Ethikratschefin Buyx: „Aufarbeiten, Lernen, Heilen“ – aber bitte keine Suche nach Schuldigen

Prof. Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, lehnt die Suche nach Schuldigen aus der Zeit der Corona-Krise weiter als „nicht hilfreich“ ab. Aufarbeitung sei zwar wichtig, der Fokus müsse dabei aber auf Lernen und Heilen liegen. Sie sieht „die Gesellschaft“ in der Pflicht.
Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, spricht bei der Vorstellung der Ad-hoc-Empfehlung des Deutschen Ethikrates «Pandemie und psychische Gesundheit.
Das Archivbild zeigt Prof. Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, bei einem früheren Auftritt in der Bundespressekonferenz.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 10. April 2024

Nach den Enthüllungen der sogenannten „RKI-Files“ melden sich immer mehr bekannte Stimmen aus der Corona-Zeit zu Wort. Ob Berlins Ex-Regierungschef Michael Müller (SPD), Hessens Pendant Volker Bouffier (CDU), Ex-Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt oder Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) – der Grundtenor ist immer derselbe:

Es wurden auch Fehler gemacht, nun aber gelte es, daraus zu lernen und nach vorn zu blicken. Aber bitte bloß nicht zurück. Appelle um Verzeihung oder gar persönliche Konsequenzen für das eigene Verhalten sind in den Augen der Maßnahmenbefürworter nicht nötig. Deutschland sei insgesamt gut durch die „Pandemie“ gekommen. Man habe es ja nicht besser wissen können.

Ethikrat: „Aufarbeiten, Lernen, Heilen“

Auch Prof. Dr. Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, stimmte kürzlich in den Chor ein. Am Montagabend, 8. April 2024, betonte die Medizinethikerin in der Fernsehsendung „MDR aktuell“, dass sie „schon seit drei Jahren“ nach der „Formel ‚Aufarbeiten, Lernen, Heilen‘“ agiere.

„Die Wissenschaft“ habe mittlerweile „gute Studien zur Wirksamkeit von Maßnahmen“ vorgelegt. Auch auf „die politischen Maßnahmen“ werde zurzeit viel Aufmerksamkeit gelenkt. Das sei „auch wichtig“, räumte Buyx ein. „Was mir so ein bisschen fehlt, das ist dieses Heilen“, sagte die studierte Ärztin im Gespräch mit MDR-Moderatorin Wiebke Binder.

Ich glaube, dass wir eine enorme Krise hinter uns haben, die uns als Gesellschaft ja auch verändert hat. Durch die vielen Krisen, die direkt danach kamen, Krieg, Inflation und so weiter, nicht so richtig Zeit hatten, da mal innezuhalten. Und ich glaub’, das fehlt uns jetzt so’n bisschen.“

„Solidarität der jungen Generation gegenüber“ zu kurz gekommen

Der Deutsche Ethikrat sei in seiner Rückschau schon vor langer Zeit zu der Erkenntnis gelangt, dass es „so eine unerwiderte Solidarität der jungen Generation gegenüber“ gegeben habe. Gerade die Jüngeren hätten sich „unheimlich zurückgenommen“ und seien „wirklich sehr belastet“ gewesen. „Und so richtig als Gesellschaft was zurückgegeben, als zum Beispiel die psychische Gesundheit doch immer schlechter wurde, haben wir nicht“. Das gelte auch für den Ethikrat. „Also da gibt’s einfach noch wirklich sehr, sehr viel zu tun, das ist auch einfach noch ein offenes Thema“, so Buyx.

