Ex-Fallschirmjäger: „Wer heute keine Drohnen hat, hat verloren“

Deutschland soll bis 2032 nur 21 Kampfdrohnen erhalten, während Russland in diesem Jahr über eine Million Drohnen produzieren will. Immerhin hat ein deutsches Unternehmen einen fortschrittlichen Tarn-Poncho entwickelt, der Soldaten für unbemannte Flugobjekte unsichtbar werden lässt.
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Auch Drohnen haben hierzulande zuletzt Militärstandorte überflogen. (Archivbild)Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Von 27. September 2024

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21 Drohnen, die im Ernstfall als Kampfdrohnen eingesetzt werden können, soll die Bundeswehr bis 2032 erhalten. Eine gibt es schon. Russland will alleine in diesem Jahr eine Million Drohnen produzieren. Inzwischen werden längst alle jüngsten Kriege mit Kampf- und Aufklärungsdrohnen geführt. Spitzenreiter ist die Ukraine. Aber auch die islamistischen Milizen im Nahen Osten sind längst gewiefte Drohnenspezialisten.

Die israelische Armee schaltete gestern (am Donnerstag, 26.9.) mit einem Präzisionsschlag in der libanesischen Hauptstadt Beirut den Drohnen-Chef der Hisbollah-Miliz aus. Er war für Tausende Luftangriffe auf Israel verantwortlich. Die Hisbollah ist in der Lage, das moderne, hochgerüstete Israel mit Drohnen und Kurzstreckenraketen massiv unter Druck zu setzen. Über Panzer verfügt sie kaum.

Ukraine führend im Drohnenkrieg

Heutige Kriege werden überwiegend aus der Luft geführt. Die russischen Panzer- und Infanterieeinsätze in der Ukraine muten deshalb eher wie ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg an. Dies ist einer der Gründe, warum der russische Angriff ins Stocken geraten ist.

Die unterlegenen Ukrainer haben seit 2022 schnell auf selbstentwickelte Kampfdrohnen umgestellt, auch, weil ihnen die westlichen Partner untersagt haben, mit westlichen Raketensystemen auf russisches Staatsgebiet zu schießen.

So gelang den ukrainischen Luftstreitkräften jüngst in der Nacht vom 18. auf den 19. September ein Drohnenangriff auf das russische Toropez in der Region Tver, 500 Kilometer von der ukrainisch-russischen Grenze entfernt. Das entspricht der Reichweite einer Mittelstreckenrakete.

Dieser Luftschlag auf ein Waffendepot löste eine Explosion aus, die selbst von Erdbeben-Überwachungsstationen registriert wurde, wie die britische Zeitung „The Guardian“ berichtete. Die Ukraine hat seit Monaten eine Drohnen-Angriffswelle gestartet, die vor allem auf russische Ölraffinerien, Kraftwerke, Flugplätze und militärische Fabriken abzielte.

Binnen zwei Jahren hat Kiew seine Drohnenfähigkeiten von Null aufgebaut, sodass die Ukraine in dieser Art Luftkrieg inzwischen als führend gilt.

Putin kündigt Verzehnfachung der Drohnenproduktion an

Der russische Staatschef Wladimir Putin hat dies erkannt und steuert nun dagegen. Am Tag nach dem ukrainischen Drohnenangriff zeigte er sich öffentlich in einem Drohnen-Produktionswerk in St. Petersburg und kündigte an, die russische Drohnenproduktion noch in diesem Jahr verzehnfachen zu wollen.

1,4 Million Drohnen will er noch 2024 für seine Truppen bereitstellen. Im vergangenen Jahr seien laut der russischen Nachrichtenagentur TASS lediglich 140.000 Drohnen an die russischen Streitkräfte ausgegeben worden.

Putin ließ allerdings offen, um welche Art von Drohnen es sich handle, die in Millionenstückzahl hergestellt werden sollen: Drohnen können aus Leicht-Plastik und so klein wie Spielzeug sein, oder die Größe eines kleinen Einmannflugzeugs erreichen und tonnenschwer – je nach Aufgabe.

