Strache-Comeback nimmt Gestalt an: Eigene Liste wäre sicher im Wiener Gemeinderat
Eigentlich will der frühere österreichische Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gar keine eigenen Wege gehen. Im Grunde ist er der Überzeugung, dass die FPÖ nach wie vor seine wahre politische Heimat sei – und ein erheblicher Teil der freiheitlichen Basis ist das ebenso. Auch deshalb spricht Strache nicht von einer eigenen Liste für die Wiener Gemeinderatswahl im kommenden Jahr, und erst recht nicht von einer eigenen Partei auf Bundesebene.
Vielmehr will er wieder dorthin, wo er auch vor dem Bekanntwerden des „Ibiza-Videos“ war, dessen Urheber derzeit in der österreichischen Öffentlichkeit als Bande eigennütziger Rechtsbrecher mit hoher krimineller Energie entlarvt werden. Dass er die Massen immer noch zu elektrisieren vermag, zeigte Strache am Samstag (23.11.) in Wien. Vor dem Bundeskanzleramt hatten sich mehrere hundert Menschen eingefunden, um gegen ein striktes Rauchverbot zu demonstrieren, das Strache in der türkis-blauen Koalition einst noch persönlich verhindert hatte.
Strache bietet Übernahme des Wiener Landesvorsitzes an
Als „einfacher Bürger“ meldete sich Strache zu Wort und warnte vor einer „Verbotsgesellschaft“, die den Menschen immer mehr vorschriebe, wie sie zu leben hätten. Vor allem aus der Gastronomie kam scharfe Kritik an dem Gesetz, da dieses Gaststättenbetreibern die Freiheit nahm, selbst zusammen mit ihren Kunden zu bestimmen, ob in ihren Räumlichkeiten geraucht werden darf oder nicht. Die Rede Straches wurde mit teils frenetischem Applaus quittiert, Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, um den früheren Vizekanzler um ein gemeinsames Selfie zu bitten.
Möglicherweise hat auch diese positive Erfahrung, die mit dem ersten politischen Auftritt abseits von sozialen Medien in der Öffentlichkeit seit seinem Rücktritt als Vizekanzler verbunden war, HC Strache dazu motiviert, noch in der Nacht zum Sonntag der FPÖ anzubieten, als Parteichef zurückzukehren. Wie der „Kurier“ berichtet, präzisierte er dieses Ansinnen später dahingehend, dass er eine demokratische Abstimmung der Parteibasis in Wien darüber wünschte, ob er wieder den Landesverband übernehmen sollte. Wörtlich schrieb er:
Ich biete der FPÖ die Aufhebung meiner Suspendierung (diese war eine anti-freiheitliche Vorverurteilung) und Rückkehr als Parteichef an. Die Parteibasis soll entscheiden. Machen wir eine demokratische Basis-Abstimmung!“
In der Partei selbst rief dieses Ansinnen empörte Reaktionen hervor. Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger spricht von einem „Affront gegenüber der Partei“. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker stellte in Aussicht, dass Strache, dessen Mitgliedschaftsrechte derzeit suspendiert sind, nach diesen Aussagen nun endgültig aus der FPÖ ausgeschlossen werden könnte.
FPÖ verliert auch in der Steiermark an ÖVP und Nichtwähler
Das Ergebnis der Landtagswahlen in der Steiermark, das am Sonntagnachmittag bekannt wurde, dürfte die Autorität der derzeitigen Führungskader in der FPÖ allerdings nur bedingt gestärkt haben: Dort stürzte die FPÖ dem vorläufigen Endergebnis zufolge um fast neun Prozent auf nur noch 17,9 Prozent der Stimmen ab. Während die ÖVP mehr als acht Prozent dazugewinnen konnte und mit 36,6 Prozent nun mit Abstand stärkste Partei im Land ist, sank die Wahlbeteiligung von 67,9 Prozent im Jahr 2015 auf nur noch 53,9 ab. Die FPÖ hatte ersten Wählerstromanalysen wie bereits bei der Nationalratswahl zu etwa gleichen Teilen an die ÖVP und an die Nichtwähler verloren.
Am Wahlabend machten Politiker der FPÖ immer noch die Ibiza-Affäre für das schlechte Ergebnis verantwortlich. Je weiter diese zeitlich zurückliegt und je mehr der Narrativ der Urheber des Videos zerbröckelt, sie hätten mit ihrer illegalen Aktion die Demokratie retten wollen, umso mehr klingt die Schuldzuweisung der Freiheitlichen an ihren langjährigen Parteichef jedoch wie eine Ausrede.
Die FPÖ scheint vielmehr mit der Situation überfordert zu sein, nicht mehr in der ersten Liga der österreichischen Parteienlandschaft zu spielen. Zwar bleibt sie auf einem Niveau, das einen Verbleib in den Parlamenten fürs Erste absichert. Ergebnisse jenseits der 20 oder 25 Prozent, wie sie seit 1986 die Regel waren, scheinen jedoch zurzeit außer Reichweite zu sein.
