EU: Bis 2030 sollen alle Verpackungen wiederverwendbar sein

Europa, und vor allem Deutschland, produziert viel Verpackungsmüll. An Mehrwegsystemen führt nach dem Willen der EU-Kommission künftig kein Weg mehr vorbei. Was wird diskutiert?
EU-Kommission: Bis 2030 sollen alle Verpackungen recycelbar sein
Bisher hat Deutschland eine Recyclingquote von bis zu 67 Prozent.Foto: Istock
Epoch Times12. Dezember 2022

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Bis 2030 sollen alle Verpackungen komplett recycelbar sein, teilte die EU-Kommission am 30. November in Brüssel mit. Zudem soll der Verpackungsmüll bis zum Jahr 2040 um 15 Prozent reduziert werden (verglichen mit 2018). Der Vorschlag muss noch mit den EU-Ländern und dem EU-Parlament abgestimmt werden.

Jeder EU-Bürger verursacht laut EU-Kommission pro Jahr fast 180 Kilo Verpackungsabfall. Deutschland liegt mit mehr als 225 Kilogramm an der Spitze, wie die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt betonte. Bestimmte Verpackungen sollten daher verboten werden.

Dazu gehören Einwegverpackungen für Lebensmittel und Getränke, die in Restaurants und Cafés verzehrt werden sowie Einwegverpackungen für Obst und Gemüse. Mini-Shampooflaschen und andere Miniaturverpackungen in Hotels will die EU-Kommission ebenfalls untersagen.

Unternehmen sollen einen gewissen Anteil ihrer Produkte in wiederverwendbaren Verpackungen anbieten, andere Verpackungsformate genormt werden. Eingeführt werden soll ein verpflichtendes Pfandsystem, ebenso eine Quote für den Anteil an recyceltem Material, der in neuen Kunststoffverpackungen enthalten sein muss.

Die Kommission will zudem Klarheit schaffen, welcher Müll in welche Tonne gehört. Dazu soll jedes Teil der Verpackung ein EU-einheitliches Etikett bekommen, das anzeigt, woraus die Verpackung besteht und wie sie wiederverwendet werden soll. Mittlerweile werden knapp 40 Prozent der Kunststoffe und 50 Prozent des Papiers in der EU für Verpackungen eingesetzt.

Neue EU-Reform: Vieles ist in Deutschland bereits Pflicht

Laut EU-Kommission haben die nun unterbreiteten Vorschläge sowohl Vor- als auch Nachteile. Die Hersteller von Einwegverpackungen müssten zwar „in einen Wandel investieren“, die Förderung der Wiederverwendung werde aber bis 2030 zu mehr als 600.000 Arbeitsplätzen führen. Die Behörde erwarte zudem „sehr innovative Verpackungslösungen, die Verringerung, Wiederverwendung und Recycling den Weg ebnen“, so die FAZ in einem kürzlich erschienen Artikel.

In vielen Bereichen würden europäische Regelungen vorgeschlagen, die in Deutschland bereits Praxis seien, kommentiert Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Dazu gehören beispielsweise „umfangreiche Pfand- und Rücknahmesysteme für Getränkeverpackungen oder die neue Pflicht zu Mehrwegsystemen im Take-away-Bereich, die ab 1. Januar 2023 gilt.“

Die FDP im Bundestag begrüßte die Pläne grundsätzlich. „Allerdings müssen wir darauf achten, dass dabei künftige Entwicklungen und Technologien schon heute mitberücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für neuartige Recyclingmethoden beispielsweise von Verbundmaterialien“, sagte die Sprecherin für Umwelt- und Verbraucherschutz, Judith Skudelny. In diesen Bereichen sei Deutschland führend und diese Entwicklung dürfe nicht abgewürgt werden.

„Wir alle haben schon einmal online bestellte Produkte in übermäßig großen Kartons erhalten“, erklärte Virginijus Sinkevicius, EU-Kommissar für Umwelt. „Und wir haben uns oft gefragt, wie wir den Müll trennen sollen, was wir mit dem biologisch abbaubaren Beutel machen sollen oder ob all diese Verpackungen wiederverwendet oder zumindest in neue wertvolle Materialien umgewandelt werden können“, führte er weiter aus.

Der neue Vorschlag umfasst über 200 Seiten und wird nun von den Staaten und dem Europaparlament beraten.

Umweltexperte: 100 Prozent recycelbare Verpackungen bis 2030 ist realistisch

Im Jahr 2015 war Deutschland der „Spitzenreiter“ unter den Entsorgern. Der damalige Rang sei auch der Tatsache geschuldet, dass es bei uns mehrere duale Systeme gebe, schreibt die „Deutsche Recycling Service GmbH“. So würde beispielsweise seit Anfang der 90er-Jahre der „Grüne Punkt“ auf den meisten Verpackungen eingesetzt, was diese als wiederverwertbar kennzeichnet.

Mittlerweile ist Deutschland bei der Entsorgung von Korea und Slowenien überholt worden, wie man aus einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entnehmen kann.

OECD-Umweltexperte Peter Börkey sieht es als realistisch an, alle Verpackungen bis zum Jahr 2030 recycelbar zu machen. „Technisch sei dies sowohl in Deutschland als auch in anderen EU-Ländern möglich“, erklärte er gegenüber der Epoch Times.

Ob diese dann aber auch alle effektiv recycelt werden, sei eine andere Frage. Denn dafür müsse gewährleistet werden, dass Verbraucher weitere Fortschritte bei der Mülltrennung machen. Zudem müssten die notwendigen Kapazitäten in Sortieranlagen und bei Recyclern geschaffen werden. Ein besonders starker Ansporn bestehe zumindest bei PET-Getränkeflaschen. Bei diesen Flaschen gelte nämlich eine zu erreichende Quote für den Recyclinganteil, so Börkey.

Die Bundesrepublik ist seit 2015 von Korea und Slowenien beim Recycling überholt worden, da die Recyclingquoten hierzulande seit einigen Jahren stagnieren, während andere Länder weitere Fortschritte erzielen konnten. Grafik: OECD

„Elfenbeinturm EU“ und Lobbyismus

Kritiker wie der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber (CSU), warnen vor einer gewaltigen Welle an bürokratischen Belastungen für Unternehmen. Durch die Vorschläge würde zwar der „Flickenteppich“ der Verpackungsvorschriften beseitigt. Das dürfe aber nicht von „unrealistischen Recycling-Quoten“ für die Industrie begleitet werden. Die EU-Kommission zeige damit wieder, „wie weit entfernt sie in ihrem Elfenbeinturm von der Realität der Menschen ist“.

Die Sozialdemokraten im Europaparlament beurteilten das Konzept als einen Schritt in die richtige Richtung. Allerdings bemängelten sie das Fehlen von Regeln gegen sogenanntes Greenwashing, also dass sich Unternehmen umweltfreundlicher darstellen, als sie eigentlich sind.

Aus Sicht der Umweltorganisation Oceana hat der Vorschlag großes Potenzial, den Müll in Europas Gewässern zu reduzieren. Allerdings müssten die zeitlichen Zielvorgaben viel strenger sein.

Auch der Umweltorganisation WWF gehen die Regeln nicht weit genug: Die Vorgaben sollten sich nicht nur auf Kunststoffe beziehen, sondern auf alle Materialien. „Es bleibt das Ärgernis, dass wohl auch durch Lobbydruck das Ambitionsniveau bei den Zielen für die Wiederverwendung im letzten Moment noch gesenkt worden ist“, sagte Tom Ohlendorf vom WWF Deutschland. (il)

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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