Deutschlands erste „Kampfdrohne“

Das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) hingegen tut sich schwer, auf diese neue Kampfführung umzuschalten. Das liegt nicht nur an der oft beklagten bürokratischen Schwerfälligkeit des Ministeriums, sondern in erster Linie an den zahlreichen moralischen und politischen Bedenken der derzeitigen und vorangegangenen Regierung.

Erst im April 2022 wurde vom Bundestag grünes Licht für bewaffnete Drohnen gegeben. Zwei Jahre später, am 15. Mai dieses Jahres, startete die erste, mit Raketen bestückbare Drohne „German Heron TP“ vom Fliegerhorst Jagel in Schleswig-Holstein. Über Deutschland darf sie indes nicht bewaffnet fliegen.

Wie die dpa berichtete, wird die Drohne vom israelischen Unternehmen „Israel Aerospace Industries“ hergestellt, wiegt fünf Tonnen und hat eine Spannweite von 26 Metern. Sie kann bis zu 27 Stunden in der Luft bleiben.

An der Entwicklung der Heron TP waren Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien beteiligt, weshalb das Fluggerät auch Eurodrohne genannt wird. Eine Heron TP kostet 180 Millionen Euro, das vergleichbare chinesische Export-Modell CH-5 Rainbow aus dem Jahr 2017 nur 8 Millionen Euro.

Viele Klein- und Kleinstdrohnen

Aber genau hier liegt die Problematik. Eine Drohne von 2017 kann heute kaum mehr mithalten. Der technische Fortschritt in diesem Bereich entwickelt sich rasant.

Laut der Online-Militärplattform „hartpunkt“ hat die im November 2023 eingerichtete Drohnen-Task Force der Bundeswehr empfohlen, „keine großen Lagerbestände an Drohnen aufzubauen, da diese sehr kurzen Entwicklungszyklen unterliegen. Dies führt dazu, dass zum heutigen Zeitpunkt brauchbare Systeme in wenigen Monaten obsolet werden.“

Hierbei geht es in erster Linie um sogenannte Klein- und Kleinstdrohnen, auf die das BMVg nach eigenen Angaben seinen „Schwerpunkt“ legen will. Der Leiter der Drohnen-Task Force, Brigadegeneral (Ein-Stern-General) Wolfgang Jordan, erklärt: „Der Fokus liegt auf kurzfristigen Verbesserungen, insbesondere im Bereich der fliegenden Klein- und Kleinstdrohnen und deren Abwehr.“

Zunächst will die Task Force kommerzielle Kleindrohnen kaufen, um Soldatinnen und Soldaten daran auszubilden und Erfahrungen zu sammeln. Mittelfristig soll die Abwehr von „Loitering Munition Systems“ – also den gefürchteten Kamikazedrohnen – gestärkt werden.

Außerdem müsse laut Brigadegeneral Jordan der Schutz der Liegenschaften der Bundeswehr – Kasernen, Truppenübungsplätze und Munitionsdepots – deutlich verbessert werden. Wie die „Tagesschau“ bereits am 21. Februar berichtete, seien seit dem russischen Angriff auf die Ukraine bis zum Anfang des Jahres rund 450 fremde Drohnen über Bundeswehrstandorten gesichtet worden. Sie fallen kaum auf, weil sie lautlos in großer Höhe operieren.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärte am 23. September in einer Pressekonferenz gegenüber Epoch Times, dass die Bundeswehr das „Thema Drohnen sehr intensiv beschäftige“. Die Drohnen-Task Force werde ihm „demnächst“ ihre Arbeitsergebnisse vorstellen, „sowohl für die Frage aktiver Drohneneinsatz als auch passiv[e] Drohnenabwehr“, so Pistorius.

Der Minister räumte ein, dass die Bundeswehr „nicht immer sofort“ aufklären könne, woher die Drohnen über Bundeswehrstandorten stammten.

