Brüssel droht Rumänien mit Stimmentzug vor EU-Wahl wegen umstrittener Justizreform
Die EU-Kommission hat wegen der umstrittenen Justizreform in Rumänien eine scharfe Warnung an Bukarest ausgesprochen. „Wenn notwendige Verbesserungen nicht in Kürze vorgenommen werden“, werde „unverzüglich“ der EU-Mechanismus zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit ausgelöst, heißt es in einem Brief von Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans, welcher der Nachrichtenagentur AFP am Montag vorlag.
Führt der auf Dialog ausgerichete Mechanismus zu nichts, könnte Rumänien ein Strafverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge drohen.
Die sozialdemokratisch geführte Regierung in Bukarest hatte die umstrittene Reform im April durch das Parlament gebracht. Dadurch werden unter anderem die Strafen für Amtsmissbrauch und Unterschlagung gelockert.
Die Opposition hat das Gesetz vor dem Verfassungsgericht angefochten. Bis eine Entscheidung von dieser Stelle vorliegt, kommt es vorerst nicht zur Anwendung.
Die EU-Kommission dringt seit Wochen auf Änderungen. „Die von uns benannten Probleme und die Empfehlungen zur Abmilderung dieser Bedenken wurden nicht berücksichtigt“, schrieb Timmermans.
Sorge um Straffreiheit bei Korruption
Der niederländische Kommissionsvize unterstrich seine Sorge, dass in Rumänien eine „de facto Straffreiheit“ für Korruption geschaffen werden könnte.
Auch könnten sich gelockerte Strafen negativ auf den „abschreckenden Effekt der zugrunde liegenden Strafbestimmungen“ auswirken.
Weitere Teile der Reform würden die Unabhängigkeit der Richter gefährden. Zudem kritisierte Timmermans, dass die Regierung in Bukarest Notverordnungen erlasse, obwohl keine Notfälle vorlägen.
Regierungschefin wirft Richtern vor, „Parallelstaat“ aufbauen
Die rumänische Regierungschefin Viorica Dancila begründet die Gesetze und Notverordnungen damit, „Amtsmissbrauch“ von Richtern vorzubeugen, denen sie vorwirft, einen „Parallelstaat“ aufbauen zu wollen.
Die Opposition beklagt, dass es der Regierung vor allem darum gehe, die Strafregister einer ganzen Reihe von Politikern zu bereinigen.
Ein Strafverfahren nach Artikel 7 kann theoretisch bis zum Stimmrechtsentzug des betroffenen Landes auf EU-Ebene führen und muss durch den Rat der Mitgliedstaaten eingeleitet werden. Es gilt als „Atombombe“ im Verhältnis der EU zu ihren Mitgliedstaaten, weil es vornehmlich der Abschreckung dienen soll.
Wegen der hohen Hürden für den Stimmrechtsentzug hatte die EU-Kommission 2014 bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit ein vorgeschaltetes Verfahren eingeführt.
EU-Kommission will Krise durch Dialog lösen
Damit drohte sie Rumänien jetzt. Die Behörde versucht demnach zunächst einen Dialog mit dem betroffenen Land aufzunehmen. Erst wenn dies scheitert, kommt der Übergang in das Artikel-7-Verfahren.
Aus den EU-Staaten kamen am Montag Warnungen vor weiteren möglichen Folgen für Rumänien. Das Land könne in absehbarer Zeit nicht dem Reisefreiheit garantierenden Schengen-Raum beitreten, sollte „Bukarest diesen gefährlichen Weg weitergehen“, sagte ein hochrangiger EU-Diplomat.
Auch die 30 Milliarden Euro an Fördermitteln der EU für Rumänien, die im aktuellen Entwurf des nächsten mehrjährigen EU-Haushalts vorgesehen sind, seien in Gefahr. (afp)
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