Heftiger EU-Streit über Corona-Bonds – Soll Deutschland für Schulden von Italien haften?
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich zurückhaltend über sogenannte Corona-Bonds geäußert und damit Verärgerung in Italien ausgelöst. Ministerpräsident Giuseppe Conte, der eine gemeinsame Schuldenaufnahme der Europäischen Union fordert, reagierte empört.
Er werde bis zum Ende seiner Kräfte für eine starke gemeinsame Antwort auf die Corona-Krise kämpfen, sagte er am Wochenende. Die EU-Kommission stellte daraufhin klar, dass alle Optionen auf dem Tisch blieben, sofern die EU-Verträge sie zuließen.
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur hatte von der Leyen zum einen klargestellt, dass die EU-Kommission keine eigenen Anleihen zur Schuldenaufnahme in der Corona-Krise plant. „Da gibt es ganz klare rechtliche Grenzen, das ist nicht der Plan. Daran arbeiten wir nicht.“ Zum anderen hatte die Kommissionschefin Verständnis für die Bundesregierung geäußert, die auch gemeinsame Anleihen anderer EU-Institutionen ablehnt.
Die Schulden vergemeinschaften?
„Das Wort Corona-Bond ist ja eigentlich nur ein Schlagwort“, sagte von der Leyen der dpa. „Dahinter steht doch eher die größere Frage der Haftung. Und da sind die Vorbehalte in Deutschland, aber auch in anderen Ländern berechtigt.“
Mit Blick auf Italien fügte sie hinzu: „Auf der anderen Seite mache ich mir natürlich Sorgen, dass nach der Krise die wirtschaftliche Kluft tiefer ist als vorher. Das Ziel Europas war es doch immer, dass wir wirtschaftlich zusammenrücken.“ Italien stecke unverschuldet in der Corona-Krise und sei wirtschaftlich schwer getroffen, vor allem der Mittelstand im Norden. „Diese gesunden Unternehmen muss man retten.“
In der Frage der gemeinsamen Schuldenaufnahme legte sich von der Leyen letztlich nicht fest, sondern betonte: „Die Eurogruppe hat den Auftrag, innerhalb von 14 Tagen mit Blick auf den ESM mehrere Vorschläge zu erarbeiten, die sie dann den Staats- und Regierungschefs wieder vorlegen muss. Das sollte man abwarten.“
Doch lösten ihre Aussagen in Italien sofort große Unruhe aus. Regierungschef Conte betonte am Samstagabend, die EU-Kommission sei hier gar nicht zuständig, sondern die Eurogruppe. Auf Twitter schrieb Conte: „Die Europäische Union hat eine Verabredung mit der Geschichte, und die Geschichte wartet nicht, man muss auf ihrer Höhe sein. Die Reaktion auf den Coronavirus-Notstand muss stark, kraftvoll und kohärent sein. Ich werde für die italienischen Bürger bis zum letzten Schweißtropfen kämpfen.“
Merkel lehnt Haftung für Schulden finanziell angeschlagener Länder ab
Italien fordert zusammen mit Spanien, Frankreich und anderen Ländern eine gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU. In Deutschland unterstützen vor allem die Grünen dies vehement. Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere EU-Regierungschefs lehnen Corona-Bonds jedoch ab, weil sie die Haftung für Schulden finanziell angeschlagener Länder fürchten. Italien war schon vor der Pandemie mit mehr als 130 Prozent der Wirtschaftskraft verschuldet.
Merkel befürwortet stattdessen Hilfen über den Eurorettungsschirm ESM. Erwogen werden besondere Kreditlinien, die auch Italien helfen könnten. Rom reicht das aber nicht. Bei einem Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag wurden sich die 27 Länder nicht einig und erteilten deshalb den Auftrag an die Eurogruppe, binnen zwei Wochen neue Vorschläge zu machen.
Von der Leyen veröffentlichte am späten Samstagabend eine Klarstellung, in der es heißt: „Im Moment schließt die Präsidentin keine Option im Rahmen des (EU)-Vertrages aus.“ Die Kommission selbst werde nun Mittel aus dem laufenden EU-Haushalt mobilisieren, die sofort Entlastung brächten.
Zum anderen werde man neue Vorschläge für den geplanten nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen machen. „Das wird ein Konjunkturpaket einschließen, mit dem der Zusammenhalt der Union durch Solidarität und Verantwortung gesichert wird“, hieß es in der Erklärung.
Die Verhandlungen über den Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 waren im Februar vorerst gescheitert. Noch in diesem Jahr müssen sie abgeschlossen werden, sonst lägen ab kommendem Jahr viele EU-Programme brach. (dpa)
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