Auch die jüngst vermehrt von Funktionsträgern wie dem oberösterreichischen Landesobmann Manfred Haimbuchner vorgetragenen Bekenntnisse, keinen „Popstar-Kult“ mehr betreiben zu wollen, sondern sich als weltanschaulich gefestigte Gesinnungsgemeinschaft präsentieren zu wollen, können viele Anhänger der Partei nicht überzeugen.
Umfrage sieht „Strache-Liste“ sicher im Wiener Gemeinderat
Immerhin hatte die FPÖ seit der Wahl Jörg Haiders zum Bundesparteichef 1986 vor allem davon gelebt, ein charismatisches Zugpferd an der Spitze zu haben. Allzu große Grundsatztreue galt seither eher als ein Hindernis auf dem Weg zur Stimmenmaximierung. Ein erheblicher Teil der nunmehrigen Führungsetage verdankt ihre Posten und Parlamentsmandate hingegen vor allem dem Einsatz und der Popularität von HC Strache.
Dieser könnte im Fall eines Antritts mit einer eigenen Liste zumindest in Wien mit einem sicheren Einzug in den Gemeinderat rechnen. Die Zeitung „Österreich“ zitiert in diesem Zusammenhang eine Umfrage des Instituts Karmasin Research & Identity unter 3.000 Österreichern für Puls 24.
Auf die Frage „Können Sie sich vorstellen, eine Philippa-und-Heinz-Christian-Strache-Partei zu wählen, oder nicht?“ antworteten österreichweit 5,2 Prozent der Befragten mit „sicher“ – was (mit Unsicherheiten ob der statistischen Schwankungsbreite) bedeuten würde, dass ein Projekt dieser Art sogar in den Nationalrat einziehen würde. Weitere neun Prozent halten es zurzeit für „möglich“. In Wien ist das Ergebnis noch günstiger für den früheren FPÖ-Chef: Hier würden ihn 7,8 Prozent „sicher“ wählen und weitere 10,3 Prozent „möglicherweise“.
Entwicklungen wie diese machen eine Kandidatur Straches zu den Gemeinderatswahlen in Wien immer wahrscheinlicher. Bereits ein – realistisches – Ergebnis von zehn Prozent wäre auch eine beachtliche Duftmarke in Richtung einer bundesweiten Ausdehnung.
Allerdings würde es für Strache eine erhebliche Herausforderung bedeuten, flächendeckend Verbände eines eigenen Projekts mit Funktionsträgern und Kandidaten zu bestücken, die einer dauerhaften Verankerung eines neuen parteipolitischen Projekts in Österreich gewachsen wären. An einer solchen Herausforderung sind in den vergangenen Jahren immerhin eine weltweit geachtete Unternehmerpersönlichkeit wie Frank Stronach – allerdings auch an einer FPÖ unter HC Strache – oder der prominente frühere Grünen-Politiker Peter Pilz gescheitert. In den 2000er Jahren gelang es dem Journalisten und EU-Politiker Hans-Peter Martin nicht, sich österreichweit zu etablieren. Demgegenüber schafften es die NEOS im zweiten Anlauf nach dem „Liberalen Forum“ der 1990er Jahre, eine linksliberale Kraft in der Parteienlandschaft zu verankern. Das BZÖ hingegen war schon bald nach dem Tod Jörg Haiders im Jahr 2008 Geschichte.
Bundesweiter Aufbau als Herausforderung
Die FPÖ, die der größte direkte Konkurrent einer möglichen Strache-Partei wäre, könnte immerhin eine jahrzehntelange politische Tradition in die Waagschale werfen. Demgegenüber wird sie nach wie vor durch Phänomene belastet, die bereits der Alt-Parteichef Norbert Steger in den 1980er Jahren mit dem Schlagwort „Kellernazis“ umschrieben hatte: Immer wieder fallen – meist auf Provinzebene – Funktionäre der Partei durch Äußerungen auf, die der Partei Vorwürfe einbringen, es mit der Abgrenzung zu Extremisten nicht allzu genau zu nehmen. „Liederbuch-Affären“ oder „Rattengedichte“ belasteten auch in der Zeit der türkis-blauen Koalition das Regierungsbündnis.
Strache hatte nicht zuletzt dadurch, dass er die Partei auf einen entschiedenen Pro-Israel-Kurs trimmte und sich von aktionistischen Kreisen wie den „Identitären“ abgrenzte, versucht, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Vollständig ist ihm dies jedoch nicht gelungen und ein bundesweiter Aufbau einer neuen politischen Kraft würde auch diesbezüglich ein gewisses Risiko bergen. Zudem würde Strache es schwer haben, in der Fläche lokal verankerte Honoratioren für sein Projekt zu gewinnen, solange nicht alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe geklärt sind, wie sie zurzeit immer noch die Staatsanwaltschaft untersucht.
Allerdings hätte Strache auch bis zur Wiener Gemeinderatswahl Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie er im Fall einer gelungenen Premiere, die umgehend den Ruf nach bundesweiter Ausdehnung nach sich ziehen würde, auf geeignete Persönlichkeiten und ein passendes inhaltliches Profil zurückgreifen könnte.
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