Ex-Vizekanzler Gabriel zur Ampel: „Hört auf oder besinnt euch!“

Mit Sigmar Gabriel hat nun auch ein prominenter Ex-Spitzenpolitiker der SPD die Ampelregierung zur Ordnung gerufen. Die Kritik des Niedersachsen richtet sich besonders gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner.
„Das ist wahrheitswidrig und bösartig“: Sigmar Gabriel.
Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hat im Gespräch mit der „Augsburger Allgemeinen“ scharfe Kritik an der Ampelregierung geübt.Foto: Britta Pedersen/dpa/Archiv
Von 28. Oktober 2024

Der frühere Bundesminister, Vizekanzler und SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel sehnt offenbar ein vorzeitiges Ende der rot-grün-gelben Bundesregierung herbei.

„Angesichts der jüngsten Entwicklungen müsste man eigentlich sagen: Hört auf oder besinnt euch!“, forderte Gabriel am vergangenen Sonntag, 27. Oktober, im Gespräch mit der „Augsburger Allgemeinen“.

„Was da der Öffentlichkeit als Koalition verkauft werden soll, wird zu einem zunehmend gefährlichen Prozess, der nur Politikzorn und damit Extremismus befördert“, sagte der 65-Jährige. Denn manche Regierungsmitglieder kümmerten sich lieber um ihren persönlichen Wahlkampf als um ihre eigentlichen Aufgaben.

Attacken gegen Habeck und Lindner

Speziell dem Vizekanzler und heutigen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie Finanzminister Christian Lindner (FDP) warf der Sozialdemokrat „Missbrauch von Personal und öffentlichen Mitteln“ vor. Denn beide würden auf ihre Mitarbeiter in den Ministerien zurückgreifen, um sich Vorlagen erarbeiten zu lassen. Deren Arbeit nutzten Habeck und Lindner dann für ihren Wahlkampf.

Die Bürger hätten letztlich nichts davon, weil die „Luftblasen“ des einen am Widerstand des anderen zerplatzen würden, stellte Gabriel in der „Augsburger Allgemeinen“ fest.

Nicht immer gemeinsam unterwegs: Habeck, Lindner, Scholz

Habeck hatte am vergangenen Mittwoch ein den eigenen Worten zufolge selbst verfasstes „Impulspapier“ präsentiert, indem er unter anderem neue Schulden in dreistelliger Milliardenhöhe für private und staatliche Investitionen als Ausweg aus der andauernden Krise empfahl.

Linder hatte schon den nicht abgestimmten Vorstoß seines grünen Kabinettskollegen als Ruf nach einer „fundamental anderen Wirtschaftspolitik für Deutschland“ gewertet: Er erteilte Habecks Wünschen nach neuen Milliardenkrediten noch während einer New-York-Reise eine Absage. Tags zuvor hatte sich Lindner in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“ für eine Umkehr in Richtung sozialer Marktwirtschaft starkgemacht, um die Rezession in den Griff zu bekommen.

Kurz darauf lud Lindner Vertreter aus dem Mittelstand für den kommenden Dienstagvormittag, 29. Oktober, zu einem Gipfel in Berlin ein – wohl wissend, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zuvor selbst Industrievertreter, Gewerkschafter und Verbandsvertreter zu einem vertraulichen Treffen ins Kanzleramt gerufen hatte. Scholz‘ Gipfel soll sogar am noch am selben Tag stattfinden – und zwar ohne Lindner und Habeck.

Habeck hatte übrigens in SPD-Parteichefin Saskia Esken schnell eine Fürsprecherin gefunden: Sie verlangte laut ntv nicht zum ersten Mal eine Reform der grundgesetzlichen Schuldenbremse und nun auch bis zu 600 Milliarden Euro Investitionsvolumen für die kommenden Jahre. In einem Gespräch mit ntv bezeichnete sie Lindners Einladung zu dessen alternativem Wirtschaftsgipfel als „schon ein bisschen kindisch“.

Gabriel: „Viele wirklich unerträgliche bürokratische Fesseln“

Auf die anhaltende Wirtschaftskrise kam auch Habecks Vor-Vor-Vorgänger Gabriel gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“ zu sprechen. „Wir müssen unser Unternehmen endlich von den vielen wirklich unerträglichen bürokratischen Fesseln befreien“, so Gabriel. Nach Gabriel hatten Brigitte Zypries (SPD, 2017–2018) und Peter Altmaier (CDU, 2018–2021) das Sagen im Wirtschaftsministerium inne.

Den Umgang mit der Migration erklärte Gabriel zu einem weiteren, aktuellen Hauptproblem Deutschlands: Während die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Helmut Kohl im Jahr 1993 noch gemeinsam mit der Opposition einen Asylkompromiss erreicht habe, würden das heute nicht einmal mehr die Koalitionspartner schaffen.

Auch in dieser Frage wisse er nicht, „ob diese Regierung dafür noch die Kurve kriegt“, kritisierte Gabriel. Insofern laufe die Ampel Gefahr, sich „mitschuldig an dem wachsenden Zynismus gegenüber der Politik und am Erstarken der Extreme“ zu machen.

Gabriel gilt als Transatlantiker: Seit Juni 2019 ist er der Vorsitzende der Atlantik-Brücke und gehört sowohl der Trilateralen Kommission als auch dem European Council on Foreign Relations an – um nur einige Verbindungen aus seinem umfangreichen Netzwerk zu nennen. Laut „politik & kommunikation“ arbeitet Gabriel heute als geopolitischer Berater für die Brunswick Group. Außerdem war er bis Ende August 2024 als Aufsichtsrat der europäischen Stahlsparte von Thyssen Krupp tätig.



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