Dr. Friedrich Pürner verlässt das BSW: Zu wenig „Menschlichkeit und Meinungsfreiheit“

Dr. Friedrich Pürner, „Corona-Rebell“ und EU-Parlamentarier, ist aus dem BSW ausgetreten. Vor allem die Entwicklung im Bundesvorstand der Partei könne er nicht mehr akzeptieren. Andere Mitglieder denken offenbar ähnlich – zum Teil allerdings auch aus anderen Gründen.
Bayerns BSW-Landeschef Klaus Ernst betrachtet die Parteiaustritte als ganz normalen Vorgang (Archivbild).
Bayerns BSW-Landeschef Klaus Ernst (Archivbild) hatte es zuletzt mit einigen Parteiaustritten zu tun. Manchen Mitgliedern sind die Strukturen an der Spitze nicht demokratisch genug.Foto: Daniel Löb/dpa
Von 6. Februar 2025

Ein Jahr nach seiner Gründung als Partei weht dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) intern ein scharfer Wind entgegen. Insbesondere Mitglieder aus Bayern haben zuletzt enttäuscht ihren Austritt erklärt. Darunter auch Dr. Friedrich Pürner, der wohl prominenteste Abgeordnete des BSW im EU-Parlament.

„Wenn die Menschlichkeit und Meinungsfreiheit hintangestellt werden, möchte ich dieser Partei nicht mehr angehören“, erklärte der als Corona-Maßnahmengegner bekannt gewordene frühere Leiter des Gesundheitsamts Aichach-Friedberg im Gespräch mit der „Welt am Sonntag“ (WamS).

Er war dem BSW kurz vor der Parteigründung im Januar 2024 beigetreten, um die Aufarbeitung der Corona-Krise im Brüsseler EU-Parlament voranzubringen.

Pürner ließ im „WamS“-Gespräch kaum ein gutes Wort an seiner Ex-Partei. Um die BSW-Namensgeberin Sahra Wagenknecht herum habe sich „ein gefährlicher Führungskult entwickelt“, beklagte Pürner.

Er selbst halte Wagenknecht für eine „blitzgescheite Frau“. Dessen ungeachtet sei die Parteispitze mittlerweile voller „intriganter Personen“, die ihren Willen durchsetzen wollten: „Ein Zirkel von Ex-Linken im Bundesvorstand manipuliert und schüchtert Kritiker ein“, beklagte Pürner laut WamS seine Erfahrungen. „Diese Parteivertreter haben ihre eigenen Werte verraten.“

Pürner: Koalitionen in Thüringen und Brandenburg „ein Fehler“

Ähnliche Töne hatte der Mediziner laut WamS in seinem Austrittsbrief an den BSW-Schatzmeister Ralph Suikat gerichtet. Darin sei von einer „Kultur des Misstrauens und der Überwachung“ und von „autoritärem Verhalten“ die Rede. Verantwortlich dafür sei „eine Gruppe von machttaktisch erfahrenen Personen“:

Sahra Wagenknecht ist die Partei leider entglitten. Andere haben die Fäden in der Hand und mit antidemokratischen Mitteln das BSW bereits in großen Teilen in eine Linke 2.0 verwandelt.“

Ebenso stehe er nicht hinter den Entscheidungen des BSW, in Thüringen und Brandenburg gemeinsame Regierungsbündnisse mit CDU und SPD beziehungsweise mit der SPD zu schließen. „Beide Koalitionen waren falsch. Besonders für eine Koalition in Thüringen hat man unsere Überzeugungen über Bord geworfen“, beklagte Pürner laut WamS gegenüber Suikat.

Pürner hält „Brandmauer“ für problematisch

Bereits kurz nach der Brandenburg-Wahl vom 22. September 2024 hatte Pürner daran erinnert, dass die AfD die meisten Wählerstimmen hinter sich versammelt hatte. Den AfD-Landesverband um Björn Höcke von der Regierung auszuschließen, bezeichnete Pürner damals nach Angaben der „Welt“ als „undemokratisch und unfair“.

Zuvor habe die Parteispitze um BSW-Generalsekretär Christian Leye monatelang immer wieder selbst erklärt, dass die „Brandmauer“-Taktik gegenüber der blauen Partei falsch sei: Man könne AfD-Anträgen ruhig zustimmen, falls diese „vernünftig“ seien. Auf eine direkte Annäherung an die blaue Partei im Sinne von Absprachen, Kooperationen oder Koalitionen hatte sich das BSW aber weder im Landeswahlkampf noch danach einlassen wollen.

Sechs weitere BSW-Bayern ziehen nach Bundestagskrimi Konsequenzen

Nach Informationen des „Spiegel“ (Bezahlschranke) spielt die „Brandmauer“ zur Alternative für Deutschland auch bei den jüngsten Parteiaustritten von sechs weiteren BSW-Mitgliedern eine Rolle – allerdings aus einem ganz anderen Grund.

Mit dem Landesvizevorsitzenden Josef Ilsanker und Landesvorstandsmitglied Robert Striesow hätten zwei „führende“ Köpfe des bayerischen BSW-Landesverbands die Partei verlassen, so der „Spiegel“. Beide seien zuvor bei den Linken aktiv gewesen. Außerdem hätten die Ver.di-Funktionäre Heinz Neff, Linus Hluchy und Sinan Öztürk sowie das einfache Mitglied Kerstin Reichert ihr gemeinsames „Statement zum Austritt aus der Partei“ BSW unterschrieben.

Zustrombegrenzungsgesetz als rote Linie

Die sechs Abtrünnigen seien als Gewerkschafter oder ehemalige Linke-Mitglieder eher dem linken Spektrum des BSW zuzurechnen, so der „Spiegel“. Sie alle hätten das jüngste Abstimmungsverhalten der BSW-Gruppe im Bundestag als einen Hauptgrund für ihren Rückzug genannt.

Die BSW-Gruppe im Bundestag hatte dem Entwurf des Zustrombegrenzungsgesetzes der Union am vergangenen Freitag, 31. Januar 2025, mit sieben seiner zehn Abgeordneten zugestimmt (PDF). Am Ende scheiterte das Gesetz allerdings am Widerstand der Fraktionen von SPD, Grünen sowie einer Reihe von Abweichlern aus den Reihen der Union und der FDP. Bei der AfD hatten mit einer Ausnahme alle Fraktionsmitglieder mit Ja votiert.

Die sechs ausgetretenen BSW-Landesverbandsangehörige aus Bayern möchten sich nach „Spiegel“-Informationen nun offenbar nicht nachsagen lassen, einer Partei anzugehören, deren Mitglieder im Bund mehrheitlich für eine strikte Migrationswende gestimmt hatten. In ihrer Stellungnahme heiße es:

Dass wir hier wohl von einigen Mitgliedern der CDU und FDP – beim Thema Menschlichkeit – links überholt wurden, ist für uns nicht hinnehmbar.“

Es bedürfe bezüglich der Fluchtursachen einer „sachlichen und humanistischen Debatte“, nicht aber einer „populistische[n] Zuspitzung, die unnötige gesellschaftliche Spaltungen fördert und Gefahr läuft, sich rhetorisch am rechten Rand zu bedienen“, zitiert der „Spiegel“ aus dem gemeinsamen Papier, das an BSW-Landesvorsitzenden Klaus Ernst gerichtet sei.

Missfallen habe bei den Ausgetretenen auch die AfD-ähnliche Wahlwerbung des BSW im Netz ausgelöst und – im Einklang mit der Einschätzung Pürners – die „stark hierarchische Top-down-Struktur“ im bayerischen BSW-Landesverband.

Amira Mohamed Ali: „Fast schon Kabarett-hafte Züge“

Die BSW-Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali äußerte gegenüber dem „Spiegel“ ihr Unverständnis über die teils unterschiedlichen Argumentationsansätze ihrer Kritiker:

Wenn […] der Europa-Abgeordnete Fritz Pürner uns heute zur Begründung seines Austritts das exakte Gegenteil dessen vorwirft, was die sechs anderen bayerischen Mitglieder monieren, bekommt die Kampagne gegen das BSW fast schon Kabarett-hafte Züge.“

Die Hauptkritikpunkte habe Mohamed Ali nicht gelten lassen: „Das BSW ist weder Linke.2.0 noch AfD-nah, weder von Sahra Wagenknecht autoritär geführt noch ihr entglitten.“

Nicht zum ersten Mal Kritik am Führungsstil

Teile des BSW-Landesverbands Hamburg hatten das bereits vor Monaten anders betrachtet. Anfang Dezember 2024 hatte das lokale BSW-Mitglied Dejan Lazic die innerparteilichen Zustände mit jenen einer „Sekte“ verglichen, da es satzungsgemäß ausschließlich dem Bundesvorstand obliege, über Parteieintritte zu entscheiden.

Bis zur juristischen Klärung der Streitfrage wollten Lazic und ein Mitstreiter nicht warten: Sie gründeten kurzerhand einen eigenen BSW-Bezirksverband mit eigenen Regeln, um selbst über Beitrittsanträge urteilen zu können.

Wie der „Spiegel“ weiter berichtet, war es wegen ähnlicher Differenzen in den vergangenen Wochen auch zu Streitigkeiten oder Parteiaustritten in den BSW-Landesverbänden Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gekommen.

Noch keine 2.000 Mitglieder aufgenommen

Ein Sprecher der Parteispitze habe auf „Spiegel“-Anfrage lediglich zwölf Austritte seit dem 21. Januar bestätigt. Deutschlandweit besäßen bislang weniger als 2.000 Menschen ein BSW-Parteibuch.

Das BSW hatte übrigens vor einigen Wochen entschieden, den Namen seiner Gründerin weniger aufdringlich in den Vordergrund zu rücken. Nach der Bundestagswahl soll das bekannte Kürzel zwar beibehalten werden, der ausgeschriebene Parteiname aber soll ein anderer werden.



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