Nun stelle sich die Frage: „Was kann man lernen für die nächste solche Krise, wie kann man es besser machen?“ Dazu empfahl sie, die „emotionale Seite“ stärker in den Blick zu nehmen – „all die Ängste, all die Verluste, all das Leid, das wir gemeinsam erfahren haben“. Dem habe man sich „als Gesellschaft noch nicht genug zugewandt“, meinte Buyx. „So’n bisschen spürt man das auch an diesen doch sehr aufgeheizten Debatten im Moment.“ (Video auf „MDR.de“)

Eine Aufarbeitung der Corona-Zeit könne aus ihrer Sicht aber „nicht nur der Politik umgehängt“ werden, sondern müsse auch „zivilgesellschaftlich passieren“, forderte Buyx. „Das ist letztlich was, glaub’ ich, was wir auch alle ein Stück weit selber mitgestalten müssen.“ Sie finde es etwa „sehr gut“, über die Einrichtung von „Versöhnungskommissionen“ nachzudenken.

Suche nach Schuldigen nicht „hilfreich“

Angesprochen auf den Vertrauensverlust, der zum Beispiel infolge der teils monatelangen Schulschließungen gegen manche „Institutionen“ entstanden sei, entgegnete die Ethikratschefin, dass sie „Diskussionen“ wahrnehme, in denen man „sehr stark“ versuche, „einzelne Schuldige zu finden“. Das sei „natürlich wirklich schwierig“.

Das war einfach damals ’ne irrsinnig herausfordernde Situation. Und es ist ganz sicher so, dass da nicht alles top gelaufen ist. Gleichzeitig ist es auch sehr schwierig zu sagen: ‚Du warst schuld, du warst schuld‘. Das ist einfach kein hilfreiches Herangehen“.

Deutlicher war Buyx im November 2023 während einer Pressekonferenz geworden. Damals hatte sie die Medienvertreter im Publikum davor gewarnt, dass im Zuge der Corona-Aufarbeitung „Zweifel […] an diesen demokratischen Institutionen, an der Politik insgesamt“ gesät werden könnten. Schon damals war ihr klar, dass es ein „tiefes Bedürfnis danach“ gebe, „Schuldige zu suchen“. Die Berichterstatter aber „wären da ja nicht außen vor. Das wissen Sie ganz genau“, ermahnte die Ethikratsvorsitzende die Reporter mit ausgestrecktem Zeigefinger (Video auf X).

„Gemeinsam versöhnlicher nach vorn gucken“

Zum Vorschlag des Berliner Ex-Landesregierungschefs Michael Müller (SPD), jenen Menschen eine Amnestie zu gewähren, die wegen Verstößen gegen die Corona-Auflagen bestraft worden waren, könne sie „ganz konkret nicht so allzu viel sagen“.

Was auf jeden Fall am Ende einer Aufarbeitung zu stehen hat, davon scheint Buyx allerdings klare Vorstellungen zu haben. Und die haben nichts mit juristischen Folgen für Verantwortliche in Politik, Medien und Wissenschaft zu tun, wie sie sich beispielsweise der ehemalige ZDF-Journalist Peter Hahne schon seit über zwei Jahren wünscht (Video auf „YouTube“). Buyx präferiert offenbar einen anderen Weg:

Ich glaub’, wir müssen ’n stückweit wieder mehr einander zuhören. Wir brauchen diese Momente, wo man anerkennt, dass es für alle einfach sehr schwierig war auf unterschiedliche Art und Weise. Dass wir uns ein bisschen erholen und gemeinsam einfach dann auch wieder ’n bisschen versöhnlicher nach vorne gucken können.“

Buyx im Februar 2021: „Jede Dosis muss in einen Arm“

Buyx hatte sich während der Corona-Krise unter anderem für flächendeckende 2G-Regelungen starkgemacht. Am 25. Oktober 2021 erklärte sie in einem Interview mit der „Welt“ zudem die „moralische Pflicht für uns alle, uns impfen zu lassen“. Langzeitfolgen einer COVID-19-Impfung seien „extremst unwahrscheinlich“. Im Gegenteil erklärte sie die Impfung zu einer „der besten medizinischen Maßnahmen, die so gut überprüft ist wie wahrscheinlich noch nie“. Der Impfstoff werde im Körper „sehr schnell abgebaut“. In den Krankenhäusern lägen „fast nur Menschen, die nicht geimpft“ seien (Video auf X).

