Geldsegen aus Brüssel: Islamkritiker fordern Förderstopp für „Europäischen Islamophobie-Bericht“
Auf nicht weniger als 848 Seiten widmet sich der „European Islamophobia Report 2018“ (EIR) unter Federführung der Herausgeber Enes Bayrakli und Farid Hafez auf breiter Ebene islamfeindlichen Tendenzen – und dessen, was die beiden in Österreich ausgebildeten Politikwissenschaftler als solche erachten – in mehreren Dutzend europäischer Länder.
Bereits das Titelbild lässt erkennen, dass der Begriff der Islamfeindlichkeit in dem Bericht, für den unter anderem der regierungsnahe türkische Think-Tank SETA verantwortlich zeichnet, eher weitläufig verstanden wird. Immerhin werden dort mit Horst Seehofer, Herbert Kickl und Matteo Salvini gleich drei Politiker beim gemeinsamen Handschlag gezeigt, die als 2018 noch amtierende Innenminister als Verfassungsorgane ihrer Staaten an deren Verfassung und an verbindliche Grundrechtskataloge wie die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden waren.
Schon zu Beginn wird darauf hingewiesen, dass die Publikation mit finanzieller Unterstützung durch die Europäische Union herausgebracht wurde. Konkret sollen 126.951,81 Euro aus dem Fonds zur „Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Dialogs zwischen der EU und der Türkei“ (CSD-V) an das Projekt geflossen sein. Die Inhalte seien in alleiniger Verantwortlichkeit der Autoren der nationalen Berichte entstanden, sie gäben nicht zwingend die Auffassungen der EU oder des türkischen Ministeriums für EU-Beziehungen wieder.
Berliner „Rassimusforscherin“ übernahm den deutschen Part
Für Deutschland ist Dr. Anna-Esther Younes die verantwortliche Berichterstatterin. Sie lehrt nach Angaben des Berichts „kritische Rassentheorie“ aus dem „Blickwinkel psychoanalytischer und post-/kolonialer Theorien“ und hat am Graduate Institute of International and Development Studies (IHEID) promoviert. Die in Berlin lebende „Rassismusforscherin“ war, wie die „Welt“ berichtet, unter anderem Kuratorin eines „Palästinensischen Kulturfestivals“ und bereits in der Vergangenheit durch die Unterstützung antisemitischer Kampagnen wie BDS in Erscheinung getreten.
In ihrer Bestandaufnahme zur Situation 2018 in Deutschland fallen mehrere Eigenheiten ins Auge, die sich auch durch einige andere nationale Berichte ziehen. So kennt die Autorin gegenüber linksextremistischen Bestrebungen wie „Antifa“-Organisationen, die sogar als Quellen zitiert werden, oder auch zu orthodox-marxistischen Autoren von Plattformen wie „RT Deutsch“ kaum Berührungsängste.
Zudem werden klassisch-linksideologische Theorien herangezogen, um – in sozialistischen Systemen regelmäßig missachtete – religiöse Rechte von Muslimen anzumahnen oder Forderungen nach stärkerer Kontrolle in der Einwanderungspolitik zu delegitimieren.
Bewusst auf jede Systematik verzichtet?
Zudem ist kaum Systematik zu erkennen in der Abhandlung, insbesondere werden willkürlich Ereignisse oder Phänomene in einen Zusammenhang geworfen, die offenbar bewusst den Eindruck erwecken sollen, es gäbe in Deutschland eine Art Verschwörung, in der Polizei, Unternehmen, die Regierung, parlamentarische Parteien wie die AfD, Hooligans, Pegida-Demonstranten und Terroristen wie der NSU oder der Täter von Christchurch zusammenwirken, um Muslime im Land zu drangsalieren. Demgegenüber würde gegenüber linksextremistischen Bestrebungen mit übertriebener Härte vorgegangen, etwa wenn Mitgliedern der Kommunistischen Partei die Tätigkeit im Schuldienst verwehrt würde.
Die Debatte um Fußball-Nationalspieler Mesut Özil wird dabei ebenso zu einer Manifestation eines antimuslimischen Rassismus wie die Benennung radikal-islamischer Proteste gegen die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem als ebensolche. Auch Kritik an extremistischen und antisemitischen Aussagen von Rappern ist aus Sicht der Autorin ebenso ein Ausdruck von antimuslimischem Rassismus – während bereits Horst Seehofer zur „zentralen Figur im Islamophobie-Netzwerk“ erklärt wird.
