Ex-Staatssekretärin wehrt sich: Chatverläufe sollen Unschuld belegen

Prof. Sabine Döring, die infolge der „Fördergeldaffäre“ entlassene frühere Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium, fordert eine Offenlegung sämtlicher aus ihrer Sicht relevanten ministeriumsinternen Chatnachrichten. Das Ministerium ist dagegen.
Soll in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden: Sabine Döring.
Die in den einstweiligen Ruhestand versetzte Staatssekretärin Prof. Sabine Döring (Archivbild) will ihre Reputation retten. Interne Chats aus dem Bildungsministerium sollen dabei helfen.Foto: Harald Tittel/dpa
Von 18. September 2024

In den vergangenen Tagen ist wieder Bewegung in die Fördergeldaffäre rund um Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gekommen.

Im Kern geht es um angebliche Missverständnisse bei der ministeriumsinternen Kommunikation über eine förderrechtliche Überprüfung propalästinensischer Hochschullehrer, um die infolgedessen von Stark-Watzinger angeordnete Entlassung ihrer früheren Staatssekretärin Prof. Sabine Döring und um die Frage, ob die Chefin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) tatsächlich die ganze Wahrheit über die Abläufe sagt.

Döring: Wire-Chats sollen „veraktet“ werden

Wie die „Tagesschau“ berichtete, hatte am vergangenen Donnerstag eine E-Mail der Ex-Staatssekretärin Döring für Aufregung im BMBF gesorgt. Sie war im Zuge der Fördergeldaffäre entlassen worden.

Döring habe in ihrer Mail verlangt, dass auch solche internen Nachrichten „veraktet“ werden sollten, die ministeriumsintern über den Messengerdienst „Wire“ gelaufen waren und „entscheidungsrelevante“ Vorgänge betroffen hätten. Die aus ihrer Sicht auch wegen ihrer Entlassung wichtigen Wire-Chats habe Döring per E-Mail mitgeschickt. Sollten die Chats tatsächlich veraktet werden, hätten sie amtlichen Charakter und müssten auf Anfrage offengelegt werden.

Genau das aber scheint der Ministerin nicht recht zu sein: Nach einem früheren Bericht der „Tagesschau“ hatte Stark-Watzinger während einer zweiten Sondersitzung des Bildungsausschusses zur Förderaffäre in der vergangenen Woche die Wire-Chatverläufe als „privat“ eingestuft: „Veraktet“ werde nur das, „was entscheidungsrelevant in einem Ministerium“ sei. Weitere Kommentare zur internen Wire-Kommunikation habe die Ministeriumschefin verweigert.

Protestbrief von Unidozenten hatte Stark-Watzinger verärgert

Aus dem von Döring übermittelten Kommunikationsfaden geht nach Angaben der „Tagesschau“ hervor, dass die Debatte um die Haltung zu propalästinensischer Hochschullehrern schon zwischen dem 9. Mai und dem 14. Juni 2024 im BMBF umfangreich diskutiert wurde.

Der Anlass dafür war ein offener Brief hunderter von Universitätsdozenten, in dem diese gegen die Räumung der Anfang Mai 2024 kurzzeitig besetzten Berliner Freien Universität (FU) protestiert hatten. Daraufhin wollte das Ministerium intern prüfen lassen, ob den Unterzeichnern künftig Fördergelder gestrichen werden könnten. Die ganze Angelegenheit hatte im gesamten deutschen Wissenschaftsbetrieb für Auseinandersetzungen gesorgt.

Aus dem frühen BMBF-Wire-Chatverlauf gehe hervor, dass verschiedene ranghohe Ministeriumsmitarbeiter der Meinung ihrer Chefin zuneigten, sich gegen den Protestbrief der Unidozenten zu positionieren.

So habe etwa der Leiter der Kommunikation im BMBF die Unterzeichner des Briefs wegen derer aus seiner Sicht „radikalen Haltung“ kritisiert, „die wir bekämpfen“. Zuvor habe Stark-Watzinger selbst den Ton vorgegeben: „Man kann nicht erwarten, dass man alles sagen kann und dann keinen Gegenwind ertragen.“ Daraufhin habe Roland Philippi, der heutige Nachfolger der entlassenen Staatssekretärin Döring, das Druckmittel Förderstopp thematisiert:

Persönliche Meinung: Wenn sich dadurch eine Art informelle, ‚freiwillige‘ und selbst auferlegte Antisemitismus-Klausel für unsere Förderung bei so manchen, verwirrten Gestalten etabliert (beispielsweise einen solchen Aufruf nun mal eben nicht zu unterzeichnen wg. Sorge um die Förderung), dann hätte ich jetzt ad hoc nichts dagegen.“

Die damalige Staatssekretärin Döring habe daraufhin angekündigt, sich zu den juristischen Aspekten kundig machen zu wollen: „Meine Vermutung ist, dass mit Blick auf Wissenschaftsfreiheit rechtlich eine Lücke besteht. Ich gehe dem mal nach.“

Rechtliche Prüfungen – wofür genau?

Der offene Protestbrief sei auch schon am 13. Mai Thema im Chat gewesen. Stark-Watzinger habe dabei angemerkt, dass es Sätze im Brief gebe, die ihr „zu weit“ gingen. Den Vorschlag des Staatssekretärs Jens Brandenburg, die Fraktion darauf „anzusetzen“, hatte die Ministerin nach „Tagesschau“-Informationen bejaht.

