Regierung in Frankreich: 16 neue Minister ernannt – Erste Kabinettssitzung am Nachmittag
Präsident Emmanuel Macron berief am Montagabend nach Sondierungen mit Premierminister Jean Castex 16 neue Minister. Am Dienstag-Nachmittag ist die erste Kabinettssitzung geplant.
Bis Präsident Emmanuel Macron Jean Castex zum Premierminister berief, war er nahezu unbekannt. Der 55-jährige Staatsbeamte hat in Frankreich die Exit-Strategie in der Corona-Krise entwickelt. Der Konservative diente bereits Präsident Nicolas Sarkozy als Berater, in ein höheres Amt gewählt wurde er jedoch nie. Seine Ernennung wird als Signal gewertet, dass Präsident Macron die Zügel bis zur Präsidentenwahl 2022 wieder selbst in die Hand nehmen will.
Kritik am neuen Innenminister – Justiz ermittelt gegen ihn
Kritik gab es an der Ernennung des bisherigen Haushaltsministers Gérald Darmanin zum neuen Innenminister. Die Justiz ermittelt gegen den 37-Jährigen wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung. Vor der Amtsübergabe protestierten rund 20 Frauenrechtlerinnen vor dem Innenministerium, wie eine AFP-Reporterin berichtete. Sie skandierten „Ein Vergewaltiger im Innenministerium, ein Komplize der Justiz“.
Die Vorwürfe werden von einer ehemaligen Prostituierten erhoben, die im Jahr 2009 mit Darmanin zu tun hatte, als dieser noch nicht Minister war. Präsident Macron sieht darin „kein Hindernis“, wie es aus seinem Umfeld heißt. Offiziell von den Ermittlern beschuldigt ist Darmanin bisher nicht, er selbst bestreitet die Vorwürfe.
Darmanin löst den bisherigen Innenminister Christophe Castaner ab, der wegen der Gewalt in der „Gelbwesten“-Krise unter Druck geraten war. Als Innenminister soll der politische Ziehsohn von Ex-Präsident Sarkozy den Kampf gegen den Terrorismus leiten und das Vertrauen der Bürger wie der Polizei zurückgewinnen.
Vom Strafverteidiger zum Justizminister: Eric Dupond-Moretti
Eric Dupond-Moretti gilt als die größte Überraschung im neuen Kabinett, Der 59-jährige Strafverteidiger ist in Frankreich für die hohe Zahl von Freisprüchen bekannt.
Er gilt als linksgerichtet und versprach, seine Arbeit dem „Antirassismus und den Menschenrechten“ zu widmen. Dupond-Moretti plädierte 2015 für ein Verbot der Front National, die heute Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) heißt.
Superminister für Wirtschaft und Finanzen Bruno Le Maire
Bruno Le Maire bleibt Superminister für Wirtschaft und Finanzen. Der 51-Jährige soll in der Corona-Krise den erwarteten Wirtschaftseinbruch von mehr als elf Prozent in Frankreich bekämpfen. Milliardenhilfen für die Luftfahrt- und Automobilbranche hat Le Maire bereits angekündigt, ein Konjunkturpaket soll vor der Sommerpause folgen.
Der Germanist Le Maire spricht fließend Deutsch und vertritt den bürgerlichen Flügel im Kabinett. Zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat er ein europäisches Batteriezell-Projekt auf den Weg gebracht, mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) will er das milliardenschwere Corona-Paket der EU voranbringen.
Urgestein im Außenamt: Jean-Yves Le Drian
Jean-Yves Le Drian bleibt Außenminister. Der 73-Jährige rückt protokollarisch an die zweite Stelle hinter Premier Castex auf. Der frühere Sozialist Le Drian war unter Präsident François Hollande Verteidigungsminister, schloss sich dann aber Macron an.
Le Drian ist für Krisenherde wie Syrien und die Sahel-Zone zuständig und verantwortet nun alleine die Europapolitik. Bisher trat er oft hinter Macron zurück, der Außenpolitik als Chefsache betrachtet.
Pandemie-Beauftragter: Olivier Véran
Durch die Corona-Krise ist Gesundheitsminister Olivier Véran im Blitzverfahren bekannt geworden. Der 40-jährige Neurologe und Macron-Anhänger bleibt in dem Amt, das er erst seit fünf Monaten innehat.
Auch Véran hat Ärger mit der Justiz: Sie ermittelt gegen ihn und andere, weil in der Corona-Krise in Frankreich Millionen Schutzmasken mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum vernichtet worden sein sollen – obwohl überall Maskenmangel herrschte. Als Minister muss Véran für die Reaktion der Regierung auf die Corona-Krise und die Finanznot an öffentlichen Krankenhäusern mit geradestehen.
Mehr „Grün“ fürs Umweltministerium: Barbara Pompili
Nach dem Triumph der Grünen bei den Kommunalwahlen soll eine Frau Macrons Klimapolitik sichtbarer machen: Barbara Pompili. Die 45-jährige leitete zuletzt den Parlamentsausschuss für nachhaltige Entwicklung und war unter der Vorgängerregierung Staatssekretärin für Artenschutz.
Pompili sitzt für Macrons Partei La République en Marche in der Nationalversammlung, gehört aber auch der kleinen Umwelt-Partei Parti écologiste an. Diese spaltete sich vor der Präsidentschaftswahl 2017 von den französischen Grünen ab, weil sie deren Kurs als zu „links“ erachtete und Macron unterstützen wollte.
Anti-Rassismus-Beauftragte von den Kapverden
Elisabeth Moreno leitet den Kampf gegen Rassismus und für Gleichstellung. Die 49-Jährige von den Kapverden beschreibt sich als schwarze Managerin, die den Aufstieg aus einer Familie von Analphabeten schaffte.
Moreno leitete zuletzt die Afrika-Abteilung des US-Computerherstellers HP und war davor bei den IT-Konzernen Lenovo und Dell in Frankreich tätig. Politische Erfahrung hat sie nicht, als Staatssekretärin ist sie Premier Castex unterstellt.
Auch in Ressorts wie Arbeit, Landwirtschaft und Kultur setzt Macron auf neue Köpfe. Der Staatschef will seinen Kurs bis zur Präsidentschaftswahl 2022 am 14. Juli anlässlich des Nationalfeiertags erläutern. (afp/ks)
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