Ehefrau als Auftragnehmerin: Mehrfacher Interessenkonflikt im Außenministerium?

Die Ehefrau eines hohen Beamten im Außenministerium arbeitet einem Pressebericht zufolge für mehrere Seiten, die mit afghanischen Visa-Anträgen für Deutschland zu tun haben: für die Botschaft in Islamabad, für das Auswärtige Amt und für die Antragsteller selbst. Ein Pressesprecher des Amts wies die Vorwürfe der Vetternwirtschaft entschieden zurück.
Das Auswärtige Amt erklärt zwei Angehörige der iranischen Botschaft zu unerwünschten Personen.
Das Symbolbild zeigt den Schriftzug des Auswärtigen Amts in Berlin. Am Rand der Visa-Affäre geben auch familiäre Beziehungen zu denken.Foto: Marius Becker/dpa
Von 8. August 2024

Am Rande der Affäre um mutmaßlich zu Unrecht ausgestellte Visa für afghanische oder pakistanische Staatsangehörige sind nun erneut Vorwürfe der Vetternwirtschaft laut geworden. Wie der „Business Insider“ (BI) als erstes Medium berichtete, geht es um ein Ehepaar, das für das Auswärtige Amt (AA) arbeitet – der Mann regelmäßig als Spitzenbeamter, seine Frau als zumindest gelegentliche Auftragnehmerin.

Die Frau, eine juristische Expertin für Ausländer- und internationales Familienrecht, soll gleich auf mehreren Wegen von ihren familiären Kontakten zum Außenministerium profitiert haben – und womöglich noch immer profitieren.

Wie der BI (Bezahlschranke) bereits vor einem Jahr herausgefunden hatte, soll die Rechtsanwältin schon seit Jahren Aufträge vom AA erhalten. Nach Angaben des Nachrichtenportals „Apollo News“ soll sie auf Bitte des Ministeriums unter anderem ein Rechtsgutachten über das afghanische Eherecht verfasst haben. Das Außenministerium habe ihr auch gestattet, ein eigenes Buch mit einer Lesung im Auswärtigen Amt vorzustellen. Im Auftrag des Ministeriums habe sie außerdem Online-Schulungen für Botschaftsmitarbeiter erteilt. Zuletzt habe sie nach Angaben des „Freilich-Magazins“ im April 2024 für das AA gearbeitet.

All dies sei ohne vorherige Ausschreibung geschehen. Das Ministerium habe das damit begründet, dass die Juristin eine „unbestrittene Expertise“ besitze, berichtet der BI (Bezahlschranke).

Rechtshilfe für Einwanderer und Botschaftskräfte

Abseits ihres direkten Engagements für das AA setze die Ehefrau des Spitzenbeamten sich beruflich für die Interessen afghanischer Mandanten ein, die über die deutsche Botschaft in Islamabad (Pakistan) an ein Visum für Deutschland gelangen wollten. Wie „Apollo News“ berichtet, habe sie in dieser Rolle unter anderem „Sondertermine“ für ihre afghanischen Klienten gefordert. Auf der anderen Seite berate die Juristin auch Botschaftsmitarbeiter in Islamabad, die über die entsprechenden Visa-Anträge zu befinden hätten. Da die Bundesrepublik in Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 keine Botschaft mehr vor Ort unterhält, ist die pakistanische Hauptstadt der Hauptanlaufpunkt für Afghanen, die es nach Deutschland zieht.

Die ganze Angelegenheit um die Ehefrau des Außenministeriumsmitarbeiters dauert nach Informationen von „Apollo News“ bereits Jahre. Schon 2021 habe es einen Hinweis über mutmaßliche Interessenkonflikte an die Leitung des Auswärtigen Amts gegeben, das damals noch Heiko Maas (SPD) unterstellt gewesen war. Im Oktober desselben Jahres sei der Verdacht aber als unbegründet zurückgewiesen worden.

Unter der Leitung von Maas-Nachfolgerin Annalena Baerbock (Grüne) sei der Fall im Juli 2023 intern erneut aufs Tapet gekommen. Damals hätten Botschaftsmitarbeiter in einem Beschwerdebrief ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass die Rechtsanwältin über ihren Gatten womöglich Zugang zu vertraulichen Informationen erhalten könnte.

Welches genaue Ergebnis die anschließende Sachverhaltsprüfung durch das Außenministerium zutage gefördert hatte, ist bis heute unklar. „Aus Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen“ habe das AA gegenüber dem BI nichts darüber mitteilen wollen. Einen Interessenkonflikt habe das Amt laut „Freilich-Magazin“ aber keinesfalls sehen wollen.

Ehemann soll Mitte 2022 intern gewechselt haben

Der Ehemann der Juristin soll nach Informationen von „Apollo News“ übrigens bis Mitte 2022 als stellvertretender Leiter des Referats 508 im AA gearbeitet haben. Dieses Büro ist zuständig für Ausländer- und Visumrecht, langfristige Aufenthalte und migrationspolitische Grundsatzfragen. Danach soll der Spitzenbeamte in jenen Teil der „Politischen Abteilung 3“ gewechselt sein, der sich mit Afghanistan-Fragen beschäftigt.

