Faeser will „massive Ausweitung der Grenzkontrollen“ – Lösung für ein nach Europarecht konformes Modell gefunden
Am Tag vor Beginn des zweiten „Migrationsgipfels“ hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorübergehende Grenzkontrollen zu allen neun deutschen Nachbarländern angekündigt.
„Wir werden unsere temporären Binnengrenzkontrollen auf alle deutschen Landesgrenzen ausweiten. Dies habe ich heute angeordnet“, sagte Faeser auf einer Pressekonferenz des Bundesinnenministeriums am 9. September 2024. Die Auswirkungen für Pendler und „den Alltag in den Grenzregionen“ sollten dabei „so gering wie möglich“ gehalten werden.
Neu seien die Kontrollen in Richtung Frankreich, Luxemburg, Belgien, den Niederlanden und Dänemark. Diese sollten „abhängig von der jeweiligen aktuellen Lage räumlich und zeitlich flexibel“ gestaltet werden, um „Ausweichbewegungen von Schleusern“ zu verhindern. Dabei werde es unter anderem „gemeinsame Streifen und gemeinsame Zentren der Polizei- und Zollzusammenarbeit“ mit den Behörden der Nachbarländer geben. Rechtsgrundlage seien die Artikel 25 ff. des Schengener Grenzkodexes („Vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen“).
Auch „effektive Zurückweisungen“ erlaubt
Faeser habe die Maßnahme „für die Dauer von sechs Monaten bei der Europäischen Kommission notifiziert“, also angemeldet, hieß es in dem dazugehörigen Pressetext (Video auf X).
Anlass für die Entscheidung sei das Messerattentat von Solingen gewesen, in dessen Folge die Bundesregierung ihr neues „Sicherheitspaket“ (PDF) auf den Weg gebracht habe.
Die Bundespolizei könne nun ab Montag, 16. September, „das gesamte Bündel an stationären und mobilen grenzpolizeilichen Maßnahmen einsetzen“, so wie es schon länger an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz der Fall sei.
„Diese Kontrollen ermöglichen auch effektive Zurückweisungen“, betonte Faeser. Allein dadurch würden entsprechenden Zahlen weiter nach oben gehen. Wer nicht „Asyl“ sage, werde ohnehin bereits sofort zurück in die Nachbarstaaten geschickt. Das Vorgehen sei wie üblich zuvor mit jenen Nachbarstaaten abgeklärt worden, welche die neue Anordnung beträfen.
Warten auf das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS)
Das alles sei der aktuellen Situation geschuldet, die auch den „Schutz vor den akuten Gefahren durch den islamistischen Terror und durch schwere grenzüberschreitende Kriminalität“ erforderlich mache:
Wir stärken durch konkretes Handeln die innere Sicherheit und setzen unseren harten Kurs gegen die irreguläre Migration fort. Diese Linie verfolgen wir weiter. Bis wir mit dem neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem und weiteren Maßnahmen zu einem starken Schutz der EU-Außengrenzen kommen, erfordert das auch, dass wir an unseren nationalen Grenzen noch stärker kontrollieren.“
Faeser verwies auf die Erfolge, die die deutschen Grenzschützer seit Oktober 2023 erzielt hätten: An den Landesgrenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und zur Schweiz habe man seither über 30.000 Zurückweisungen gezählt.
Neues „Modell für europarechtskonforme Zurückweisungen“ da – Einzelheiten unklar
Die Bundesregierung habe inzwischen sogar ein „Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt“, die „über die bereits erfolgten Zurückweisungen“ hinausgriffen. Die „rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten“ dazu habe die Bundesregierung geprüft, die Ergebnisse lägen der Unionsfraktion im Bundestag seit Montag aus ihrer Hand vor. Sie habe der Fraktion zudem „sehr zeitnah“ vertrauliche Gespräche angeboten.
Mit den Nachbarstaaten habe sie über das neue Zurückweisungsmodell bislang aber nicht geredet, weil sie zunächst mit CDU, CSU und den Ländern darüber sprechen wolle. Weitere Details dazu ließ sich Faeser auch auf mehrfache Nachfrage von Pressevertretern nicht entlocken.
