47 junge Migranten zur „Umsiedlung“ in Hannover eingetroffen – 14 Tage Quarantäne angeordnet
47 unbegleitete minderjährige Migranten aus den überfüllten Camps in Griechenland wurden heute nach Deutschland ausgeflogen. Die Kinder aus den Lagern der Inseln Samos, Chios und Lesbos landeten mit dem Flugzeug im niedersächsischen Hannover. Die Zahl ist etwas geringer als erwartet. Von Seiten des Innenministeriums hieß es dazu, einige der ausgewählten Kinder und Jugendlichen seien als nicht reisefähig eingestuft worden.
Konkret handelt es sich bei den unbegleiteten Minderjährigen den Angaben zufolge um 42 Kinder und fünf Jugendliche, darunter auch eine Reihe von Geschwisterkindern. In der Gruppe sind vier Mädchen. Sie sollen zunächst in Niedersachsen 14 Tage in Quarantäne verbringen und dann auf verschiedene Bundesländer verteilt werden.
Den Transfer haben das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), die EU sowie die Regierungen in Athen und Berlin organisiert, wie das Migrationsministerium in Athen weiter mitteilte.
Es ist bereits die zweite Einreise von Minderjährigen: Am Mittwoch waren zwölf Jugendliche von den Inseln nach Luxemburg gebracht worden. Insgesamt sollen in den kommenden Wochen 1600 unbegleitete minderjährige Migranten aus Griechenland in andere EU-Staaten gebracht werden. „Deutschland hält Wort und zeigt Solidarität“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der „Bild am Sonntag“. „Ich gehe davon aus, dass unsere europäischen Partner damit beginnen, ihre Zusagen nun ebenfalls sobald wie möglich umzusetzen“, fügte er hinzu.
Beschleunigtes Verfahren für Minderjährige
Das Verfahren ist kompliziert, weil es sich um Minderjährige handelt. Zahlreiche Behörden und Organisationen sind an der Verteilung beteiligt. „Wir haben mit diesen ersten Umsiedlungen Erfahrung gesammelt und können nun das Verfahren beschleunigen“, sagte der stellvertretende griechische Migrationsminister Giorgos Koumoutsakos am Freitagabend der Deutschen Presse-Agentur.
„So sollte europäische Solidarität funktionieren“, sagte EU-Migrationskommissarin Ylva Johansson der „Welt“. Den Eindruck, dass sich die Aktion verzögert habe, wies die Kommissarin zurück: „Es gab keine Verzögerung. Wir sind viel schneller als erwartet.“ Am 12. März habe sie in Griechenland den Behörden die Aufnahmebereitschaft von zunächst acht EU-Staaten mitteilen können. „Es blieb nur ein Monat, um das umzusetzen, um die unbegleiteten Minderjährigen aus dem Lager zu bringen – vorsichtig wegen des Virus -, um sie in ein Zentrum auf dem griechischen Festland zu bringen, sie zu identifizieren, sich mit den beteiligten Organisationen, den Mitgliedstaaten und der Kommission abzustimmen“, sagte die Kommissarin.
Ihr Plan sei es, die Umsiedlung im Mai oder Juni abzuschließen, dies hänge aber von der Entwicklung in den Mitgliedstaaten ab. Johansson drang zugleich auf weitere Umverteilungsaktionen. Es gebe in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln neben den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen weitere gefährdete Gruppen.
Die Organisation Pro Asyl und die Landesflüchtlingsräte nannten die Aufnahme der rund 50 Minderjährigen dagegen „lächerlich gering“. „Die Aktion droht zu einem Feigenblatt zu verkommen für die Nicht-Aufnahme Tausender Geflüchteter, die in den Insellagern in Griechenland sich selbst überlassen sind.“ Schutzsuchender mit Angehörigen in Deutschland etwa, die Pro Asyl zufolge einen Anspruch auf Überstellung hätten, könnten ohne weitere komplizierte Verfahren aufgenommen werden. Das Bundesinnenministerium, die Bundesländer und die EU müssten hier „schnell und pragmatisch“ handeln, so Pro Asyl.
Kranke Kinder und Mädchen bevorzugt
Deutschland plant, insgesamt 350 bis 500 Minderjährige aus den Lagern aufzunehmen – bevorzugt Kinder im Alter unter 14 Jahren, kranke Kinder und Mädchen. Demnächst sollen Minderjährige auch in die Schweiz gebracht werden, wie Koumoutsakos mitteilte.
In und um die Lager im Osten der Ägäis harren zurzeit rund 39.000 Menschen aus. Die Aufnahmekapazität dieser Lager liegt eigentlich nur bei rund 7000 Menschen. Etwa 36 Prozent sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks Minderjährige. Gut 90 Prozent der unbegleiteten Minderjährigen sind nach UNHCR-Informationen Jungen.
Neben den miserablen Zuständen in und um die Lager besteht dort auch die Gefahr eines Coronavirus-Ausbruchs. Noch sind keine Corona-Infektionen in Camps im Osten der Ägäis festgestellt worden. Dies sei aber nur eine Frage der Zeit, sagen Ärzte immer wieder. Aus diesem Grund sollen neben den unbegleiteten Minderjährigen in den kommenden Tagen auch rund 2400 ältere und kranke Menschen aus den Inseln zum griechischen Festland gebracht werden.
„Ich freue mich, dass wir heute die ersten unbegleiteten Kinder empfangen können – trotz der schweren Belastungen durch die Corona-Krise“, erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). „Wir setzen damit ein konkretes Zeichen europäischer Solidarität“, hob er hervor. Seehofer äußerte die Erwartung, dass nun auch weitere europäische Länder zu ihren Zusagen stehen. Bislang hat neben Deutschland nur Luxemburg mit der Aufnahme begonnen.
„Ich bin heute sehr froh, dass wir die ersten unbegleiteten Kinder aus Griechenland in Niedersachsen in Empfang nehmen können“, erklärte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD), der sich in den vergangenen Monaten besonders für die humanitäre Aktion eingesetzt hatte. „Dies sei ein Anfang“, hob er weiter hervor, denn die Lage in den griechischen Camps sei „unerträglich“.
An Bord des Flugzeugs befanden sich laut Bundesinnenministerium auch zwei Kinder, die von ihrem Vater nach Griechenland entführt worden seien und zu ihrer deutschen Mutter zurückgebracht würden. (dpa/afp)
[Anmerkung d.Red: Die Zahl der angekommenen Minderjährigen wurde auf 47 korrigiert.]
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