrerer Frauen in Augenschein genommen habe, die Gelbhaar der Belästigung bezichtigt hatten, sei versäumt worden, die „Identität einer Person“ in genügender Weise zu verifizieren. Das habe rbb-Chefredakteur David Biesinger bereits am vergangenen Sonntag zugegeben.
Laut Biesinger sei „betrügerische Absicht“ und „kriminelle Energie“ seitens jener Person im Spiel gewesen, berichtet der rbb, ohne einen Namen zu nennen.
Der Sender erklärte zudem, inzwischen eine „interne Aufarbeitung“ in Gang gesetzt zu haben: „Nach detaillierter Analyse des Vorgangs sollen notwendige Ableitungen der Nichteinhaltung journalistischer Standards für die Zukunft erarbeitet werden“, wie es auf der Website des Senders heißt. Außerdem habe der Sender Strafanzeige gestellt.
Ex-MdB Özcan Mutlu verlässt Partei
Die Affäre hatte bereits zu zwei Rücktritten geführt: Nachdem sich am vergangenen Samstag zunächst eine Berliner Bezirkspolitikerin von allen Ämtern zurückgezogen und ihr Parteibuch abgegeben hatte, kehrte unter der Woche auch der frühere Berliner Landes- und Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu den Grünen den Rücken.
Nach Angaben des „Tagesspiegel“ (Bezahlschranke) begründete Mutlu seine Entscheidung in einem Brief an den Berliner Landesverband. Demnach sei die Causa Gelbhaar aus seiner Sicht kein Einzelfall, sondern „Ausdruck eines tief verwurzelten strukturellen Problems im grünen Landesverband Mitte“. Er selbst sei vor der Bundestagswahl 2021 Opfer einer Intrige geworden, in deren Folge er nicht mehr als Direktkandidat nominiert worden sei. Mutlu habe nach eigener Darstellung ein Muster im Verhalten karriereorientierter Parteikollegen festgestellt: Erst würden „haltlose Vorwürfe“ erhoben, dann folge parteiintern „großer Druck“. Mutlu habe seiner Ex-Partei Unehrlichkeit vorgeworfen:
Für eine Partei, die sich sonst moralisch über Andere erhebt, ist es geradezu heuchlerisch und beschämend, einen Abgeordneten mit falschen Anschuldigungen derart skrupellos kaltzustellen.“
Berliner Grüne unter Intrigenverdacht
Der rbb hatte nach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ, Bezahlschranke) seit dem 14. Dezember 2024 mehrfach über den Fall Gelbhaar berichtet. Demnach seien am 9. Dezember 2024 bei einem Treffen des Grünen-Landesverbands Berlin Belästigungsvorwürfe gegen Gelbhaar erhoben worden – fünf Tage vor der Listenaufstellung zur kommenden Bundestagswahl.
Nach Recherchen der SZ hatte jene Berliner Bezirkspolitikerin das Thema angesprochen, die vor wenigen Tagen zurückgetreten war. Nachdem sie mit ihrem Anliegen sogleich an die vertrauliche Ombudsstelle der Partei verwiesen worden sei, seien dort in wenigen Tagen ein Dutzend Meldungen mehrerer Frauen über Gelbhaar eingegangen – drei davon mit schwereren Anschuldigungen, darunter die Einlassungen einer gewissen Anne K. Von jener Anne K. sei auch in dem ersten rbb-Bericht die Rede gewesen: Der Sender habe sich deren Vorwürfe gegen Gelbhaar eidesstattlich versichern lassen.
Gelbhaar selbst hatte sämtliche Anschuldigungen von Beginn an stets als „verleumderisch und ausnahmslos unwahr“ zurückgewiesen und seine Unschuld auf seiner privaten Website beteuert. Im Gespräch mit dem „Business Insider“ erklärte Gelbhaar, er habe bereits eine „Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verleumdung“ gestellt. Gegen ihn selbst waren nach Angaben der „Tagesschau“ bislang keinerlei Anzeigen gestellt worden.
Gelbhaar hatte zwei Chancen auf neues Bundestagsmandat – und am Ende das Nachsehen
Dennoch hatte der seit 2017 im Bundestag sitzende Politiker auf Drängen seines Kreisverbands Berlin-Pankow kurz vor dem 14. Dezember eingewilligt, auf die Kandidatur für den äußerst aussichtsreichen zweiten Listenplatz zu verzichten – auch, um die Partei zu schützen. Zu diesem Zeitpunkt hoffte Gelbhaar auf seinen Wiedereinzug in den Bundestag über die Direktkandidatur seines Wahlkreises, in dem er bereits im November parteiintern mit 98,4 Prozent der Stimmen gewählt worden war.
