„Souveränes Internet“: Russische Abgeordnete verabschieden kontroverses Internetkontrollgesetz
Die Abgeordneten der russischen Staatsduma haben am Donnerstag ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, mit dem ein „souveränes Internet“ geschafft werden soll. In der entscheidenden zweiten Lesung stimmten 320 Abgeordnete für die Vorlage, 15 dagegen. Kritiker bezeichnen dies als Versuch der Regierung, Inhalte zu kontrollieren und das russische Netz zu isolieren. In den vergangenen Wochen demonstrierten Tausende gegen das Gesetz – sie befürchten eine Zensur nach chinesischem Vorbild.
Nach einer dritten Lesung muss noch das Oberhaus zustimmen, was als reine Formsache gilt. Anschließend kann Präsident Wladimir Putin das Gesetz verkünden. Nach aktuellem Stand soll es am 1. November in Kraft treten.
In den vergangenen Jahren hatten die russischen Behörden immer wieder Inhalte und Websites der Opposition blockiert. Auch Online-Dienste wie die Videoplattform Dailymotion, das Netzwerk LinkedIn und der Messengerdienst Telegram, die sich weigerten, mit den Behörden zu kooperieren, waren in Russland zeitweise nicht mehr verfügbar.
Das neue Gesetz sieht im Namen der IT-Sicherheit den Bau einer neuen Netz-Infrastruktur vor. Diese soll laut den Verfassern der Vorlage gewährleisten, dass das Internet in Russland auch dann noch funktioniert, wenn heimische Betreiber keine Verbindung zu ausländischen Servern herstellen können.
Russische Internetdienstleister müssen zudem sicherstellen, dass sie den Verkehr innerhalb ihrer Netze zentral kontrollieren können. So sollen sie angeblich potentielle Bedrohungen identifizieren und bekämpfen können. Das neue Gesetz werde das Internet zuverlässiger machen, sagte Leonid Lewin von der Regierungspartei „Einiges Russland“.
Sergej Iwanow, Abgeordneter der ultranationalistischen LDPR kritisierte, das Vorhaben werde zur „digitalen Versklavung und der Einführung der Zensur im Internet“ führen.
Artem Kosljuk, der sich mit seinem Verein Roskomsvoboda für Freiheit im Netz einsetzt, hält das Gesetz schlicht für unwirksam. „Jedes zentralisierte System ist anfälliger für Angriffe von außen als ein dezentrales System“, sagte er.
Kosljuk befürchtet, dass die Kosten für den Infrastruktur-Ausbau und die Netzkontrolle die Zahl der Internetanbieter verringern werden – und die Regierung die übrigen Betreiber stärker kontrollieren kann. Der Aktivist zweifelt zudem daran, dass Russland sich das Projekt finanziell leisten kann. Laut dem Nachrichtensender „RBK“ würde es den Staat 30 Milliarden Rubel (413 Millionen Euro) kosten, ein „souveränes Internet“ einzurichten. (afp)
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