Soros warnt Europa: EU-Führung erinnert an das Politbüro in der Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion
Vergleiche zwischen der EU und der Sowjetunion hatte man bislang eher vonseiten rechtsgerichteter EU-Kritiker oder konservativer Kräfte in anglo-amerikanischen Staaten oder Israel gehört. Umso außergewöhnlicher erscheint es, dass mit dem in Ungarn geborenen US-Milliardär George Soros ausgerechnet einer der entschlossensten Befürworter des europäischen Projekts eine Parallele zwischen den beiden genannten supranationalen Gemeinwesen der Moderne zieht.
Soros befürchtet in einem Kommentar für die Webseite des auch von seiner Stiftung unterstützten Mediennetzwerkes „Project Syndicate“, die Europäische Union könnte „den Weg der Sowjetunion aus dem Jahr 1991 gehen“, sollten die pro-europäischen Kräfte in Anbetracht der diesjährigen Europawahlen nicht rechtzeitig „aufwachen“.
Keine ausreichenden Zwangsmittel
Bei den im Mai stattfindenden Wahlen, so warnt Soros, hätten die europakritischen Kräfte einen „Wettbewerbsvorteil“. Weder die politischen Führungen noch die Normalbürger verstünden, dass man gerade jetzt einen revolutionären Augenblick erlebe, dessen Ausgang am Ende völlig ungewiss sei.
Die meisten vermuten, dass die Zukunft der Gegenwart gleichen werde – aber das muss nicht zwangsläufig so sein.“
Gründe dafür gebe es mehrere. Eines sei das „veraltete Parteiensystem in den meisten europäischen Ländern“, die faktische Unmöglichkeit einer Vertragsänderung und – was dem UdSSR-Vergleich gleich noch an zusätzlicher Pikanterie verleiht – „der Mangel an rechtlichen Instrumentarien, um Mitgliedsstaaten zu disziplinieren, die Gründungsprinzipien der Europäischen Union verletzen“. Zwar könne die EU gegenüber Beitrittswerbern die europäischen Rechtsnormen durchsetzen, aber verfüge „nicht über die ausreichenden Möglichkeiten, um das Wohlverhalten von Mitgliedsländern zu erzwingen“.
Besondere Sorgen bereiteten Soros Großbritannien, Deutschland und Italien – obwohl er seiner Hoffnung Ausdruck gibt, dass ein erneutes Scheitern Theresa Mays mit ihrer Brexit-Vereinbarung am 14. Februar im Unterhaus den Druck in Richtung eines neuerlichen Referendums oder einer Rücknahme der Benachrichtigung nach Artikel 50 verstärken könnte. Auf diese Weise hofft der Milliardär, den Brexit in letzter Minute doch noch abwenden zu können.
Grüne als „einzig verlässlich pro-europäische Partei“
In Italien sieht es aus Sicht des Philanthropen noch trostloser aus. Die „Demokratische Partei“ kämpft dort mit der Wahrnehmungsgrenze, während links nur noch eine „eurokritische und populistische“ Kraft in Form der Fünf-Sterne-Bewegung nennenswerten Zuspruch hat. Aber auch diese verliert gegenüber der Lega Nord und dem Rechtsblock an Terrain. Der Milliardär hofft jetzt darauf, dass sich eine pro-europäische Liste rechtzeitig bis zu den Wahlen konstituiert.
„Alles andere als hoffnungslos“ schätzt Soros allerdings die Ausgangssituation in Deutschland ein. Zwar beklagt er hier, dass der Aufstieg der AfD die Existenzberechtigung des Bündnisses aus CDU und CSU infrage stelle – was auch zur Folge habe, dass die Union nicht mehr so verlässlich proeuropäisch agiere wie in früheren Tagen. Unionswähler würden von einer Partei repräsentiert, deren Bekenntnis zu „europäischen Werten“ ambivalent sei – wie generell im Fall der Europäischen Volkspartei (EPP), der Soros ankreidet, diese würde ein entschiedenes Vorgehen gegen ihr eigenes Mitglied Viktor Orban scheuen aus Angst, es könnten am Ende Mehrheiten für europäische Kommissionsposten fehlen.
Aber wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Und deshalb sind „die deutschen Grünen als die einzige verlässliche proeuropäische Partei ihres Landes aufgestiegen und steigen weiter in den Umfragen, während die AfD – außer im früheren Ostdeutschland – ihren Höhepunkt erreicht zu haben scheint“.
„EU muss sich in radikaler Weise neu erfinden“
Insgesamt ist Soros jedoch skeptisch, dass die pro-europäischen Parteien das Ruder herumreißen können. Sie könnten die Wahlen im Mai nur gewinnen, wenn sie Europas Interessen vor ihre eigenen stellen. Immerhin scheint auch Soros den Eindruck gewonnen zu haben, dass es in der EU nicht weitergehen könne wie bisher:
Man kann immer noch dafür eintreten, die EU zu erhalten, um sie in radikaler Weise neu zu erfinden. Das würde allerdings auch einen Sinneswandel im Herzen der EU selbst voraussetzen. Die derzeitige Führung erinnert an das Politbüro in der Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion – sie geben einen Ukas nach dem anderen heraus, als ob das noch irgendjemanden kümmern würde.“
Um „Europa vor seinen Feinden zu verteidigen“, innen wie außen, müsse es der erste Schritt, die Größe der Gefahr zu erkennen, die diese darstellen. Anschließend, so Soros, müsse man die „schlafende pro-europäische Mehrheit wecken“ und sie mobilisieren, um die „Werte, auf denen die EU gegründet wurde“, zu verteidigen. Andernfalls könnte „der Traum eines vereinten Europas zum Albtraum des 21. Jahrhunderts werden“.
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