„Zweite Änderung des Transplantationsgesetzes“ seit 1. April in Kraft: Regierung rechnet künftig mit erhöhtem Organbedarf
Eine heiße Diskussion ist zum Thema Organspende in Gang. Muss sich jeder klar zur Organspende bekennen oder können jedem Organe entnommen werden, der sich nicht als Organspender gemeldet hat? Während die Politiker über diese Frage debattieren, ist am 1. April eine Regelung in Kraft getreten, die allen kranken Patienten, die in Deutschland auf der Warteliste stehen, einen schnelleren Zugang zu einem Spenderorgan nachhaltig ermöglichen soll. Es handelt sich um die „zweite Änderung des Transplantationsgesetzes“ .
Ziel ist es „die Anzahl der Organspender in Deutschland nachhaltig zu erhöhen“, steht auf Seite 25 des Gesetzentwurfes.
Denn nach Auffassung der Bundesregierung „ist zu erwarten, dass mit dem steigenden Lebensalter der Bevölkerung auch immer mehr Menschen auf die Wartelisten für ein postmortal gespendetes Organ aufgenommen werden, weil sie wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung ein Organ benötigen“, so die Begründung auf Seite 25 im 41-seitigen Gesetzentwurf zum zweiten Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes.
Aufgrund der Annahme der Bundesregierung, dass immer mehr Menschen „wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung ein Organ benötigen“, stimmten die Abgeordneten für eine gesetzliche Regelung, die in erster Linie darauf gerichtet ist, Spenderorange zu beschaffen und Organempfänger zu stärken. Dazu zählt auch die Vergütung der sogenannten „Entnahmekrankenhäuser“, unter die jede Klinik mit Intensivstation fällt. Im Gesetzentwurf heißt es:
Wenn der Prozess der Organspende in den Entnahmekrankenhäusern nicht angemessen finanziell entlohnt wird, bedeutet dies für die Entnahmekrankenhäuser ein signifikantes Hindernis, mögliche Organspender zu erkennen, zu melden und den Prozess der Organspende durchzuführen.“
Was sich hinter den neuen Regelungen des Transplantationsgesetztes verbirgt, erzählt Renate Greinert in einem Gespräch mit Epoch Times. Sie ist die Vorstandsvorsitzende der Initiative Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V. (KAO). Seitdem sie ihren Sohn vor 33 Jahren nach einem Unfall als Organspender freigegeben hat, beschäftigt sie sich mit dem Thema Hirntod und Organspende. Renate Greinert setzt sich mit dem Verein KAO für die Rechte der für hirntot erklärten Patienten ein und informiert umfassend über den Unterschied zwischen Hirntod und Tod. Sie sagt:
Aktuell sind es rund 10.000 Patientinnen und Patienten, die in Deutschland auf ein Spenderorgan warten. Das sind weniger als 0,012 % der deutschen Bevölkerung. Und von diesen Patienten sind mehr als zwei Drittel Menschen, die auf eine Nierenspende warten.“
Nierenspenden sind sogenannte Lebendspenden. Ein Mensch kann eine Niere spenden und gleichzeitig weiterleben. Wenn ein Patient für hirntot erklärt wird, können hingegen alle lebenswichtigen Organe gespendet werden. Doch was bedeutet das für den hirntoten Spender genau?
Hirntote werden am Sterben gehindert
„Dass Hirntote nicht tot sind, wissen nur die wenigsten Menschen“, so Greinert. Lediglich drei Prozent der menschlichen Funktion ist nicht mehr messbar. 97 Prozent eines Menschen funktionieren noch.
„Ein Hirntoter wird sogar am Sterben gehindert. Wenn er nicht mehr beatmet werden würde, dann würde er sterben“, klärt die KAO-Vorsitzende auf.
Am Anfang der Transplantationsmedizin habe man von gerade verstorbenen Patienten Organe übertragen. Doch das habe nicht funktioniert. Die Organe eines Hirntoten bekämen besondere Aufmerksamkeit, bevor sie entnommen würden. Das nenne man organprotektive Maßnahmen.
Sobald organprotektive Maßnahmen eingeleitet werden, gilt die Behandlung des Patienten seinen Organen. Die vom Gesetzgeber beauftragte Koordinationsstelle zur Organspende ist die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), eine privatrechtliche Einrichtung. In ihrem „Leitfaden für die Organspende“ heißt es im Abschnit 6.2: „Die nachstehenden Zielgrößen sollten während der organprotektiven Intensivmaßnahmen angestrebt und überwacht werden…“ Aufgeführt sind im Weiteren medizinische Werte, wie etwa Herzfrequenz, Körpertemperatur und mehr.
