Das große EU-Finanzgeschacher – Berlin soll 3 bis 3,5 Milliarden Euro pro Jahr mehr an die EU zahlen

Berlin soll 3 bis 3,5 Milliarden Euro pro Jahr mehr an die EU zahlen, dies wäre eine Steigerung der jährlichen Zahlungen um 16 Prozent - Hintergründe zum EU-Finanzgipfel am Freitag.
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Wer soll das bezahlen?Foto: PHILIPPE HUGUEN/AFP/Getty Images
Epoch Times22. Februar 2018

Mit dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Freitag beginnt auf höchster Ebene das große Geschacher um die Finanzausstattung der EU im kommenden Jahrzehnt:

Im Gipfeltreffen geht es um die Prioriäten der Finanzausgaben der EU, diese werden in einem mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) festgelegt. Der aktuelle Sieben-Jahres-Plan läuft von 2014 bis 2020.

Er hat nach jüngsten Angaben der EU-Kommission ein Gesamtvolumen von 1087 Milliarden Euro. Dies entspricht rund einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. Der neue Finanzrahmen soll sich über den Zeitraum von 2021 bis 2027 erstrecken.

Größter Posten ist mit 39 Prozent die Unterstützung einer gemeinsamen Agrarpolitik

Größter Posten ist derzeit laut Bundesfinanzministerium mit 39 Prozent die gemeinsame Agrarpolitik. Es folgt mit 34 Prozent die Strukturpolitik zur Unterstützung wirtschaftlich schwächerer Gebiete. Die Förderung von Forschung und Technologie hat einen Anteil von 13 Prozent, Außenpolitik und Verwaltung kommen auf jeweils sechs Prozent.

Durch den EU-Austritt des Nettozahlers Großbritannien werden Europa laut Haushaltskommissar Günther Oettinger pro Jahr zwölf bis 14 Milliarden Euro fehlen.

Hinzu kommen neue Aufgaben der EU etwa bei Verteidigung, Migration oder im Kampf gegen Terror. Die EU-Kommission rechnet vor, dass alleine die vielfach geforderte Verbesserung des Schutzes der EU-Außengrenzen binnen sieben Jahren 20 bis 25 Milliarden Euro mehr kosten würde.

Wie soll der zusätzliche Finanzierungsbedarf gedeckt werden?

Oettinger will einerseits das Gesamtvolumen für den Finanzrahmen auf zwischen 1,1 und 1,2 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen. Finanzieren will er das durch höhere Beiträge der dann noch 27 EU-Mitgliedstaaten.

Union und SPD haben dies in ihrer Koalitionsvereinbarung bereits grundsätzlich zugesagt. Oettinger verlangt von Berlin nun 3 bis 3,5 Milliarden Euro pro Jahr mehr – das entspricht einer Steigerung seiner jährlichen Beitragszahlungen um 16 Prozent.

2015 zahlte Deutschland etwas mehr als 24 Milliarden Euro an die EU, schreibt der „mdr“. Über verschiedene Förderprogramme erhielt Deutschland rund zehn Milliarden Euro zurück – und ist der größte Nettozahler der EU.

Gleichzeitig will Oettinger „maßvoll“ den Rotstift in traditionellen Ausgabenbereichen ansetzen.

Für Oettinger ist klar, dass es Kürzungen in praktisch allen bisherigen EU-Programmen geben muss. Ausnehmen will er nur das Erasmus-Programm für Schüler- und Studentenaustausch sowie die Forschungsförderung. Bei Landwirtschaft und Strukturförderung spricht er sich für Kürzungen zwischen fünf und zehn Prozent aus.

Merkel: Engagement für Migranten berücksichtigen

Deutschland will die Auszahlung von Mitteln stärker von Strukturreformen der Mitgliedstaaten abhängig machen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte am Donnerstag zudem, „künftig auch das Engagement vieler Regionen und Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Migranten“ zu berücksichtigen.

Dies könnte zu Lasten osteuropäischer Staaten gehen, welche in der EU Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme verweigern.

Nach dem Streit Brüssels mit Polen um die Justizreform und regelmäßiger Kritik an Ungarn wird zudem geprüft, ob die Mittel an die Beachtung von EU-Grundwerten wie die Rechtsstaatlichkeit gebunden werden. Auch dies wird von Berlin unterstützt.

Jedes Land hat das Veto-Recht zum offiziellen Vorschlag

Die EU-Kommission legt ihren offiziellen Vorschlag am 2. Mai vor. Entscheiden müssen dann die Mitgliedstaaten – und dies letztlich einstimmig. Jedes Land hat damit ein Veto.

Die Niederlande und Österreich machten bereits klar, dass sie keinesfalls höhere Beiträge wollen. Die Bindung von Strukturmitteln an Bedingungen könnte laut Diplomaten aber erst später bei Verabschiedung der entsprechenden Verordnungen per Mehrheitsbeschluss durchgesetzt werden.

Beim letzten Finanzrahmen waren für die Verhandlungen 29 Monate nötig. Oettinger dringt auf eine Einigung vor den Europawahlen im Mai 2019, damit bei Landwirten, Kommunen, Forschern oder Erasmus-Studenten rechtzeitig Klarheit über Fördermöglichkeiten besteht.

Dies halten viele Staats- und Regierungschefs für „unrealistisch“, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk in seiner Gipfel-Einladung schreibt. (afp)

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