Abfangdrohnen

Außerdem sei geplant, Drohnenabwehrsysteme zu beschaffen, gab der Task-Force-Chef, Brigadegeneral Jordan, bekannt. Drohnenabwehrsysteme bestehen ebenfalls aus Drohnen. Sie sind mit einer Aufklärungssensorik und KI ausgestattet.

Die deutsche Firma „Argus“ in Faßberg stellt solche Technik her und erklärt auf ihrer Firmen-Webseite die Funktion des „Argus Interceptor“. Die Abfangdrohne fliege autonom und KI-gestützt dem Ziel entgegen.

Wie „hartpunkt“ weiter erklärt, bleibt es dem Soldaten, der den „Interceptor“ steuert, überlassen, ob er die gegnerische Drohne nur verfolgt oder abfängt. Eine Drohne wird abgefangen, indem die Abfangdrohne ein Netz verschießt, worin die gegnerische Drohne gefangen und zum Absturz gebracht wird. Dies funktioniere in rund 95 Prozent der Fälle, gibt „Argus“ an.

Ein solcher Drohnen-Interceptor wiegt 25 kg und kann bis zu 30 Minuten in der Luft verbleiben. Mit drei Netzen an Bord, sind in dieser Zeit drei Abstürze gegnerischer Drohnen möglich.

Marktführer Türkei und China

Während einst die USA und Israel das Monopol auf dem Gebiet der Drohnen-Technik besaßen, produzieren und exportieren inzwischen immer mehr Länder, darunter China und die Türkei, eine Vielfalt militärischer ferngesteuerter Drohnen.

Der Einsatz kleiner Kamikaze- beziehungsweise Einwegangriffsdrohnen hat im vergangenen Jahr drastisch zugenommen und wurde insbesondere von der Ukraine und von den jemenitischen Huthi-Rebellen im Roten Meer verwendet.

Die größeren, wiederverwendbaren Systeme, die als MALE-Drohnen (Medium Height, Long Endurance) bekannt sind, sind ebenfalls stark im Kommen. Die bekanntesten MALE-Drohnen sind die amerikanische „Reaper“-Varianten sowie die türkische „Bayraktar TB2“.

Mittlerweile ist die Türkei der Hauptexporteur solcher Systeme, die seit 2021 nachweislich an fünfzehn Länder geliefert wurden, wie die britische NGO „Drone Wars“ im Februar dieses Jahres bekannt gab.

Tarnponcho gegen Drohnen. Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Firma Ghosthood

Geister-Kapuze schützt vor Drohnen

Drohnen greifen nicht nur große Infrastrukturziele an. Sie können auch einzelne Soldaten aufspüren. Die „German Heron PT“ etwa kann auf 100 Kilometer Entfernung einen Soldaten und dessen Bewaffnung erkennen.

Gegen diese Aufklärung hat der ehemalige Bundeswehr-Fallschirmjäger Matthias Bürgin eine Tarnkappe beziehungsweise einen Poncho entwickelt, den er Ghost Hood (Geister-Kapuze) nennt und von dem die Bundeswehr bereits mehr als tausend Stück bestellt hat.

Der Poncho ist – vereinfacht ausgedrückt – mit vielen Lappen ausgestattet, die die Konturen einer Person im Umfeld von Wald, Feld und Geröllgelände vollkommen verschwimmen lassen. Der besondere Stoff, aus dem die Ponchos genäht sind, verhindere außerdem die Körperwärmeabstrahlung, so dass Drohnen, die mit Wärmebildkameras ausgestattet sind, keinen Erfolg in der Aufklärung erzielten, berichtete Bürgin vor kurzem der „Berliner Morgenpost“.

Der Ex-Fallschirmjäger steht auf dem Standpunkt: „Wer heute keine Drohnen hat, hat verloren. Und wer keinen Schutz vor Drohnen hat, hat ebenfalls verloren.“

Unscharfe Konturen erschweren den Drohnen die Ortung. Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Firma Ghosthood

Über den Autor:

Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C., und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.



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