Österreichische Regierung kündigt Widerstand an
Nach Informationen des „Focus“ würde die österreichische Regierung es nicht akzeptieren, wenn Deutschland Nicht-EU-Ausländer nach Österreich zurückschicken wolle, ohne ein formelles Verfahren durchzuführen und die Zustimmung des betroffenen Mitgliedstaates einzuholen. Österreichs Innenminister Gerhard Karner habe klargestellt: „Österreich wird keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden. Da gibt es keinen Spielraum.“ Im südlichen Nachbarland wird am 29. September ein neues Parlament gewählt.
Faeser hatte zu Beginn ihrer Pressekonferenz erklärt, dass die „konsequente Ausweisung von Gewalttätern“, die „Gesichtserkennung von Straftätern“, „verdachtsunabhängige Kontrollen“ und das Recht der Bundespolizei, sogenannte Taser anzuwenden, im Zentrum ihres Sicherheitspakets stünden. Außerdem solle es verschärfte Messerverbote und noch mehr Waffenverbotszonen geben.
Das Bundeskabinett habe den entsprechenden Gesetzentwurf bereits am Montag gebilligt, die Bundestagsfraktionen hätten den Entwurf schon am Wochenende erhalten, gab Faeser zu Protokoll. Somit könne das Gesetz „schnell“ im Bundestag beraten werden. Sie selbst habe sich bereits in der vergangenen Woche mit ihren Koalitionspartnern abgestimmt, auch mit den Grünen.
Bund, Länder und Union an einem Tisch
Die vertraulichen Gespräche mit Vertretern der Ampelregierung, den Ländern und Unionsvertreten sollen nach Informationen der „Bild“ am Dienstagnachmittag, 10. September, um 15:00 Uhr beginnen.
Der CDU-Bundesvorsitzende und Oppositionsführer Friedrich Merz habe am Montag noch einmal seinen Standpunkt bekräftigt, nach dem eine überparteiliche Zusammenarbeit von tatsächlichen Rückweisungen abhängig sein soll:
Wenn die Bundesregierung möchte, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen, dann geht das nur, wenn wir an den deutschen Außengrenzen zurückweisen.“
Nach Angaben der „Bild“ hatte Merz auf Faesers Pressekonferenz irritiert reagiert: Er habe aus ihren Sätzen „ziemlich widersprüchliche Angaben“ herausgelesen. Ihm sei „bis jetzt nicht klar“, welche exakten Pläne die Bundesregierung verfolge.
Merz hatte der Ampelregierung schon in der vergangenen Woche ein Ultimatum gesetzt. Der Tenor: Entweder kommt eine verbindliche Erklärung zu Zurückweisungen, oder er lässt die gemeinsamen Unterredungen platzen.
Faeser hatte auf der Pressekonferenz gesagt, dass sie bereits ein „sehr gutes“, „vertrauensvolles“ Gespräch mit dessen Unterhändler Thorsten Frei gehabt habe. Sie gehe deshalb davon aus, dass man sich auch am Dienstag zu Detailfragen austauschen werde.
Esken skeptisch
Aus den Reihen der SPD meldete die Co-Vorsitzende Saskia Esken bereits Bedenken an. Deutschland müsse „ein freundliches Gesicht“ bewahren, damit ausländische Fachkräfte gerne ins Land kämen, hatte Esken laut „Bild“ gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe erklärt.
„Die Begrenzung der irregulären Migration ist notwendig, aber sie muss auf rechtlich wasserdichten Grundlagen geschehen“, betonte Esken, „wir können nicht einfach EU-Recht und Grundgesetz aushebeln.“
Es brauche „kein Ressentiment“, um „die Migration zu regeln“, sondern „konkret wirksame Politik, wie die Bundesregierung sie vorgeschlagen hat“, so Esken unter Verweis auf das Sicherheitspaket, das die Regierung vor einigen Tagen zur Debatte gestellt hatte.
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