Knackpunkt Nordirland: Brexit-Vertrag droht im britischen Unterhaus zu scheitern
Der Brexit-Vertrag droht im britischen Unterhaus zu scheitern. Hauptproblem ist die Nordirland-Frage. Die Brexit-Hardliner in der konservativen Partei von Premierministerin Theresa May fürchten, dass die dazu im Austrittsvertrag vorgesehenen Regelungen die vollständige Trennung von der EU auf unbestimmte Zeit verschieben könnten.
Nordirland
Großbritannien und Nordirland bilden das Vereinigte Königreich. In der Provinz auf der irischen Insel leben gut 1,8 Millionen Menschen. Seit den 1960er Jahren bekämpften sich irisch-katholische Nationalisten und protestantische Loyalisten. 3.500 Menschen starben.
Der Nordirland-Konflikt endete 1998 durch das Karfreitagsabkommen. Es sichert neben der Aufteilung der Macht zwischen Protestanten und Katholiken einen möglichst reibungslosen Austausch zwischen dem Norden und dem Süden der Insel zu.
Die Grenze zu Irland
Irland und Nordirland haben 500 Kilometer gemeinsame Landgrenze. Während des Nordirland-Konflikts waren weite Teile durch Wachtürme, Stacheldraht und schwer bewaffnete Soldaten gesichert. Heute ist die Grenze kaum sichtbar.
30.000 Menschen pendeln täglich ohne Kontrollen über die Grenze zur Arbeit, Waren und Güter passieren sie zollfrei, und Unternehmen haben grenzüberschreitend Lieferketten aufgebaut.
Der Brexit
Das Vereinigte Königreich will am 29. März 2019 aus der EU austreten. Bis zum 31. Dezember 2020 bleiben Großbritannien und Nordirland nach dem vereinbarten Austrittsvertrag während einer Übergangsphase noch Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion – auf Wunsch Londons auch bis Ende 2022. Danach würde eine EU-Außengrenze die irische Insel teilen.
London und Brüssel sind sich aber einig, dass eine „harte Grenze“ mit weitreichenden Kontrollen verhindert werden muss, um das Karfreitagsabkommen nicht in Gefahr zu bringen.
Die Verhandlungslösung
In der Übergangsphase wollen die EU und Großbritannien die Nordirland-Frage über ein umfassendes Freihandelsabkommen klären. Wie diese Lösung aussehen könnte, ist offen.
EU-Verhandlungsführer Michel Barnier hat einige technische Möglichkeiten genannt, um die Kontrollen so „unsichtbar“ wie möglich zu machen. Dazu gehören vorab ausgefüllte Online-Zollerklärungen und das Scannen von Barcodes auf Lastwagen und Containern.
Die Notlösung
Ohne Einigung in der Übergangsphase würde eine im Brexit-Vertrag festgeschriebene Auffanglösung greifen. Der sogenannte backstop sieht vor, dass das Vereinigte Königreich bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU bleibt. Für Nordirland würden zudem Bestimmungen des EU-Binnenmarktes weiter gelten.
Britische Kritik
Die britischen Brexit-Hardliner stören an der Auffanglösung drei Dinge: Der backstop hat keine zeitliche Befristung, weshalb Großbritannien noch viele Jahre an die EU gebunden bliebe.
Wegen der Zollunion könnte London zudem keine eigenen Handelsabkommen schließen.
Und schließlich wären gewisse Kontrollen im Bereich der Lebensmittelsicherheit oder bei Umweltstandards zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs nötig, weil die britische Provinz de facto im EU-Binnenmarkt bliebe.
Brexit ohne Austrittsvertrag
Scheitert die Ratifizierung des Austrittsvertrags, müsste Irland nach dem Brexit Ende März an der EU-Außengrenze zu Nordirland Kontrollen einführen. Im Personenverkehr dürften die Auswirkungen begrenzt bleiben. Denn auch Irland ist nicht Teil des Schengenraums, weshalb von dort Reisende Richtung Kontinent auch jetzt kontrolliert werden.
Darüber hinaus hat Dublin zugesichert, das bestehende „einheitliche Reisegebiet“ (Common Travel Area – CTA) mit Nordirland aufrechtzuerhalten.
Problem ist die Wirtschaft. Es müssten bei Lieferungen über die Grenze wieder Zölle erhoben und die Einfuhr von Waren kontrolliert werden. Hinzu kommt die Symbolwirkung wiedereingeführter Kontrollen. Denn Grenzposten waren während des Nordirland-Konflikts eines der Hauptziele bewaffneter Nationalisten, die nach einer Vereinigung der irischen Insel streben. (afp)
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