Auch Döring habe gechattet, dass ihr die Sätze „objektiv zu weit“ gingen. Eine Prüfung laufe bereits. Nach einem eigenen „Ergebnisvermerk“ habe Döring damit nur zum Ausdruck bringen wollen, dass sie lediglich prüfen gelassen habe, ob die Briefunterzeichner die Unis „als rechtsfreien Raum“ behandeln und „das Gewaltmonopol des Staates“ infrage stellen wollten.

Eine BMBF-Sprecherin hatte laut „Tagesschau“ erneut betont, dass es vor dem 11. Juni 2024 „keine Chat-Kommunikation“ konkret „zu einem Auftrag zur Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen“ gegeben habe, „an der die Ministerin beteiligt“ gewesen sei.

Döring, so die „Tagesschau“, habe sich einem eigenen Prüfungsvermerk zufolge schließlich entschlossen, sämtliche Prüfungen abzublasen, nachdem ein „Abteilungsleiter“ telefonisch die Frage einer „zuwendungsrechtlichen Prüfung“ ins Spiel gebracht habe.

Stark-Watzinger sieht Verantwortung bei Döring

Doch da war der Schaden schon angerichtet: Die Presse erfuhr von den Gerüchten über die mutmaßlichen Prüfungsabsichten des BMBF, kritische Hochschullehrer eventuell per Fördermittelentzug und Strafrecht unter Druck setzen zu können.

Als das NDR-Fernsehmagazin „Panorama“ am 11. Juni 2024 darüber berichtete und ministeriumsinterne E-Mails (PDF) veröffentlichte, stand Stark-Watzinger plötzlich in einem schlechten Licht da: Mit Prof. Clemens Arzt sah ein Staats- und Verwaltungsrechtler die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit in Gefahr. Jetzt war die deutsche Universitätslandschaft erst recht aufgeschreckt.

Laut „Tagesschau“ wurde infolge des „Panorama“-Berichts zunächst Staatssekretärin Döring angewiesen, eine „Entschuldigungsmail“ an die Ministeriumsmitarbeiter zu verfassen, die dem Chatverlauf zufolge in Abstimmung mit dem Leiter der Kommunikation, der Unterabteilung L2, formuliert worden sei. Döring hatte darin geschrieben, dass sie selbst sich „missverständlich ausgedrückt“ habe.

Wenige Tage nach der Entschuldigungsmail machte Stark-Watzinger Döring nun für die gesamte Blamage verantwortlich und ließ sie in den einstweiligen Ruhestand versetzen.

Das Ministerium habe später abgestritten, dass auf den „entscheidenden Punkt“ in Dörings Entschuldigungsmail Einfluss genommen worden sei. Auch das Verwaltungsgericht Minden habe am 6. September 2024 festgestellt, dass die Philosophieprofessorin zumindest einen „entsprechenden Einfluss auf die Gestaltung der E-Mail“ gehabt habe. Laut „Tagesschau“ will Döring gegen den Mindener Beschluss Beschwerde einlegen.

Für die Ex-Beamtin gilt auch nach Ende des Dienstverhältnisses die Pflicht zur Verschwiegenheit, solange das Ministerium sie nicht davon befreit. Döring habe deshalb auch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen ihren früheren Dienstherren eingereicht, um sich endlich öffentlich äußern zu dürfen.

Bis zur Entscheidung versucht Döring nun offensichtlich, ihre Reputation über den Umweg der Wire-Chatprotokolle wieder herzustellen.

Stark-Watzinger unter Druck

Am 27. Juni hatte Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger zum ersten Mal selbst vor dem Bildungsausschuss des Bundestags und noch am gleichen Tag vor dem Plenum Rede und Antwort zur Fördergeldaffäre stehen müssen.

Den Namen des bislang unbekannten BMBF-Mitarbeiters, der nach Recherchen des „Spiegel“ (Bezahlschranke) am 10. Mai 2024 den Auftrag gegeben haben soll, mutmaßlich strafrechtlich relevante Bestandteile des Briefs zu identifizieren und mögliche Konsequenzen für die Unterzeichner zu erörtern, nannte die Ministerin nicht. Sie selbst habe auch erst am 11. Juni durch den „Panorama“-Beitrag davon erfahren.

Chatprotokolle dürfen nicht gelöscht werden

Arne Semsrott, der Leiter des Onlineportals „Frag den Staat“, hatte das BMBF schon am 24. Juni aufgefordert, die gesamte Wire-Kommunikation zum Fall offenzulegen. Doch schon damals verweigerte das Ministerium den Antrag, weil es sich nicht um „amtliche Informationen“ im Sinne von Paragraf 2 des Informationsfreiheitsgesetzes, sondern lediglich um „private Informationen“ handele.

Im Gespräch mit der „Tagesschau“ zeigte sich Fragesteller Semsrott wenig verständnisvoll: „Es ist absurd, dass das Bundesbildungsministerium Nachrichten der Bildungsministerin nicht für aktenrelevant hält. Das Ministerium muss jetzt aufhören zu mauern und endlich für Aufklärung sorgen.“ Einen „Hängebeschluss“ habe „Frag den Staat“ vor dem Verwaltungsgericht Köln bereits erwirkt: Die angeforderten Wire-Chatverläufe dürften vorerst nicht vernichtet werden.



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