Doch kein Hitler-Imitat: Kritik des Deutschlandfunks an Söder offensichtlich unhaltbar
Berichte, nach denen der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder seinen Vize Hubert Aiwanger am Abend des 28. August in einer Bierzeltrede in Landshut mit dem Sprachstil Hitlers verhöhnt haben soll, entsprechen nicht den Tatsachen. Das geht aus einem Videoausschnitt des „Bayerischen Rundfunks“ von Söders Wahlkampfauftritt hervor.
Die angebliche Entgleisung Söders war am frühen Morgen des 29. August vom „Deutschlandfunk“ (DLF) aufgegriffen worden. In dem dazugehörigen Audio des DLF-Mitarbeiters Michael Watzke wurde der Eindruck erweckt, Söder habe mit dem Satz „Ich werde in München mal auf den Tisch hauen!“, seinen Wirtschaftsminister verhöhnen wollen. Dazu habe er sich „Adolf-Hitler-gleicher Stimme und Gestik“ bedient.
Fehlschluss eines DLF-Autors
Watzke wies zwar darauf hin, dass Söder Aiwangers Namen nicht ausdrücklich genannt habe. Dennoch sei „unmissverständlich“ Aiwanger gemeint, denn Söder habe über „einen Politiker [gesprochen], der vor Ort große Reden schwinge, in München jedoch ganz zahm sei, ein politischer Winzling geradezu“. Immerhin habe die Rede in Aiwangers Heimat-Landkreis stattgefunden, erklärte Watzke zur Untermauerung seiner Interpretation (Audio verfügbar beim „DLF“).
Etliche Medien griffen die Darstellung des DLF ungeprüft auf. Der Bayerische Rundfunk aber veröffentlichte über seinen X-Kanal „BR24“ einen Ausschnitt aus Söders Bierzeltrede, der den mit gepresster Stimme geäußerten Satz in einem völlig anderen Kontext zeigt.
Das „BR24“-Video legt nahe, dass es Söder generell um Kritik an bestimmten Politikern ging, die „vor Ort daheim im Zelt recht groß“, aber „in München relativ klein“ seien. Ein direkter Bezug zu Aiwanger ist nicht erkennbar. Eingebettet war die Spitze in ein Lob für den Landshuter CSU-Landtagsabgeordneten Helmut Radlmeier, der aus Söders Sicht offenbar nicht zu den kritisierten Politikern gehört.
Die Epoch Times bat den „Deutschlandfunk“ um eine Stellungnahme. Auf unsere Frage, aus welchem Grund der Autor Michael Watzke den Sachverhalt als Adolf-Hitler Gleichnis darstellt, wurde wie folget geantwortet:
„Im Beitrag berichtet unser Landeskorrespondent vom bayerischen Landtagswahlkampf und den Auswirkungen der Causa Aiwanger auf diesen. Dabei schildert er einen Wahlkampf-Auftritt des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder in einem Bierzelt in Landshut und dessen bewußt parodierenden Tonfall bei seiner Rede. Wir bitten um Verständnis, dass wir zu Redaktionsinterna keine Angaben machen.“
CSU: „Aus dem Zusammenhang gerissene Redepassage“
Auch die CSU-Zentrale hatte die Interpretation bereits kritisiert, nach der sich Söder im Landshuter Bierzelt mit einer Hitler-Parodie auf Kosten Aiwangers profiliert haben solle: „Die aus der Bierzeltrede in Landshut gezogenen Vergleiche sind vollkommen abwegig“, zitiert der „Focus“ einen CSU-Sprecher. Und weiter:
Die aus dem Zusammenhang gerissene Redepassage, die mit aktuellen Entwicklungen nichts zu tun hat und seit Längerem unverändert ist, wurde bereits oft in Anwesenheit vieler Journalisten gehalten. Daraus nun historische Vergleiche zu konstruieren, ist absurd und eine bewusste Manipulation.“
Mischt die Presse im Wahlkampf nach ihrem Gusto mit?
Seit einigen Tagen häufen sich die Stimmen, die vor dem Hintergrund der nahenden Landtagswahlen in Bayern die Berichterstattung bestimmter Medien als zu tendenziös bewerten – besonders angesichts der sogenannten „Flugblatt-Affäre“.
Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte mit einem Artikel vom 25. August (Bezahlschranke) den Landes- und Bundeschef der „Freien Wähler“, Söders Koalitionspartner Hubert Aiwanger, in ein schlechtes Licht gerückt. Aiwanger, so der Tenor des SZ-Verdachtsberichts, solle als 17-jähriger Schüler vor 35 Jahren ein „antisemitisches Flugblatt“ verfasst haben, das vor Geschmacklosigkeiten nur so triefte. Als Quelle der Story hatte das Blatt „anonyme Informanten“ genannt.
Kurz nach Erscheinen des Artikels gab sich allerdings Aiwangers älterer Bruder Helmut als Verfasser des Papiers zu erkennen. Sein kleiner Bruder könnte die Zettel damals eingesammelt haben, um zu „deeskalieren“, räumte Helmut ein – genau erinnern könne er sich aber nicht mehr.
Historiker Schlott: „SZ hat der politischen Kultur einen Bärendienst erwiesen“
Der Historiker Dr. René Schlott erklärte dazu im „Deutschlandfunk Kultur“, einer Nebenwelle des DLF, er sei zwar „fassungslos“ über den Inhalt des Flugblatts, aber auch über „das Verhalten der Süddeutschen Zeitung“: Die SZ habe ihre Story über das angebliche Aiwanger-Flugblatt auf dem Titel gebracht, obwohl noch nicht viel über die Hintergründe bekannt gewesen sei. Das habe dann die „üblichen Empörungsrituale ausgelöst“.
Die SZ habe damit der „politischen Kultur in Deutschland einen Bärendienst erwiesen“: Sechs Wochen vor der Wahl sei der Aiwanger-Artikel „Wasser auf die Mühlen“ jener Leute, „die die Presse ohnehin für gesteuert“ hielten. Die letzten fünf Jahre hätten keinerlei Anlass gegeben, zu glauben, dass Aiwanger „ein glühender Antisemit“ sei, gab Schlott zu bedenken. Er gehe deshalb davon aus, dass die ganze Sache „die Reihen hinter Aiwanger noch fester schließen“ werde.
Wolffsohn: „Keine antifaschistischen Helden, sondern Denunzianten“
Auch der Historiker Prof. Michael Wolffsohn nahm Aiwanger in Schutz: Bei den vermeintlichen Zeugen aus der Schulzeit des heutigen Politikers, auf die sich die SZ als Quelle berufen hatte, habe man es „nicht mit antifaschistischen Helden, sondern eher mit Denunzianten zu tun“, erklärte Wolffsohn in der „Bild“. Inzwischen wurde bekannt, dass es wohl ein Lehrer von Aiwangers Gymnasium gewesen war, der die 35 Jahre alte Geschichte an die SZ gemeldet hatte.
Als Jude wehre er sich dagegen, von solchen Leuten „für ihre tagespolitischen Zwecke missbraucht“ zu werden, sagte Wolffsohn. Er vermute hinter der Flugblatt-Affäre den Versuch, eine konservative Partei wie die „Freien Wähler“ (FW) in die Nähe des Nazismus und Antisemitismus zu rücken. Im Fall linker Politiker fände Fehlverhalten aus Jugendzeiten deutlich mehr Nachsicht.
Aiwanger musste vor Söder Rede und Antwort stehen
Die Medienkritik der Historiker und das zwischenzeitliche Schuldeingeständnis des großen Bruders genügten Markus Söder und großen Teilen der Öffentlichkeit aber nicht: Im Gegenteil überzieht seit Tagen noch immer ein Sturm der Empörung den heute 52-jährigen Politiker Hubert Aiwanger, obwohl der seine Autorenschaft sofort bestritten hatte.
Im Lauf des Montags sah sich Söder angesichts der unzähligen an Aiwanger gerichteten Rücktrittsforderungen trotzdem zum Handeln gezwungen: Er bestellte seinen Stellvertreter in den Koalitionsausschuss ein. Nach den Befragungen Aiwangers hinter verschlossenen Türen am Dienstagvormittag steht nun fest: Söder gewährt seinem Stellvertreter die Möglichkeit, 25 Fragen zur Flugblatt-Affäre schriftlich zu beantworten, die nach Ansicht von Söder noch immer offen sind. Von den Antworten wolle er abhängig machen, ob es eine weitere Zusammenarbeit auf Koalitionsebene mit dem Spitzenmann der „Freien Wähler“ geben werde.
Der Bayerische FW-Landeschef, der zugleich Bundesvorsitzende der „Freien Wähler“ ist, habe bereits zugestimmt, sich der Hausaufgabe rasch zu stellen. Außerdem sei Aiwanger „bereit, wenn noch vorhandene Schulakten da sind, sie zu öffnen und damit für maximale Transparenz zu sorgen“, so Söder laut „Bild“.
Wann genau mit Aiwangers Antworten zu rechnen ist, bleibt unklar: Söder hatte keinerlei Nachfragen über irgendwelche Fristen zugelassen.
Aiwanger: „Wir müssen nach vorne schauen“
Hubert Aiwanger äußerte sich bisher ebenfalls nicht zur Frage, wann er die 25 Fragen beantwortet haben wird. Nach Informationen der dpa räumte er am Dienstagabend allerdings ein, „ziemlich unter öffentlichem Druck“ zu stehen, nämlich „unter Angriffen, die wehtun, wenn man mit Dingen konfrontiert wird, die wo über 35 Jahre zurückliegen. Aber ich glaube, wir müssen nach vorne schauen, wir müssen schauen, dass wir dieses Land weiter stabil regieren“.
Auf Druck der Opposition im Bayerischen Landtag soll es nach Agenturangaben voraussichtlich in der kommenden Woche eine Sondersitzung im Parlament geben, um über die sogenannte „Flugblatt-Affäre“ zu sprechen.
Bayernwahl: Eigentor für Söder?
Hat sich Markus Söder damit selbst in eine Sackgasse manövriert? Der Bayerische Ministerpräsident hatte während der Pressekonferenz nach dem Koalitionsausschuss zwar angedeutet, dass es mit dem bisherigen Bündnis auch ohne Hubert Aiwanger weiter gehen könnte, denn Koalitionen hingen schließlich „nicht an einer einzigen Person“.
Doch ob die „Freien Wähler“ überhaupt noch große Lust dazu verspüren, bleibt offen. Immerhin hat am 8. Oktober der Wähler das letzte Wort: Dann wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt.
Briefwahlunterlagen bereits verschickt
Die Briefwahlunterlagen werden je nach Bedarf übrigens seit dem 28. August an die Wähler verschickt, wie unter anderem die „Augsburger Allgemeine“ berichtet hatte. Zwei Tage zuvor war der erste brisante Aiwanger-Artikel in der SZ erschienen.
Söders CSU hätte drei Optionen abseits der „Freien Wähler“, wie ein Blick auf die jüngste Wählerumfrage des Meinungsforschungsinstituts „Civey“ zeigt:
Stand 24. August – also einen Tag vor dem Erscheinen des umstrittenen SZ-Artikels – stellte die CSU zwar mit 38 Prozent klar die stärkste Partei. Falls die „Freien Wähler“ (12 Prozent) nicht mehr zur Verfügung stehen würden, könnte Söder auf die Grünen (15 Prozent), die AfD (13 Prozent) oder die SPD (10 Prozent) zurückgreifen, um eine Mehrheit im Landesparlament zu erreichen.
Flugblatt in Dachau archiviert
Noch ein interessantes Detail zur Flugblatt-Affäre hatte die „Welt“ ausgegraben: Das anonyme Pamphlet war demnach bereits im Schuljahr 1988/89 als Negativbeispiel für den Umgang mit der NS-Zeit in einer preisgekrönten Schülerarbeit aufgetaucht.
Für seinen Aufsatz wurde Roman Serlitzky seinerzeit mit dem zweiten Preis des Schülerwettbewerbs „Deutsche Geschichte“ des Bundespräsidenten ausgezeichnet. Auf das Flugblatt habe ihn damals ein Lehrer aufmerksam gemacht. Serlitzky hatte wie die Gebrüder Aiwanger das Burkhart-Gymnasium in Mallersdorf-Pfaffenberg besucht.
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