Teilweise finden sich sachlich nachweislich falsche Darstellungen in der Abhandlung: Dies betrifft unter anderem die widerlegte Darstellung angeblicher „Hetzjagden“ in Chemnitz. Noch augenfälliger wird dies im Fall von Behauptungen wie jener, das Neutralitätsgebot in der Schule, zu dessen Schutz die AfD eine Meldehotline eingerichtet hatte, stützte sich auf das Berliner Neutralitätsgesetz, in dem es etwa um das Tragen religiös konnotierter Kleidung in Ausübung öffentlicher Ämter geht.
Deutsche Polizisten sollen „Critical Whiteness“ lernen
Nachdem auf das Thema bezogen völlig irrelevante Anekdoten wiedergegeben wurden wie Anti-AfD-Bekenntnisse von Schulklassen oder Unternehmen, werden als Handlungsempfehlungen unter anderem „Critical-Whiteness-Workshops für Polizei- und Verwaltungspersonal“ von einer „unabhängigen Institution“ gefordert. Zudem sollen ländliche Gebiete „mehr politische und institutionelle Abdeckung, Repräsentation, mit einem Schwerpunkt auf antirassistischen Schulungen, Vielfalt und Geschlechterfragen“ bekommen.
Im Kapitel über Österreich werden unter anderem Personen des öffentlichen Lebens wie die Lehrerin Susanne Wiesinger, die ein Buch mit dem Titel „Kulturkampf im Klassenzimmer“ geschrieben hatte, aber auch Reformmuslime wie Mouhanad Khorchide im Zusammenhang mit „Islamophobie“ genannt. Während im deutschen Bericht die AfD aus „genderbewusster“ Sicht dafür kritisiert wird, dass sie traditionelle Vorstellungen von Familie und Geschlechterrollen verteidigt, werden Kopftuch-Kritikerinnen wie Seyran Ates oder Zana Ramadani als „islamophob“ eingeordnet, weil sie solche Vorstellungen in islamischen Communitys angreifen.
Zudem werden in anderen nationale Berichten Staaten der Unterstützung von „Terroristen“ geziehen, weil diese sich weigern, türkische Lehrer auszuliefern, die der Gülen-Bewegung angehören.
Dass im Fall des EIR ein sechsstelliger Betrag aus dem EU-Budget in einen Bericht geflossen sei, der neben ideologischer Selbstbefriedigung hauptsächlich der Denunziation dienen sollte und keinen tatsächlichen Nutzen für den Abbau realer Ressentiments vermittelt, finden auch die Unterzeichner eines offenen Briefes an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
EU finanziert Erdoğan-Propaganda
Zu diesen gehören auch einige säkulare oder liberale Islamkritiker, die selbst in dem Bericht Erwähnung finden, etwa Anwältin Seyran Ateş, Historiker Heiko Heinisch, Soziologin Dr. Necla Kelek, Theologe Prof. Mouhanad Khorchide, oder Ethnologin Prof. Susanne Schröter.
In dem Schreiben wird von der Leyen darum gebeten, dafür Sorge zu tragen, die Zusammenarbeit mit und die finanzielle Unterstützung von türkischen Organisationen einzustellen, die „ihre Aufgabe darin sehen, Bürgerinnen und Bürger Europas, die sich öffentlich und kritisch mit der türkischen Regierungspolitik und politisch-islamischen Strömungen in Europa beschäftigen, in regelmäßigen Denunziationsberichten öffentlich anzuprangern“.
Die Verteilung der zugedachten Mittel aus dem „Fonds zur Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Dialogs zwischen der EU und der Türkei“ obliege allein dem türkischen Außenministerium, die EU habe keine Kontrolle mehr über deren Verwendung.