Schon Mitte Februar 2021, als die Folgen einer massenhaften Verabreichung der neuartigen Präparate nach sechs Wochen Praxis noch gar nicht abzusehen waren, war Buyx als vehemente Impfverfechterin aufgetreten: „Jede Dosis muss in einen Arm“.

Im aktuellen MDR-Interview ging Buyx nicht auf die längst bekannten Nebenwirkungen und Schäden ein, von denen selbst der Krisenstab des Robert Koch-Instituts (RKI) offenbar ebenfalls schon im Februar 2021 Kenntnis erlangt hatte. Überhaupt erwähnte sie die „RKI-Files“, die am 20. März 2024 durch das „Multipolar-Magazin“ veröffentlicht worden waren, mit keinem Wort.

Aus ihnen geht unter anderem hervor, dass der RKI-Krisenstab bereits Anfang Januar 2021 vermutet hatte, dass mittels Impfung wahrscheinlich keine Herdenimmunität zu erreichen sein würde. Im Oktober 2022 war herausgekommen, dass der weitverbreitete Pfizer/BioNTech-Impfstoff Comirnaty vor seiner bedingten Zulassung gar nicht auf seine Fähigkeit untersucht worden war, Übertragungen von Mensch zu Mensch zu verhindern.

RKI-Protokolle werfen Fragen auf

Die „RKI-Files“ werfen auch eine Reihe anderer Fragen auf. Immerhin gibt es noch immer keine offizielle Erklärung dafür, warum Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) oder die „Bund-Länder-Runden“ etwa das Tragen von Masken zur strafbewehrten Pflicht machten, obwohl der RKI-Krisenstab schon Ende Januar 2020 keinerlei Evidenz für deren Schutzwirkung festgestellt hatte. Oder warum die verantwortlichen Politiker nicht von ihrer Lockdown-Politik Abstand nehmen wollten, obwohl der Oberregierungsrat Stephan Kohn oder der RKI-Krisenstab Bedenken hatten.

All das erwähnte die Medizinethikerin Buyx im MDR ebenso wenig wie das „BMI-Schockpapier“, das auf frühe Anweisung des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) dazu dienen sollte, bei den Menschen Todesangst vor dem Coronavirus zu schüren. Mitautor Heinz Bude hatte kürzlich zugegeben, dass es von Anfang an um die „Folgebereitschaft“ gegangen sei.

Mal zu viel, mal zu wenig

Prof. Dr. Alena Buyx, Jahrgang 1977, hatte im Mai 2020 den Vorsitz des 26-köpfigen Deutschen Ethikrats übernommen. Als Mitglied des „Corona-Expertenrats“ der Bundesregierung sorgte sie immer wieder für kontroverse Debatten. Einerseits hatte sie die Bundesregierung unter anderem für ihren Umgang mit Jugendlichen, Kindern und einsam verstorbenen Senioren kritisiert. Andererseits hatte sie sich immer wieder für schärfere Kontaktbeschränkungen und zunächst auch grundsätzlich für eine Ausweitung von Impfpflichten ausgesprochen.

Im Januar 2022 aber relativierte sie eine frühere Stellungnahme des Ethikrats: Die Voraussetzungen dafür seien wegen der seinerzeit herrschenden Omikron-Variante noch nicht hinreichend gegeben.

Zu den Aufgaben des Rats „gehören insbesondere die Information der Öffentlichkeit und die Förderung der Diskussion in der Gesellschaft, die Erarbeitung von Stellungnahmen sowie von Empfehlungen für politisches und gesetzgeberisches Handeln für die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag sowie die Zusammenarbeit mit nationalen Ethikräten und vergleichbaren Einrichtungen anderer Staaten und internationaler Organisationen“, heißt es in der Eigenbeschreibung des Gremiums.



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