Die „Politische Abteilung 3“ im Auswärtigen Amt kümmert sich laut Selbstauskunft allgemein um Staaten im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und in Lateinamerika. Die 13 Referate der „Politischen Abteilung 3“ unterstehen dem Diplomaten Dr. Christian Buck. Er ist seit Juli 2022 zugleich Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amts für Libyen. Das Organigramm des Auswärtigen Amts finden Sie als PDF-Datei auf dessen Website.

AA-Pressesprecher weist Vorwürfe „entschieden“ zurück: ein paar Behauptungen „völlig falsch“

Auf schriftliche Anfrage der Epoch Times verwies uns eine Sprecherin des Auswärtigen Amts auf die Regierungspressekonferenz vom 7. August 2024. Dort hatte AA-Pressesprecher Sebastian Fischer die in dem „Business Insider“-Bericht „enthaltenen Vorwürfe entschieden“ zurückgewiesen (Video ab ca. Min. auf YouTube). An der „Behauptung der Interessenverquickung“ sei „nichts dran“. Das hätten interne Prüfungen ergeben. Fischer fuhr fort:

Ein paar der Behauptungen in dem Bericht sind auch einfach völlig falsch. Der betroffene Kollege war nie Referatsleiter und ist auch weiterhin nicht als Referatsleiter eingesetzt. Er war zwar in der Rechtsabteilung und dort auch in dem Rechts- und Konsularbereich tätig. Aber die Behauptung, es habe eine Verquickung mit den Interessen seiner Frau gegeben, ist letztlich auch nicht haltbar, weil er sich um Grundsatzfragen gekümmert hat und nicht um Visaverfahren.

Der Ehemann der Juristin sei „jetzt in einem vollständig anderen Bereich in einer anderen Abteilung tätig, der nichts mit Afghanistan zu tun hat“, so Fischer. „Insofern ist da eine sozusagen unterstellte Interessenverquickung nicht gegeben“. Der Pressesprecher betonte, dass es sich „bei dem Kollegen nicht um eine Person des öffentlichen Lebens“ handele. Weitere Auskünfte wolle er deshalb „erst einmal“ nicht erteilen.

Sebastian Fischer, der Pressesprecher des Auswärtigen Amtes, am 7. August 2024 auf der Bundespressekonferenz. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/Jung & Naiv

Sebastian Fischer, der Pressesprecher des Auswärtigen Amts, am 7. August 2024 auf der Bundespressekonferenz. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/Jung & Naiv

Im Schatten der „Visa-Affäre“

Das Magazin „Cicero“ hatte erst vor wenigen Tagen aufgedeckt, dass es im Auswärtigen Amt möglicherweise zu Unregelmäßigkeiten bei der Visa-Vergabe an Afghanen gekommen war. So sollen etwa im Februar 2023 fünf von sieben Mitgliedern einer Familie nach Deutschland geflogen worden sein, die mutmaßlich heimlich für den pakistanischen Geheimdienst arbeiten könnte. Entsprechende Hinweise der Botschaft Islamabad habe das AA zumindest teilweise ignoriert.

Ebenfalls erst kürzlich hatte der „Business Insider“ (Bezahlschranke) berichtet, dass viele deutsche Botschaften jüngst eine schriftliche Anweisung vom AA bekommen hätten, nach der sie ihr Urteil über eine Visa-Vergabe nicht mehr allein davon abhängig machen sollten, welche amtlichen Dokumente ihnen vorgelegt würden. Es gelte das Prinzip „Alternative Glaubhaftmachung“.

Im Juli 2023 war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Berlin wegen des Verdachts auf Rechtsbeugung unter anderem gegen den Leiter des AA-Referats für Visumrecht ermittelte. Bis heute bestätigte das Amt sogar drei Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Berlin und Cottbus gegen verschiedene Ministeriumsmitarbeiter. Wie viele Fälle illegaler Einreisen am Ende zu Buche stehen könnten, ist noch unklar.

Erhöhte Sicherheitsstandards für „Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan“ erst seit April 2023

Die Botschaftskräfte in Islamabad hatte bereits im Frühjahr 2023 die Sorge umgetrieben, dass das im Oktober 2022 aufgelegte „Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan“ auch von Islamisten und Scharia-Gelehrten als „trojanisches Pferd“ genutzt werden könnte.

Erst Anfang April 2023 hatte sich das deutsche Außenministerium dazu durchgerungen, eine „zusätzliche Sicherheitsbefragung“ in Islamabad zu etablieren, „um Täuschungsversuche zu unterbinden“. Zuvor hatte sich Baerbock laut „Cicero“ (Bezahlschranke) stets gegen entsprechende Forderungen ihrer Innenministeriumskollegin Nancy Faeser (SPD) gesträubt, höhere Sicherheitsstandards bei der Aufnahme von Afghanen einzuführen.



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