„Das hat zur Folge, dass Gelder der EU unter anderem dazu verwendet werden, die türkische, regierungsnahe Stiftung SETA mit Geld zu versorgen“, heißt es in dem Schreiben. „SETA trat in der Vergangenheit immer wieder mit Berichten an die Öffentlichkeit, in denen Bürger und Bürgerinnen der Union diffamiert, denunziert und Erdogan-Kritiker an den Pranger gestellt wurden.“
SETA-Studien sollten keine Förderung mehr aus der EU bekommen, fordern die Initiatoren, da die Stiftung ein „politisches Instrument der türkischen Regierung“ sei. Aus deren Feder stammten, wie die Autoren erwähnen, Studien, in denen namhafte Persönlichkeiten als Sympathisanten der terroristischen PKK dargestellt worden seien, nur weil sie die türkische Politik in Nordsyrien kritisiert hätten. In einer anderen Studie werden Journalisten zu Mitstreitern der „Fethullahistischen Terrororganisation (FETÖ) in Deutschland“ – wie die Gülen-Bewegung im regierungsamtlichen Jargon Ankaras bezeichnet wird – erklärt und zum Teil einer internationalen Verschwörung. Ein Großteil der Genannten steht der prowestlichen reformislamischen Bewegung nicht einmal nahe. Die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte gegen diesen Bericht protestiert.
Sogar Kritik an der Muslimbruderschaft als unangemessen betrachtet
Die Autoren wollen zudem „mit Nachdruck“ darauf hinweisen, dass der EIR „keinerlei wissenschaftlichen Standards“ entspreche. Er sei weder eine quantitative noch eine qualitative Studie, dazu fehlten „die wesentlichen Kriterien und Voraussetzungen, die eine solche auszeichnen“.
Vielmehr werde mithilfe des Begriffes „Islamophobie“ und der willkürlichen Aneinanderreihung wahllos herausgegriffener Vorfälle „versucht, zwei unterschiedliche Phänomene in einem Begriff zusammenzufassen: Feindschaft gegenüber und Diskriminierung von Muslimen auf der einen Seite und Religionskritik auf der anderen.“ Ziel der Verwendung dieses Begriffes sei die Delegitimierung:
„Er entpuppt sich somit als Kampfbegriff, der dazu genutzt wird, Kritik am Islam, an politisch islamischen Strömungen, einzelnen Organisationen und Akteuren oder an Problemen und Menschenrechtsverletzungen innerhalb muslimischer Gemeinschaften und Gesellschaften abzuwehren und als ‚anti-muslimischen Rassismus‘ zu etikettieren.“
Das Ziel des Islamophobie-Berichts sei es, „jede kritische öffentliche Beschäftigung mit dem Islam und islamistischen Strömungen hintanzuhalten, zu verhindern oder jedenfalls zu diskreditieren“. Damit aber werde das Recht auf freie Meinungsäußerung und Gedankenfreiheit in Europa ernsthaft in Frage gestellt. Die Unterzeichner gehen davon aus, dass sogar Kritik an extremistischen Erscheinungsformen des Islam aus Sicht der Herausgeber der Studie als unangemessen betrachtet wird:
„Selbst die öffentliche Auseinandersetzung mit dem politischen Islam der Muslimbruderschaft und anderer radikaler Strömungen soll, geht es nach den Herausgebern des EIR, unterbunden werden. Ihnen geht es nicht um eine offene demokratische Debatte, sondern um die Verhinderung derselben.“
Keine sachlich-differenzierende Auseinandersetzung mit überzogener Islamkritik
Einigen der Unterzeichner wird abseits vordergründiger „Islamophobie“-Vorwürfe Überdramatisierung von Phänomenen in islamischen Communitys angelastet, die ihren persönlichen Präferenzen zuwiderlaufen. Zweifellos lässt sich auch abseits konstruierter „Rassismus“-Vorwürfe die These begründen, eine obsessive und bevormundende Kritik am Kopftuch offenbare etwa selbst ein etatistisches oder paternalistisches Weltbild. Zudem ist der Rückhalt der „liberalen“ oder „euro-islamischen“ Reformbestrebungen innerhalb der islamischen Einwanderercommunity im Zweifel noch geringer als jener der etablierten Islamverbände – die ebenfalls nur eine Minderheit der Muslime vertreten.
Ebenso nahe liegt es jedoch in Anbetracht der inhaltlichen Qualitätsmängel des EIR, davon auszugehen, dass es diesem definitiv nicht um eine sachlich-differenzierende Auseinandersetzung mit der Islamkritik geht.
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