Maastricht-Vertrag: „Ein großer Schritt – und zugleich ein Fehltritt“ – Bei der Unterzeichnung des Vertrages herrschte Aufbruchstimmung
Als am 7. Februar 1992 die Außen- und Finanzminister der damals zwölf Staaten zählenden Europäischen Gemeinschaft im niederländischen Maastricht den Vertrag zur Gründung der Europäischen Union (EU) unterzeichneten, herrschte in Europa Aufbruchstimmung. Gut zwei Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer war der Maastrichter Vertrag – mit dem die Grundlagen für die Einführung des Euro geschaffen wurden – der bis dahin ehrgeizigste Schritt hin zu einer politischen Integration Europas.
Ein Vierteljahrhundert später hat sich Ernüchterung breitgemacht, denn die EU steckt in ihrer bisher schlimmsten Krise. Das hochverschuldete Griechenland hangelt sich von einem Hilfspaket zum anderen, das wirtschaftlich angeschlagene Italien könnte die Krise in der Euro-Zone noch verstärken und in Großbritannien hat in einem bisher beispiellosen Vorgang eine Mehrheit der Bürger den Austritt aus der EU beschlossen.
Und in fast allen Mitgliedsländern gewinnen antieuropäische Rechtspopulisten an Zulauf. Mit Sorge blicken viele überzeugte Europäer auf die bevorstehenden Wahlen in den Niederlanden und Frankreich. Umfragen zufolge könnten die „Partei für die Freiheit“ von Geert Wilders und die Front National (FN) von Marine Le Pen große Wahlerfolge davontragen.
Beide treten für ein Ende nicht nur der Einheitswährung ein, sie wollen die Europäische Union als solche abschaffen. Beifall bekommen die Europagegner nicht nur vom russischen Staatschef Wladimir Putin, sondern auch vom neuen US-Präsidenten Donald Trump.
Ein solches Szenario hätte sich vor 25 Jahren, als der Maastricht-Vertrag im blumengeschmückten Sitzungssaal der limburgischen Provinzverwaltung unterzeichnet wurde, wohl niemand vorstellen können. Schließlich sollte der Vertrag „eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas“ schaffen.
Die Gemeinschaftswährung sollte ein wichtiger Teil der stärkeren Integration sein. Für einen stabilen Euro wurden in Maastricht Kriterien beschlossen – demnach dürfte die Neuverschuldung eines Staates höchstens drei Prozent, die Staatsschulden höchstens 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen.
Doch nach der Einführung des Euro Anfang 2002 wurden diese Vorschriften in der Eurozone – der heute 19 Länder angehören – immer wieder verletzt, auch mehrmals von Deutschland. Und Griechenland gelang 2001 überhaupt nur mir gefälschten Statistiken die Aufnahme in die Eurozone.
Der Vertrag von Maastricht stellte die Europäische Union auf drei Säulen, die ihr eine solide Basis geben sollten: die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Binnenmarkt, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz.
Doch der Binnenmarkt wurde nicht ausreichend sozial abgesichert. Zudem gelang bis heute nicht die notwendige Steuerharmonisierung zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik steckt noch immer in den Anfängen – nach dem Brexit-Votum soll sie nun schneller vorangebracht werden. Auch die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz lässt zu wünschen übrig, wie sich bei den jüngsten Anschlägen in Paris und Brüssel erneut zeigte.
Der Maastricht-Vertrag sei „ein großer Schritt – und zugleich ein Fehltritt“ gewesen, sagt der Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold. Die Einführung der Einheitswährung hätte mit einer politischen Union und einer europäischen Wirtschaftsregierung einhergehen müssen – was aber nicht der Fall gewesen sei. Dadurch sei die EU in eine „Schieflage geraten“. Das gleiche gelte für den Binnenmarkt ohne steuerliche und soziale Union. „Dies hat die antieuropäische Stimmung verstärkt.“
Immerhin hat der Maastricht-Vertrag die EU demokratischer gemacht. Das Europaparlament erhielt vor 25 Jahren erstmals in bestimmten Bereichen ein Mitbestimmungsrecht. Dieses wurde seither kontinuierlich ausgebaut. Heute entscheidet das Parlament bei mehr als 80 Prozent der EU-Gesetze gleichberechtigt mit dem Rat der 28 EU-Staaten. (afp)
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