Entscheidende Tage für die AfD – ein Gerichtsurteil und seine Tragweite

Im März entscheidet das Oberverwaltungsgericht in Münster darüber, ob die AfD weiter als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt werden darf. Die Partei bereitet sich sehr intensiv auf die Verhandlungstage vor. Der Verfassungsschutz arbeitet schon an einem weiteren Schritt gegen die AfD.
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Im März fällt das Oberverwaltungsgericht in Münster ein für die AfD wichtiges Urteil.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 27. Februar 2024

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Der 12. und 13. März werden für die AfD vermutlich entscheidende Tage werden. An diesen Tagen wird das Oberverwaltungsgericht in Münster darüber entscheiden, ob die Gesamtpartei als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft werden darf.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz dürfte dann die Partei nachrichtendienstlich beobachten, bis zum Einsatz von V-Leuten und der Überwachung von E-Mails und Telefonaten. 

Hürden für Verfassungsschutz hoch 

Die Hürden für E-Mail- und Telefonüberwachung liegen allerdings recht hoch. So müssen Anhaltspunkte für schwerwiegende Straftaten wie Hochverrat, geheimdienstliche Agententätigkeit, Bildung einer terroristischen Vereinigung oder Volksverhetzung vorliegen. Alles Delikte mit voraussetzungsreichen Tatbeständen. Diesen Katalog legt das G-10-Gesetz fest, das Eingriffe in die Kommunikation durch deutsche Geheimdienste regelt. Zudem muss eine alternative Informationsbeschaffung aussichtslos oder wesentlich erschwert sein. 

Bei der AfD handelt es sich nicht um eine terroristische Splittergruppe, sondern um eine Partei mit inzwischen über 30.000 Mitgliedern, die nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten ist. Sie ist heute in allen Landtagen, außer in Schleswig-Holstein, im Bundestag und im Europaparlament vertreten. Für die Beobachtung von Parlamentariern sind dem Inlandsgeheimdienst, spätestens nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Beobachtung des Linken-Politikers Bodo Ramelow aus dem Jahr 2013, sehr hohe Hürden gesetzt worden.

Auch bei der Anwerbung von sogenannten V-Leuten, also Zuträger, die dem Dienst gegen Geld Informationen beschaffen, sind dem Verfassungsschutz Grenzen gesetzt. Mitglieder des Europaparlaments, des Bundestages, der Landtage sowie deren Mitarbeiter dürfen nach dem Bundesverfassungsschutzgesetz nicht angeworben werden. Außerdem darf niemand angeworben werden, der steuernden Einfluss auf die Partei ausübt. Das kann spätestens in einem Verbotsverfahren ein Problem werden und sogar zur Verfahrenseinstellung führen, wie das erste NPD-Verbotsverfahren 2001 bis 2003 gezeigt hat. Der Kreis derjenigen, die für den Verfassungsschutz für eine Anwerbung interessant ist, dürfte daher ziemlich klein sein.

Urteil kann Folgen haben 

Der Bundesvorstand der AfD möchte diese Einstufung trotzdem unbedingt verhindern. Vor dem Verwaltungsgericht in Köln war die Partei am 8. März 2022 schon einmal gescheitert. Nach knapp zehnstündiger mündlicher Verhandlung entschied das Gericht, die Klage der AfD gegen die Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall abzuweisen. Es gebe ausreichend tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei, führte das Gericht damals als Begründung aus. Die Partei ging vor das Oberverwaltungsgericht in Münster in Berufung.

Würde das Gericht Mitte März dem Verwaltungsgericht in Köln folgen, dann wären das keine guten Nachrichten für Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die das Parteibuch der AfD haben. Für diese dürfte es zuerst Konsequenzen haben. Zukünftig könnte man eine Einzelfallprüfung durchführen, ob diese im Öffentlichen Dienst verbleiben können. 

Schon im März 2022 hatte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang genau darauf hingewiesen. Im „Morgenmagazin” von ARD und ZDF sagte er damals:


Insofern ist eine Mitgliedschaft in der AfD durchaus kritisch zu sehen, und ich könnte mir vorstellen, dass es jetzt in zahlreichen Fällen Einzelfallprüfungen geben wird, ob diese Personen im Öffentlichen Dienst verbleiben können.”

AfD schöpft alle rechtlichen Mittel aus

In der AfD ist man sich der Tragweite der Entscheidung bewusst. Zuletzt versuchte die Partei im Januar mit einem Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter des 5. Senats, Dr. Gerald Buck, diesen vom Verfahren auszuschließen. Zuvor waren schon einmal zwei Befangenheitsanträge gegen Dr. Buck gescheitert. Grund für den Antrag war die Ablehnung einer weiteren Terminverschiebung des Verfahrens. Ursprünglich sollte die mündliche Verhandlung im Verfahren schon im Februar stattfinden.

Allerdings hatte kurz zuvor das Bundesamt für Verfassungsschutz neue Akten mit über 2.000 Seiten und umfangreichem Videomaterial vorgelegt. Das Gericht verschob daraufhin den Termin auf den März. Der AfD reichte das aber nicht. Sie forderten mindestens sechs Wochen für die Prüfung. Diese Zeit gewährte der Vorsitzende Richter allerdings nicht. 

Die AfD sah darin eine Befangenheit und beantragte die Abberufung des Richters. Das wurde mit Beschluss vom 22. Februar abgelehnt. 

Abfragen eines Migrationshintergrundes 

Dass die AfD das anstehende Verfahren sehr ernst nimmt, zeigt ein Rundschreiben des AfD-Bundesvorstands an „Mitglieder der Landes-, Bezirks- und Kreisvorstände, Abgeordnete im Europäischen Parlament, im Deutschen Bundestag sowie in den Parlamenten der deutschen Bundesländer“. Mit dem Schreiben möchte die AfD einen möglichen Migrationshintergrund Ihrer Mitglieder abfragen. Es liegt der „Berliner Zeitung” vor. 

Grundlage dafür sei die Definition des Statistischen Bundesamts: „‚wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde‘ sowie bei ‚Verehelichung/Verpartnerung mit einem Migranten‘“.

Bei „Einverständnis zur weiteren Verwendung” der Angaben will der AfD-Vorstand die Daten wohl nutzen, „um im Rahmen des Verfahrens gg. das Bundesamt für Verfassungsschutz vor dem Oberverwaltungsgericht Münster mithilfe eines Beweisantrags vorgehen zu können“. Offenbar möchte die AfD mit dieser Maßnahme den migrantischen Hintergrund einiger ihrer Mitstreiter als Entlastungsargument anführen. Damit möchte man offenbar ein grundlegendes Argument der Gerichte aushebeln, das auf den “völkisch-abstammungsmässigen Volksbegriff” abzielt. 

Anfang Februar hatte das Verwaltungsgericht in Köln entschieden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD-Jugendorganisation als gesichert rechtsextremistisch einstufen darf. Begründet wurde das Urteil unter anderem damit, dass die Junge Alternative einen völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff vertrete. Eine zentrale politische Vorstellung der Jugendorganisation sei der Erhalt des deutschen Volkes in seinem ethnischen Bestand und der Ausschluss „ethnisch Fremder“. Dieses Ziel verstoße gegen die Menschenwürde, so das Gericht. Der Artikel 1 des Grundgesetzes umfasse die Gleichheit aller Menschen. Durch rassistisch motivierte Diskriminierung und die Behandlung von Personen als Menschen zweiter Klasse werde dieser Grundsatz beeinträchtigt.

Verfassungsschutz arbeitet schon an nächster Stufe

Sollte das Oberverwaltungsgericht in Münster im März den Argumenten des Verfassungsschutzes folgen und das Führen der Gesamt-AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall bestätigen, dann scheint der Inlandsgeheimdienst schon den nächsten Schritt in Vorbereitung zu haben. Dieser prüft offenbar die Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung”. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (hinter einer Bezahlschranke) unter Berufung auf interne E-Mails und Vermerke des Amtes.

Demnach soll ein neues Gutachten bereits fertig sein. Die Behörde warte lediglich auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster. Erstmals sollen in dem Gutachten neben den bekannten Vorwürfen auch der Punkt „Verhältnis zu Russland“ beleuchtet werden.

Wirklich neue Erkenntnisse zur Radikalität der AfD soll das Gutachten laut der „Süddeutschen Zeitung“ nicht beinhalten. Allein die „Fortsetzung der verfassungsfeindlichen Bestrebung“, die die Behörde bereits beobachtet hatte, würden für eine zur Einstufung als „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ notwendigen „Verdichtung“ der Hinweise ausreichen.



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