Erneut ohne Lindner und Habeck: Kanzler setzt Solo-Gipfel fort

Die FDP-Fraktion im Bundestag hat den Termin für ihr nächstes Treffen mit noch mehr Mittelstandsvertretern auf kommenden Montag festgelegt. Der Kanzler will eine erweiterte Runde von Industrievertretern erst elf Tage später treffen. Die Koalition zieht somit weiterhin an zwei unterschiedlichen Strängen.
Bei der Vorstellung des Haushaltsplans für 2025 traten Lindner, Scholz und Habeck gemeinsam auf. Jetzt müssen sie noch einmal darüber sprechen, welche Folgen die Erkenntnisse aus den Gutachten dazu haben werden. (Archivbild)
Das Archivbild zeigt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne, l.), Kanzler Olaf Scholz (SPD, M.) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Vorstellung des Haushaltsplans 2025 im Sommer. Wirtschaftspolitisch gehen alle drei derzeit getrennte Wege.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 31. Oktober 2024

Trotz Mahnungen zur Eile durch Wirtschaftsvertreter und Wissenschaftler wollen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Finanzminister Christian Lindner (FDP) offenbar weiter auf getrennten Pfaden wandeln, um Lösungen für die Wirtschaftsmisere in Deutschland zu finden.

In den Überlegungen von Scholz und Lindner scheint Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) derzeit keine Rolle zu spielen.

Wie der „Spiegel“ berichtet, reagierte die FDP-Fraktion im Bundestag auf die Ankündigung des Kanzlers, sich am 15. November erneut alleine mit Vertretern der Großindustrie beraten zu wollen, prompt mit der Terminierung eines zweiten Gegengipfels.

Lindner setzt Gespräche am Montag fort

Die FDP-Fraktion habe bereits für den kommenden Montag, 4. November 2024, 13:00 Uhr, eingeladen. Am Konferenztisch sitzen sollen dabei neben Fraktionschef Christian Dürr und Finanzminister Lindner dieses Mal ein etwas größerer Kreis von Branchenvertretern.

Ein Sprecher der FDP-Fraktion hatte nach Informationen des „Spiegel“ mitgeteilt, dass sich nach dem ersten FDP-Mittelstandsgipfel vom vergangenen Montag viele weitere Unternehmer und Interessenvertreter gemeldet hätten, die ebenfalls gerne mitreden wollten.

Kanzler will Gespräche solo fortsetzen

Nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) sieht der Bundeskanzler unterdessen noch immer keinen Grund, bei seinem nächsten Treffen am 15. November mit Interessenvertretern der deutschen Großindustrie, der Automobilwirtschaft und der Gewerkschaften auch seine beiden Minister Lindner und Habeck einzuladen. Dafür sollen neben den bisherigen 13 Gästen weitere Wirtschaftsvertreter mit am Tisch sitzen. Nach Aussage eines Sprechers von Scholz habe der Kanzler vereinbart, Arbeitsgruppen damit zu beauftragen, zwischen den Sitzungen „konkrete Ergebnisse“ vorzubereiten.

Laut „Spiegel“ soll die Kanzlerrunde vom 15. November zudem nicht die letzte sein. Wann aus all den zu erwartenden Protokollen, Planungspapieren und Pressekonferenzen handfeste Taten erfolgen könnten, ist derzeit unklar.

Haushaltsprobleme überschatten Wirtschaftsdebatten

Lindner und Habeck dürften an jenem Freitag in gut 14 Tagen sowieso wenig Zeit für Scholz haben: Der Finanzminister wird nach der vermutlich bis in die Morgenstunden desselben Tages dauernden Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses die Ergebnisse für das Jahr 2025 studieren und kommentieren müssen.

Habeck wird am 15. November spätestens in den Mittagsstunden nach Wiesbaden reisen müssen, wenn er den Auftakt des Bundesparteitags der Grünen in Wiesbaden nicht verpassen möchte.

Wie die FAZ berichtet, hatte es aus dem Umfeld Lindners und Habecks jüngst Aussagen gegeben, nach denen ihre Ministerien ebenfalls bisher nicht in die Wirtschaftspläne des Kanzlers „eingebunden“ seien. Da noch keine offiziellen Beschlüsse über Maßnahmen für einen „Pakt für die Industrie“ existierten, wie er dem Kanzler offenbar vorschwebt, könne bei den Haushaltsplanungen deshalb auch nichts berücksichtigt werden.

Beim „Pakt für die Industrie“ geht es Scholz nach den Worten seines Pressesprechers Steffen Hebestreit darum, Wege zu finden, wie die Bundesregierung „weitere Wachstumsimpulse setzen, Industrie-Arbeitsplätze in Deutschland sichern und den Industrie-Standort Deutschland stärken“ könne.

Scholz‛ erster Einladung ins Kanzleramt waren am vergangenen Dienstagnachmittag nach Angaben der Bundesregierung unter anderem der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, der Chef der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Gunnar Groebler, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner, sowie Spitzenvertreter von Unternehmen wie BASF, BMW, der Mercedes-Benz Group und Siemens gefolgt.

Gewerkschaftsvertreterinnen zufrieden

DGB-Chefin Fahimi (SPD) hatte am Morgen danach im Deutschlandfunk von einem „sehr guten, konstruktiven Gespräch“ gesprochen, dass die Teilnehmer „nach vorne gebracht“ habe. Nun sei klar, dass der Kanzler „sehr konkret und praktisch an Herausforderungen arbeiten“ wolle. Sie sei „zuversichtlich, dass wir zu entsprechenden Lösungen und Ergebnissen kommen, die gemeinsam getragen werden von Wirtschaft und Gewerkschaft“.

Die IG-Metall-Chefin Benner (SPD) hatte im Bayerischen Rundfunk laut AFP von einer „gemeinsamen Sicht auf die Dinge“ und einer „leichten Hoffnung“ gesprochen. „Es war gut und wir machen weiter“, so Benner.

SPD-Chefin stärkt Kanzler den Rücken

SPD-Parteichefin Saskia Esken wies im ZDF-„Morgenmagazin“ vom Mittwoch Kritik an Scholz zurück, nach der dieser weder Lindner noch Habeck einbezogen habe. Aus ihrer Sicht sei es „vollkommen normal, dass der Bundeskanzler, der die Regierung führt, solche Gespräche auch führt, dass er zu so einem Gipfel einlädt und dass er da auch entscheidet, wer dabei sein soll“.

Katharina Dröge, die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, hatte an der Tatsache, dass Lindner und Scholz getrennte Gipfel veranstaltet hatten, nichts auszusetzen. „Allerdings brauchen wir aus meiner Sicht keine Gipfel der Eitelkeiten, sondern konkrete Vorschläge, was man jetzt machen muss, um die deutsche Wirtschaft zu unterstützen“ betonte Dröge ebenfalls im ZDF-„Morgenmagazin“.

Union fordert Neuwahlen

Die beiden Generalsekretäre von CDU und CSU forderten nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa Neuwahlen im Bund. Carsten Linnemann (CDU) habe von einem „Trauerspiel“ gesprochen: Die Streitereien innerhalb der Koalition würden der „politischen Kultur“ schaden. Martin Huber (CSU) erklärte in der RTL-Sendung „Frühstart“, die Ampel habe weder Ideen noch Konzepte.

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Julia Klöckner (CDU), hatte am Mittwoch dagegen Entscheidungen „statt Gipfel-Konkurrenz und Schaufensterpolitik“ verlangt. Der Dienstag habe „wieder gezeigt, dass die Ampel vollkommen unabgestimmt agiert und gerade dann unfähig zu Entscheidungen und Handlungen ist, wenn die Not am größten ist“.

Ines Schwerdtner, die Parteichefin der Linken, erklärte das „Gipfel-Chaos, das die drei Koalitionspartner aufführen“, für „verantwortungslos“. Sie befürchte allerdings, dass „auch dann nichts Vernünftiges rauskommen würde, wenn die drei sich zusammensetzen würden“.

Lindner hofft auf gemeinsame Position

Wenige Stunden vor der Scholz-Runde hatten sich Lindner und FDP-Fraktionschef Dürr im Klubraum des Reichstagsgebäudes getroffen, um gemeinsam mit fünf Mittelstandsvertretern die Lage und Lösungen zu diskutieren. Ein Abschlusspapier gab es dabei ebenso wenig wie beim Scholz-Gipfel.

Dafür versprach Lindner, die Standpunkte und Erkenntnisse in einen gemeinsamen Beratungsprozess mit dem Bundeskanzler und dem Wirtschaftsminister einfließen lassen zu wollen. Innerhalb der Koalition werde man in den nächsten Wochen schon wegen der Haushaltsdebatte ohnehin „zu einer gemeinsamen Position finden müssen“, so Lindner während der anschließenden Pressekonferenz.

Bei Lindner mit von der Partie waren Rainer Dulger, der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Stephan Hofmeister als Chef des Bundesverbandes der Freien Berufe, Reinhold von Eben-Worlée als Vertreter der Familienunternehmen, Jörg Dittrich, der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), und Martin Wansleben, der Geschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).

Sie alle waren von Scholz nicht eingeladen worden, worauf Lindner sich ihnen als Ansprechpartner angeboten hatte.

Prof. Dr. Hubertus Bardt, der Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, forderte die Bundesregierung nach den Konkurrenzveranstaltungen von Lindner und Scholz auf, vom getrennten Reden endlich ins gemeinsame Handeln zu kommen.

Lindner gegen Habeck-Vorschläge

Wirtschaftsminister Habeck hatte zwar nicht zu einem eigenen Gipfel geladen, dafür aber im Vorfeld ein eigenes Konzept zur Bekämpfung des Abschwungs präsentiert. Habecks Ideen rund um einen „vorfinanzierten“ Fonds, aus dem private Investitionen gefördert und staatliche Infrastrukturmaßnahmen bezahlt werden sollen, fielen bei Lindner nicht auf fruchtbaren Boden.

Ampel-Aus: kein Thema für Lindner und Scholz

Der Finanzminister denkt bei aller Kritik offenbar nicht daran, die Koalition zu verlassen. Bereits während seiner Pressekonferenz vom vergangenen Dienstag griff er die kurz zuvor von BDA-Präsident Rainer Dulger verwendete Formulierung einer „Regierungsverpflichtung“ auf: Für Deutschland sei es „allemal besser, wenn eine Regierung eine gemeinsame Richtung findet, sie beschreibt und umsetzt“, betonte Lindner (Video auf YouTube).

Erst wenige Tagen zuvor hatte Lindner in einem Interview mit „Welt TV“ betont, dass er sogar eine zweite Amtszeit als Finanzminister beabsichtige: „Ich will nicht zuschauen, wie andere das, was wir uns jetzt erarbeiten an wirtschaftlicher Stabilität, geringerer Inflation, dass andere das wieder aufs Spiel setzen“ (Video auf X).

Scholz war dem Thema bereits am Wochenende während seiner Indien-Reise ausgewichen. Auf die Frage einer Journalistin, ob die Koalition noch zusammen Weihnachten feiern werde, entgegnete Scholz: „Weihnachten wird immer gefeiert“.



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