Diplom-Kauffrau, China-Expertin, Kanzlerkandidatin: Alice Weidel
Alice Weidel bestreitet mittlerweile ihren dritten Bundestagswahlkampf als Spitzenkandidatin für die AfD. Die ehemalige Stipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung ist laut „Spiegel“ „die Unterschätzte“. Als Person sei sie schwer zu fassen. Im Abiturbuch aus Weidels Abschlussjahrgang soll sie als arrogant abgestempelt worden sein, berichtet ein Mitschüler der taz. Von einem „sehr dominanten Charakter“ und schon damals einem ausgeprägten Karriereinstinkt ist die Rede.
Weidel, die gegenüber „Bild“ die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher als ihr Vorbild bezeichnet hat, ist auf Erfolgskurs. Mit aktuell 20 Prozent Stimmenanteil ist die AfD zweitstärkste politische Kraft Deutschlands nach der Union. Mangels eines koalitionswilligen Partners wird für sie wohl nur die Oppositionsführerschaft herausspringen. Und das auch nur, falls die blaue Partei ihren Vorsprung in der Wählergunst bis zum 23. Februar verteidigen kann.
Gegen den „übergriffigen Staat“
Mit den Worten „Wir wollen nicht geknechtet werden von einem übergriffigen Staat“, fasste Weidel ihre Grundüberzeugung bei ihrer Wahlkampfrede am 16. Januar 2025 im Hamburger Rathaus zusammen.
Dazu gehöre nicht nur die Aufarbeitung der Corona-Zeit mit einem Untersuchungsausschuss, wie ihn Weidel für den Fall versprach, dass die AfD ein Viertel der Sitze im Bundestag gewinnen sollte. Junge Menschen sollten nach Weidels Ansicht auch Familien gründen können, ohne dass dafür beide Elternteile arbeiten gehen müssten.
Im „soliden, deutschen Mittelstand“ der 1980er-Jahre sei das noch möglich gewesen, erinnerte Weidel. Heute aber litten die Bürger unter Kaufkraftschwund, den höchsten Energiepreisen und „den höchsten Abgaben und Steuern in den OECD-Ländern“:
Ich habe die Theorie, dass diese Parteien sich den Staat zur Beute gemacht haben und dass das alles Absicht ist, um uns alle abhängig zu machen.“
Das gelte auch für die Bildungsinstitutionen. Nach Weidels Meinung ist es ein typisches Zeichen für „sozialistische, totalitäre Systeme“, die Strukturen der Familien aufzulösen und Kinder möglichst früh „umerziehen“ zu wollen – derzeit mit dem „ganzen Genderquatsch und Diversity“, wie Weidel sich in Hamburg ausdrückte.
„Remigration“ als Auftrag von „Recht und Gesetz“
Angesichts der jüngsten Silvesterkrawalle betonte Weidel: „Wir haben wirklich genug von den Zuständen in unseren Großstädten.“
Menschen, die andere verletzten oder Wohnungen in Brand steckten, müssten „des Landes verwiesen werden“. Das Wort „Remigration“ bedeute ja „nichts anderes, als Illegale, nicht Aufenthaltsberechtigte und Straftäter abzuschieben und in ihre Heimat zurückzuführen. Das ist Recht und Gesetz“, stellte Weidel klar.
„Tatsächlichen Kriegsflüchtlingen“ solle man besser „vor Ort helfen“, finanziert etwa über die UN-Flüchtlingshilfe (UNHCR). Die deutschen Grenzen aber müssten kontrolliert, gesichert und dichtgemacht, „Illegale“ sofort abgewiesen werden. Es gelte, von Geld- auf Sachleistungen umzustellen und „an alle Welt“ zu kommunizieren: „Hier kommt keiner mehr illegal in unser Land rein.“
Im Fall einer Regierungsverantwortung der AfD werde mit der „Verramschung des deutschen Passes“ ebenfalls „sofort Schluss“ sein, versprach Weidel. Mit der AfD werde Deutschland zudem „nach dem Vorbild der Niederlande und Ungarns“ aus dem EU-Asylsystem aussteigen (Video auf YouTube).
Renaissance der Marktwirtschaft: „Die EU stört nur“
Die AfD werde auch die Verbote von Verbrennermotoren, Öl- und Gasheizungen umgehend aufheben:
Wir wollen Freiheit, wir wollen Marktwirtschaft. Wir wollen, dass jeder Einzelne die Freiheit hat, seine Lebensentscheidung, seine ökonomischen Entscheidungen freiheitlich und ohne staatlichen Zwang und Einmischung zu treffen.“
Weidel hatte sich während ihrer Parteitagsrede in Riesa schon für Technologieoffenheit, für Kern- und Kohlekraft und gegen Windkraftanlagen ausgesprochen (Video auf X). Sobald die AfD „am Ruder“ sei, werde sie die „Windmühlen der Schande“ niederreißen. Auf ihrem X-Kanal stellte sie tags darauf klar, dass es ihr speziell um die Anlagen im hessischen Reinhardswald gegangen sei.
In Hamburg griff Weidel das Thema wieder auf: Das EEG und die CO₂-Steuer seien „reine Luftsteuern, die erfunden wurden, um euch auszunehmen“, meinte die Kanzlerkandidatin.
Es bedürfe stattdessen sinkender Einkommen- und Energiesteuern sowie einer Vereinfachung und Reform der Steuergesetzgebung. „Wir wollen weniger Bürokratie, am besten gar keine“, fuhr Weidel fort. „Wir wollen auch nicht mehr, dass sich die übergriffige Europäische Union in unsere Angelegenheiten einmischt.“
Die EU mit ihren vielen hoch bezahlten Beamten störe nur. Wo die Gemeinschaft Sinn ergeben würde, versage sie: bei der gemeinsamen Grenzsicherung ebenso wie bei der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Dabei könnten heute nur die USA und Russland in der Ukraine Frieden schaffen:
Lassen Sie uns hoffen und beten, dass Donald Trump nach seiner Amtseinführung diesen schrecklichen Krieg beendet.“
Bundeswehr stärken, Verhältnis zu Moskau normalisieren
Nach Ansicht von Weidel besitzt Deutschland derzeit „die wahrscheinlich ineffizienteste Armee der Welt“, wie sie erst Anfang Januar 2025 in einem Interview mit „The American Conservative“ (TAC) zu Protokoll gab. Weidel würde es deshalb begrüßen, wenn 5 Prozent oder mehr des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ins deutsche Militär flössen (Kurzvideo auf X).
Im Verhältnis zu Moskau strebt die AfD dem Entwurf ihres Wahlprogramms (PDF) zufolge ein Ende der Wirtschaftssanktionen an. Die zum großen Teil zerstörten Nord-Stream-Gaspipelines sollen instand gesetzt werden.
Außenpolitisch verfolgt die AfD dem Wahlprogramm zufolge insgesamt „ein interessengeleitetes Verhältnis mit den großen Mächten der Welt, mit China und den USA, genauso wie mit der Russischen Föderation“.
Die Entwicklungshilfegelder in Richtung Peking gehören nach Ansicht der AfD ebenso eingestellt wie jene für Indien oder andere Atommächte.
China- und Finanzexpertin
Alice Elisabeth Weidel, 1979 als jüngste Tochter eines Handelsvertreters in Gütersloh zur Welt gekommen, verbindet eine besondere Beziehung zu China: Nach ihrem Studienabschluss 2004 in Bayreuth und ersten beruflichen Erfahrungen als Analystin bei Goldman Sachs in Frankfurt zog es die Diplom-Kauffrau und -Volkswirtin Mitte der 2000er-Jahre zunächst für ein Jahr nach Japan, dann nach Peking, wo sie laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter anderem bei der Bank of China arbeitete. Dort perfektionierte sie auch ihr Mandarin und erwarb Kenntnisse in traditioneller chinesischer Medizin (TCM).
Parallel dazu entstand ihre Doktorarbeit über das chinesische Rentensystem. Nach deren Abschluss im Jahr 2011 kehrte Weidel nach Frankfurt zurück. Nach zwei Jahren in Diensten der Allianz Global Investors Europa und einem kurzen Engagement für die Fleischhandelsgruppe heristo AG machte sie sich als Unternehmensberaterin selbstständig – eigenen Angaben zufolge mit einem Schwerpunkt auf Start-ups.
Griechenlandkrise als Anlass für Parteieintritt
Im Oktober 2013 trat Weidel erstmals in eine Partei ein – nämlich in den AfD-Landesverband Baden-Württemberg. Nach Angaben des „Haller Kreisblatts“ hatte Weidels Ablehnung der EU-Pläne zur Griechenland-Rettung den Ausschlag gegeben. Mit ihrer Wahl in den Bundesvorstand der AfD im Juli 2015 verlagerte sie ihren Wirkungskreis hauptsächlich in die Politik.
Während es in ihrem Landesverband zunächst weniger gut für Weidel lief, ging es auf Bundesebene rasch nach oben: Gemeinsam mit Alexander Gauland bildete sie vor der Bundestagswahl 2017 die AfD-Wahlkampfdoppelspitze, danach das Duo der Fraktionsvorsitzenden.
Nach ihrer Wahl zu einem der damals drei stellvertretenden Bundessprecher im November 2019 eroberte sie im Februar 2020 doch noch den Vorsitz ihres Landesverbands, bevor sie sich im Mai 2021 neben Chrupalla zum AfD-Spitzenduo für die kommende Bundestagswahl wählen ließ. Seit Juni 2022 bekleiden die beiden nicht nur den Fraktionsvorsitz, sondern bilden auch die Doppelspitze der Partei. Beim Sonderparteitag in Riesa wurde Weidel einstimmig zur ersten Kanzlerkandidatin der AfD überhaupt gewählt.
Wegen ihrer zuweilen aggressiven Wortwahl bei ihren Reden handelt sich Weidel häufig den Vorwurf des Populismus ein. „Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als man in Deutschland noch in einen Supermarkt einkaufen gehen konnte, ohne Angst zu haben, mit einem Messer abgeschlachtet zu werden?“, zitiert die taz Weidel aus dem Wahlkampf 2017. Zuletzt sorgte sie mit ihrer Behauptung für Aufsehen, dass Hitler ein Kommunist gewesen sei. In Hamburg präzisierte sie jüngst, Hitler sei „ein Linker“ gewesen.
Eine Lebensgefährtin in der Schweiz, Ärger wegen Parteispendenaffäre
Nach Angaben des „Südkuriers“ besitzt Weidels Lebenspartnerin, mit der die Politikerin laut „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) nun bereits 15 Jahre zusammen ist, seit 2018 eine Wohnung im schweizerischen Einsiedeln. Zuvor lebte die gebürtige Sri Lankerin mit ihren beiden Söhnen in Biel.
Weidel gebe als ihren eigenen Wohnsitz das Haus ihrer Eltern in Überlingen am Bodensee an, auch wenn sie sich häufig in der Schweiz aufhalte – aus „Sicherheitsgründen“, wie sie laut „Zeit“ (Bezahlschranke) zuweilen erwähnt. Ihr Pendlerleben brachte Weidel immer wieder Ärger ein: Mal stand der Vorwurf von Steuerhinterziehung im Raum, mal der Vorwurf, Haushaltshilfen „schwarz“ beschäftigt zu haben.
Nach einer 2017 aufgedeckten Parteispendenaffäre war nach Angaben von „Legal Tribune Online“ ein Ermittlungsverfahren gegen Weidel im September 2021 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Hintergrund waren mehrere illegale Spenden mit einem Gesamtvolumen von 132.000 Euro auf das Konto von Weidels AfD-Kreisverband. Obwohl die AfD das Geld schon 2018 zurückgezahlt hatte, musste die Partei auf Anweisung der Bundestagsverwaltung fast 400.000 Euro Strafe zahlen.
Vorwurf der Nähe zum Rechtsextremismus
Weidel sieht sich zudem immer wieder Vorwürfen ausgesetzt, nach denen sie sich nicht genügend zu rechtsextremen Kreisen abgrenze, sowohl innerhalb als auch außerhalb von Partei und Bundestag. 2017 verließ sie eine Wahlkampfsendung, als es darum ging, ob sie sich von Gauland und Höcke distanzieren würde.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD Anfang März 2021 als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ eingestuft. Im Mai 2024 entschied das Oberverwaltungsgericht Münster im Berufungsverfahren, dass die BfV-Zuschreibung rechtens sei. Die AfD wehrt sich noch immer juristisch dagegen – bislang allerdings ohne Erfolg. Zudem steht seit Monaten ein Parteiverbotsverfahren im Raum.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion