Gelbwesten in Frankreich: Weitere Großdemo am Samstag geplant – trotz Furcht vor Provokateuren und inszenierter Gewalt
Wenige Tage nach den schweren Ausschreitungen in Paris kam die französische Regierung am Mittwoch unter Vorsitz von Staatschef Emmanuel Macron zu ihrer wöchentlichen Sitzung zusammen. Die jüngsten Krawalle in der Hauptstadt mit vielen Verletzten und einem geschätzten Millionenschaden hatten eine schwere politische Krise im Land ausgelöst.
Als ein Zugeständnis an die protestierenden „Gelbwesten“ kündigte Premierminister Édouard Philippe bereits am Dienstag an, eine geplante Steuererhöhung auf Benzin und Diesel auszusetzen. Das Moratorium soll sechs Monate dauern. Die Steuererhöhung war ursprünglich für den Jahreswechsel geplant.
Philippe hatte auch angekündigt, dass die Tarife für Elektrizität und Gas während des Winters nicht angehoben werden sollen. Auch eine Verschärfung der technischen Überprüfung von Autos mit strikteren Umweltvorschriften werde für sechs Monate auf Eis gelegt.
Die Gelbwesten wollen allerdings weiter demonstrieren. Für sie kommt das Einlenken der Regierung zu spät und viele vertrauen ihren Zusicherungen nicht. Eric Drouet, einer der Wortführer der Bewegung, sagte am Dienstag dem Sender BFMTV, es solle weiter demonstriert werden, solange es keine wirkliche Wende gebe.
„Macron hat Scheitern seiner eigenen Amtszeit festgestellt“
Eine Petition für niedrigere Benzinpreise hatte vor einigen Wochen über eine Million Unterzeichner mobilisiert – das war der Ausgangspunkt einer landesweiten Protestbewegung, die neben der Belastung für die Bürger durch die Ökosteuer in weiterer Folge auch noch andere Forderungen aufgriff.
Die konservative Pariser Tageszeitung „Le Figaro“ kommentiert die Zugeständnisse der Regierung von Emmanuel Macron an die Protestbewegung der Gelbwesten:
Mit dem angekündigten ‚Steueraufschub‘ […] will die Regierung eine Wut besänftigen, die sich nicht legt. Dass diese Entscheidung unausweichlich war, ist offensichtlich. Es handelt sich um einen Rückzieher – ein Wort, das für Macron im Prinzip tabu ist. Zwischen zwei Übeln hat er das kleinere gewählt: Besser eine kleine Demütigung der Regierenden als ein gewaltig aufgebauschter Ärger der Regierten. Der Staatschef hat mehr getan als auf eine Steuer zu verzichten; er hat das Scheitern seiner eigenen Amtszeit festgestellt.“
Für das kommende Wochenende sind weitere Demonstrationen geplant. Nachdem es bereits am letzten Wochenende Zusammenstöße mit der Polizei und mehrere Fälle von Vandalismus in der Hauptstadt gegeben hatte, blickt das Land mit Verunsicherung auf die weitere Entwicklung. Unter anderem waren der Champs-Élysées und der Triumphbogen Schauplatz gesetzeswidriger Handlungen.
Bis dato hat es nach Angaben von Premierminister Édouard Philippe landesweit auch vier Todesfälle im Land gegeben. In Marseille wurde eine 80-jährige Frau, die gerade ihre Rollläden herunterlassen wollte, von einer Tränengasgranate getroffen und starb während eines darauffolgenden chirurgischen Eingriffs im Krankenhaus.
In den sozialen Medien werden immer noch Aufrufe zum Sturz von Präsident Macron verbreitet. Am kommenden Samstag soll es zu weiteren landesweiten Kundgebungen kommen.
Etablierte Medien versuchen Bewegung zu delegitimieren
Bereits jetzt geht die Angst davor um, dass die Proteste weiter eskalieren könnten. Neben Bildern von brutalen Polizeieinsätzen gegen Demonstranten mit gelben Westen in der Hauptstadt gibt es auch Aufnahmen, die Beamte zeigen, die ihre Helme abnehmen und sich mit den Demonstranten verbrüdern.
Gleichzeitig machen Gerüchte die Runde, Linksextremisten, radikale Islamisten oder Provokateure aus Polizei und Geheimdiensten wären in Gewaltakte involviert, um der Bewegung zu schaden. Bereits am letzten Samstag sollen gewalttätige Linke und Mitglieder von Jugendbanden in der Innenstadt aufgetaucht sein und am Rande der Proteste für Gewalt und Zerstörung gesorgt haben.
Zudem machen Berichte über geplante Eskalationen die Runde und sollen offenbar Bürger verunsichern und davon abhalten, sich an den Protesten zu beteiligen. Kommentare etablierter Medien, die in aggressiver Weise gegen die Gelbwesten agitieren, diese als „Gefahr für die Demokratie“ darstellen oder gar eine russische Steuerung suggerieren, nähren auf der Gegenseite Argwohn. Sie behaupten, Macron und das politische Establishment könnten Gewaltakte inszenieren, um anschließend die Bewegung mit polizeistaatlichen Methoden niederzuschlagen.
In diesem Zusammenhang berichten Medien über Aufnahmen von YouTube, die angeblich Zivilpolizisten zeigen sollen, die sich unter Demonstranten mischen. In einem Fall soll einer von ihnen versuchen, einen Protestierenden festzunehmen.
„France 24“ hat einige der Videos vom 1. Dezember unter die Lupe genommen, die im Zusammenhang mit den Gelbwesten-Protesten die Runde machen. Diese sollen jeweils angebliche Polizeispitzel zeigen, die sich unter die Demonstranten mischen. Es werden unter anderem vermummte Männer in schwarzer Kleidung und mit Schlagstöcken gezeigt, weiter ein Mann in Zivil, der sich in der Nähe einer Polizeiabsperrung Material aus einem Polizeiwagen holt, zudem Zivilpolizisten, die sich in eine Kundgebung gemengt haben sollen und eines, das eine versuchte Verhaftung zeigen soll.
Zivilbeamte handeln im Rahmen ihrer gesetzlichen Vollmacht
Keines der Videos zeigt jedoch, dass einer der Beamten in gesetzeswidrige oder gewalttätige Handlungen involviert gewesen wäre. Insbesondere stellen die Videos keinen Beweis für die Behauptung dar, die Zivilbeamten hätten Gewalttaten provoziert oder aus Demonstrationen heraus begangen.
Rechtswissenschaftler Olivier Cahn erklärte gegenüber France 24, es sei legal und üblich, dass Polizisten auch in Zivilkleidung Proteste beobachteten und notfalls einschritten, wenn Gewalt oder Straftaten geschehen und ein Eingriff als geboten erscheine. Diese Form der Infiltration sei erlaubt, zumal laut Artikel 73 der französischen Strafprozessordnung jedermann das Recht habe, einzuschreiten und beispielsweise Bürgerverhaftungen durchzuführen, wenn er jemanden beim Begehen einer Handlung antrifft, die mit einer Gefängnisstrafe bedroht ist. Ob ein solches Vorgehen für Zivilisten sinnvoll ist, hängt de facto natürlich von der jeweiligen Situation ab.
Auch die Polizei selbst erklärt unter dem Eindruck der Anschuldigungen im Internet, dass Zivilbeamte „diskret und vorsichtig“ vorgehen würden, wenn sie den Verlauf von Demonstrationen verfolgen oder deren Ablauf beobachten.
Vor allem in der extremen Linken, zunehmend aber auch in der Rechten sind Spekulationen über vermeintliche Einsätze von Provokateuren und Lockspitzeln durch die Staatsmacht ein permanentes Thema im Zusammenhang mit gewalttätigen Ausschreitungen am Rand von Demonstrationen. Einige wenige nachgewiesene Fälle Provokationen solcher Art bestätigt auch France 24.
Dokumentierte Fälle von Provokateuren
Zu diesen gehören Fälle wie jene des Polizeispitzels Gérard Le Xuan, der 1979 aufflog, nachdem er beim Einwerfen einer Schaufensterscheibe am Rande einer Kundgebung der syndikalistischen Gewerkschaft CGT festgenommen worden war. Er hatte damals auch Dienstwaffe, Schlagstock und Ausweis bei sich geführt. Der CGT zufolge habe er „im Auftrag“ gehandelt.
Weitere Beispiele, die das Portal dokumentiert, stammen aus den Jahren 1986 und 2007. Im ersten Fall soll es sich bei einem Demonstranten gegen eine Universitätsreform, der Gegenstände auf Beamte warf, um einen verdeckten Polizeiermittler handeln. Dies berichteten zumindest mehrere Medien. Im Jahr 2007 soll sich ein verdeckter Polizeiagent unter die Demonstranten am Rand des Gipfeltreffens der Nordamerikanischen Staaten in Quebec gemischt haben, um Straftäter zu isolieren und deren Festnahme zu ermöglichen.
(Mit Material der dpa)
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