Doch Gelbhaars Rechnung ging nicht auf: Sein ursprünglicher Listenplatz fiel am 14. Dezember an den Gegenkandidaten Andreas Audretsch, den Wahlkampfleiter der Grünen, als solcher ein enger Vertrauter des Kanzlerkandidaten Robert Habeck. Im Bundestag bekleidet Audretsch zudem die Funktion des Vizefraktionsvorsitzenden der Grünen.
Wie die SZ berichtet, entschied der Kreisverband Pankow vor dem Hintergrund der inzwischen medial weitverbreiteten Belästigungsvorwürfe am 20. Dezember, noch einmal über die Direktkandidatur für seinen Wahlkreis abstimmen zu lassen. Bei dieser für den 8. Januar angesetzten Neuwahl unterlag Gelbhaar dann gegen seine Ersatzkandidatin Julia Schneider.
Als der rbb am 17. Januar bekannt gab, „Zweifel an der Identität“ und sogar an der Existenz der Informantin Anne K. zu hegen und damit womöglich selbst einem Betrug aufgesessen zu sein, waren also längst Fakten geschaffen.
Der rbb hatte mitgeteilt, Strafanzeige gegen jene „grüne Bezirkspolitikerin“ gestellt zu haben, über die aus Sicht des Senders „zweifelsfrei“ feststehe, dass „sie sich in Gesprächen dem rbb gegenüber als Anne K. ausgegeben“ und „unter diesem Namen auch eine eidesstattliche Versicherung“ abgegeben habe. Der Name der Bezirkspolitikerin, die die Darstellung des rbb von sich gewiesen habe, wurde vom Sender nicht genannt.
Pankower Kreisverband bleibt bei Schneider als Direktkandidatin
Für Gelbhaar besteht trotzdem keine Chance mehr, am 23. Februar einen Platz im Plenarsaal zu erobern. Nach Angaben der SZ erklärten die beiden Parteivorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak bereits am Montag, nicht an den aktuellen Kandidaturbeschlüssen rütteln zu wollen.
Die Mitglieder der Pankower Grünen bedauerten am Abend des 21. Januar zwar, dass ihrem Mitglied Gelbhaar „politisch wie persönlich schwerer Schaden zugefügt worden“ sei. Von einer Entschuldigung oder einer Aufforderung an die Gewinner Schneider oder Audretsch, ihre Kandidaturen zugunsten des Geschädigten zurückzuziehen, ist in ihrer aktuellen Pressemitteilung aber nichts zu finden.
Der Kreisverband stellte im Gegenteil noch einmal klar, mit Julia Schneider als Direktkandidatin antreten zu wollen – als „Zeichen der Geschlossenheit“. Ebenso hoffe man auf eine „Rehabilitierung“ Gelbhaars und werde sich „mit aller Kraft für eine Reform der Parteistrukturen einsetzen, um zukünftig angemessener auf solche wie auf vergleichbare Situationen zu reagieren“.
„Sodann würden wir uns freuen, wenn Stefan Gelbhaar sich zukünftig weiter innerhalb unseres Kreisverbandes engagiert, heißt es im vorletzten Abschnitt der Verlautbarung.
Parteispitze stellt Strafanzeige und verspricht Aufklärung
Der grüne Co-Parteivorsitzende Felix Banaszak hatte bereits am vergangenen Montag den Schaden bedauert, der Gelbhaar durch die mutmaßlichen Falschaussagen zugefügt worden sei. Für „ein solches Verhalten, das von krimineller Energie und Niedertracht geprägt“ sei, gebe es bei den Grünen keinen Platz. Nach Angaben des ZDF erstattete der Parteivorstand inzwischen Strafanzeige gegen die als Erste zurückgetretene Grünen-Bezirkspolitikerin.
Nach Informationen der SZ will die grüne Bundesspitze eine Kommission ins Leben rufen, die sich mit der Causa Gelbhaar befassen soll. Die Leitung solle in den Händen von Anne Lütkes, der früheren Justizministerin Schleswig-Holsteins, und von Jerzy Montag liegen, dem früheren bayerischen Landesvorsitzenden der Grünen. Beide sind Rechtsanwälte. Innerhalb der Kommission sollten auch die übrigen, nach wie vor im Raum stehenden Vorwürfe gegen Gelbhaar erörtert werden. Laut SZ beharren sieben Frauen auf ihren Anschuldigungen.
Sowohl Andreas Audretsch als auch Robert Habeck bestreiten, etwas mit der mutmaßlichen Intrige zu tun zu haben. Nach Angaben der „Tagesschau“ hatte Habeck die Angelegenheit als „gravierend und auch schockierend“ beurteilt und deren „rücksichtslose“ Aufklärung durch den Bundesverband gefordert. Zuvor war er zwei Tage lang jeder Frage zum Thema ausgewichen.
In allen Fällen gilt die Unschuldsvermutung.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion