Einladung oder Vorladung? AfD-Chef Chrupalla zu Gast bei Miosga

AfD-Chef Tino Chrupalla war am Sonntagabend in der ARD zu Gast bei Caren Miosga. Seine Personalie sorgte in den Medien schon im Vorfeld für Aufregung. Diskutiert wurde unter anderem, ob man überhaupt AfD-Vertreter einladen dürfe. Und was berichten ausgewählte Medien über diese Sendung?
https://www.ardmediathek.de/sendung/caren-miosga/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2NhcmVuLW1pb3NnYQ
ARD „Caren Miosga“ mit AfD-Chef Tino Chrupalla.Foto: Screenshot
Von 22. April 2024

Die Alternative für Deutschland (AfD) blieb in den fünf großen öffentlich-rechtlichen Talkshows auch nach ihrem Einzug in den Bundestag vor sieben Jahren deutlich unterpräsentiert – jedenfalls bezogen auf ihren Sitzanteil. Laut Statistik waren Vertreter der Grünen bald fünfzehnfach häufiger dort zu Gast, als Politiker der AfD. Dazu passt eine Meldung der „Welt“ von Ende 2020, die fragte und befand: „Ausgewogene Berichterstattung? 92 Prozent der ARD-Volontäre wählen grün-rot-rot.“

Jetzt saß einer der beiden Parteichefs der AfD in der ARD-Talkshow von Caren Miosga. Die Ex-Nachrichtensprecherin und Neu-Moderatorin titelte zur Sendung: „Zwischen Kreml-Nähe und Rechtsextremismus. Wofür steht die AfD, Herr Chrupalla?“

In der Anmoderation sprach Miosga davon, dass Anfang des Jahres hunderttausende für die Demokratie demonstriert haben. Unerwähnt ließ sie allerdings, dass diese Menschen empört über einen Bericht von Correctiv über ein „Geheimtreffen“ auf die Straße gingen. Ein Bericht, der allerdings zunehmend Fragen aufwirft. Ebenfalls nicht zur Sprache kam, dass ein überwiegender Teil dieser Demonstranten, von denen Caren Miosga sprach, wie sich später herausstellte, Wähler der Grünen gewesen sein sollen.

Miosga sprach eingangs auch davon, dass manche der AfD-Abgeordneten „gerade mit bemerkenswerten Verbindungen zu Russland auffallen“. Damit spielte sie auf Meldungen an, die von einem Tonband des tschechischen Geheimdienstes zitierten, von dem der Chef des deutschen Verfassungsschutzes vor dem Innenausschuss nicht einmal hatte sagen können, ob diese Aufnahme überhaupt existiert.

Soviel zur Anmoderation im Interview mit dem AfD-Chef. Nach einer knappen halben Stunde wurden weitere Gäste dazu gebeten. Hinzu kamen Nadine Lindner vom Deutschlandradio und der ehemalige Siemens-Boss Joe Kaeser. Lindner wurde gerade der Preis der Bundespressekonferenz für ihre AfD-Berichterstattung verliehen. Und Joe Kaeser fiel zuletzt damit auf, dass er Parallelen zwischen dem AfD-Aufstieg und der NS-Zeit zog, wie der „Spiegel“ berichtete. Kaeser warnte vor einem Verlust des Wohlstands, wenn die AfD politische Gestaltungsmacht bekommt.

Chrupalla erst solo, dann im Quartett

Die Dramaturgie der Sendung folgte zwei Akten: 30 Minuten waren für den Solo-Auftritt Chrupallas reserviert, dann folgte eine weitere halbe Stunde mit zwei ausgewiesenen Kritikern der AfD.

Wie kommentierten die Medien die Sendung? Als einer der ersten veröffentlichte am frühen Morgen „Tichys Einblick“ (TE) eine umfassende Rezension der Talkshow. Autorin Charlotte Kirchhof fiel zunächst auf, dass die Zuschauer im Studio entgegen vorhergehender Sendungen und den dort geladenen Gästen parteiisch gegen Tino Chrupalla aufgestellt schienen: „An diesem Abend gehörte das Publikum offenbar zu Miosgas Front.“

Insgesamt will Kirchhof eine Sendung gesehen haben, in welcher es einer inszenierten Front gegen den AfD-Vorsitzenden nicht gelungen sei, Chrupalla dort zu stellen, wo Misoga ihn oder genauer gesagt die AfD in der Eingangsfrage andeutungsweise verortet haben wollte. Kirchhof schreibt: „Die Asse und Joker dieser Front zeigen allerdings, dass sie kaum etwas gegen die AfD in der Hand haben – und wie verzweifelt sie darüber sind.“

Tatsächlich sahen es auch einige der etablierten Medien ähnlich wie die Autorin für TE. So schrieb der „Spiegel“ von einem „Heimspiel für den freundlichen Malermeister.“ Und fragte irritiert so, als wäre es die Aufgabe einer öffentlich-rechtlichen Sendung, einen AfD-Gast schlecht aussehen zu lassen: „Wo war Moderatorin Miosga?“

War die Studio-Atmosphäre zu kuschelig?

Wenn es nicht an Miosga lag, dann vielleicht am Studio-Design? Der Spiegel mutmaßt, dass es auch an den „warmen Orange- und Türkistöne der Dekoration“ und an den „harmonischen, weichen Linien der Raumgestaltung“ gelegen haben konnte, dass „alle konfrontativen Fragen an Tino Chrupalla in den ersten 20 Minuten sanft ins Leere trudelten“.

Aber was wäre der Gegenvorschlag des „Spiegel“? Sollen Talkshows mit AfD-Beteiligung nur noch in kalter Gerichtssaal-Atmosphäre versus Studio-Feng-Shui stattfinden? Das Magazin aus Hamburg zeigte sich nicht amüsiert darüber, dass zu Beginn zwischen Miosga und Chrupalla sogar gelacht wurde, befand dann aber einlenkend, dass das „nicht ganz falsch gedacht“ sei, denn „wer sich locker macht, offenbart eventuell etwas, das er in formaler Atmosphäre für sich behält.“ Der „Spiegel“ blieb also bei der Idee eines Verhörs.

Dazu passte eine Bemerkung zum zweiten Teil der Sendung, wo es hieß, die Redaktion von Miosga habe immerhin die Idee gehabt, „Chrupalla genau in seinem Selbstbild als aufrechten Mittelstands-Malocher zu demontieren“.

Das Fazit des „Spiegels“ dann streng auf Anti-AfD-Kurs:

„Die kriminellen Politik-Hasardeure und Rassenideologen der Partei treiben außerhalb der etablierten Medien ungeniert ihr menschenverachtendes Spiel. In die Talkshows schickt man dann aber fast immer den freundlichen Herrn Chrupalla.“

Chrupalla als gefälliger Ausputzer? Zunächst einmal ist der AfD-Politiker Chef seiner Partei. Und es wäre doch eine Überraschung, wenn zur besten öffentlich-rechtlichen Sendezeit nicht die Parteispitze antrete.

Eine unbeantwortete Ministerpräsidentenfrage

Die „Bild“ als größte deutsche Boulevardzeitung konzentrierte sich auf die Frage, ob Tino Chrupalla plane, Ministerpräsident von Sachsen zu werden. Chrupalla gab dazu allerdings keine klärende Antwort, sondern beschränkte sich auf die Aussage, dass es für seine AfD zunächst wichtig sei, „die Landtagswahl so abzuschließen, dass ohne die AfD in Sachsen keine Politik mehr gemacht wird.“

Und was haben die berichtenden regionalen Zeitungen aus dem viel beachteten Chrupalla-Auftritt extrahiert? Die „Stuttgarter Nachrichten“ nahmen eine kritische Haltung gegenüber dem Auftritt des AfD-Chefs ein. Bereits im Intro hieß es, in der ARD-Talkrunde habe Tino Chrupalla „seine Idee von Weltoffenheit ziemlich begrenzt“ ausgelegt.

Die Zeitung quälte sich mit der Frage, warum Chrupalla überhaupt eingeladen wurde, diese Einladung sei auch in der ARD „nicht unumstritten.“ Allerdings seien die Umfragewerte so hoch, dass man die AfD nicht ignorieren könne. Zudem sei es sicher auch ein Anliegen der öffentlich-rechtlichen Journalisten, „die AfD-Argumente zu hinterfragen und zu entkräften“.

Die „Stuttgarter Nachrichten“ gehen demzufolge grundsätzlich davon aus, dass die AfD keine Argumente hat. Die Zeitung fasst im Weiteren zusammen, was gegen Chrupalla vorgebracht wird. Die Moderatorin und später auch die beiden AfD-Gegner Kaeser und Lindner zitierten aus Büchern und von Plakaten anderer AfD-Politiker, zu denen sich Tino Chrupalla dann erklären sollte.

Zitate vom Zettel abgelesen nerven den AfD-Chef

Hier wäre es einfacher gewesen, politische Äußerungen des AfD-Chefs zu zitieren, zu denen er hätte Stellung beziehen müssen. Darauf wurde verzichtet, stattdessen beschränkte sich die Fragerunde auf bestimmte Ausfälle des EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und anderer AfD-Politiker. Das ging so weit, dass Chrupalla entnervt in die Runde fragte: „Wollen Sie hier jetzt einen Buchclub machen?“

Im Duell der „Welt“ zwischen dem Thüringer AfD-Chef Höcke und seinem CDU-Widersacher Voigt sah das noch ganz anders aus, da wurde Höcke mit Auszügen aus seinem eigenen Buch konfrontiert, hier wollte das Portal „Nius“ anschließend allerdings herausgefunden haben, dass nicht korrekt zitiert wurde.

In den sozialen Medien wurde vielfach darauf hingewiesen, dass sowohl der Gegner von Höcke als auch die Gegner von Chrupalla Spickzettel benutzt hatten. Tatsächlich gab es diese Vorgehensweise in früheren Jahren nicht, da wurde das Ablesen in öffentlich-rechtlichen Talkshows nicht geduldet, so etwas durfte dort gar nicht erst Einzug halten.

Auffallend war, dass die zitierten Äußerungen von Maximilian Krah solche von Björn Höcke aus früheren Talkshows abgelöst hatten. Der Buhmann der AfD ist aus Sicht der Öffentlich-Rechtlichen also jetzt Krah. Oder es liegt schlicht dran, dass die EU-Wahl bevorsteht und Höcke dann anschließend wieder an die Reihe kommt, wenn im Herbst die Wahl in Thüringen stattfindet.



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