„Der Patient muss weiterleben, damit die Organe verwendet werden können. Der Patient wird beatmet und damit im Leben gehalten. Einen wirklich Toten kann man nicht mehr beamten, nur aufblasen. Ärzte definieren diesen Zustand als „Hirntod“, obwohl der Mensch lebt, und eröffnen damit die Option, dass der Patient als Organspender in Betracht kommt. Denn man kann nur vitale, gut durchblutete Organe übertragen“, so die Vorstandsvorsitzende von KAO.
Die neuen Rechte des Transplantationsbeauftragten
Grund für die geringe Anzahl der Organspender, die im Jahr 2017 bei 797 lag, sieht die Regierung nicht etwa in der Tatsache, dass Menschen sich gegen die Organspende verwehren. Auf Seite 1 des Gesetzentwurfes heißt es: „Zunehmende Arbeitsverdichtung im klinischen Alltag auf den Intensivstationen und die fehlende Routine können dazu führen, dass die Gemeinschaftsaufgabe Organspende nicht wahrgenommen wird oder wahrgenommen werden kann.“
Dabei wurden bereits vor sieben Jahren durch den Gesetzgeber wesentliche Aufgaben im Prozess der Organspende an sogenannte Transplantationsbeauftragte übertragen. In dem Video vom 23.03.2019 „Die Debatte“ live: Organe gesucht – Was tun, wenn Niere, Leber und Herz knapp werden?“ klärt Dr. Axel Rahmel (Zeitmarke 1:08:30 ff) darüber auf, dass der Transplantationsbeauftragte den Hirntod feststellen darf. Dr. Rahmel ist medizinischer Vorstand der DSO, der gesetzlich beauftragten Koordinationsstelle.
Mit der zweiten Änderung des Transplantationsgesetzes, die am 1. April 2019 in Kraft getreten ist, wurden „die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen in den Entnahmekrankenhäusern beziehungsweise für die Entnahmekrankenhäuser geschaffen, um die Organspendezahlen nachhaltig zu erhöhen.“ (Seite 1 des Gesetzesentwurfes)
Der Transplantationsbeauftragte erhält durch das Gesetz uneingeschränkten Zugang zu den Intensivstationen und darüber hinaus alle erforderlichen Informationen des Spenders zur Auswertung des Spenderpotentials. Er ist hinzuziehen, „wenn Patientinnen und Patienten nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommen“. Damit sichergestellt wird, dass in jedem Entnahmekrankenhaus zu jeder Zeit der Hirntod festgestellt werden kann, soll eine Rufbereitschaft eingeführt werden.
Mit der Streichung der Formulierung „nach § 3 oder § 4“ wird klargestellt, dass das Vorliegen der Einwilligung des potentiellen Organspenders nach § 3 Transplantationsgesetz (TPG) oder der Zustimmung der Personen nach § 4 TPG weder Voraussetzung für die ärztliche Beurteilung, ob ein Patient als Organspender in Betracht kommt, noch für die Meldung an die Koordinierungsstelle“, so Renate Greinert.
Krankenhäuser sind rechenschaftspflichtig
Dabei betont sie nochmals, dass die Koordinationsstelle DSO eine privatrechtliche Einrichtung ist.
Die Krankenakten aller Patienten mit primären und sekundären Hirnverletzungen sollen daraufhin ausgewertet werden, ob eine Organspende möglich gewesen wäre. Das heißt, die Entnahmekrankenhäuser werden rechenschaftspflichtig und unterliegen der Kontrolle der DSO“, warnt Renate Greinert.
Wie kann es sein, dass ein Arzt, der nicht auf der Station für das Wohl eines Patienten zuständig ist, Zugang zu diesem und seiner Patientenakten bekommt? Das stehe im krassen Widerspruch zu allen Patientenrechten. Eine informierte Zustimmung, die von jedem medizinischen Eingriff gefordert wird, sei nicht vorgesehen, so Greinert weiter.
Nach diesem Gesetz müsse an allen Patienten mit Verdacht auf Hirntod zwingend eine Hirntoddiagnostik durchgeführt werden ohne vorherige Klärung ob eine Zustimmung zur Organspende überhaupt in Betracht kommt“, betont die Vereinsvorsitzende.
Patientenrechte in Gefahr
Dabei ist eine Hirntoddiagnostik für Patienten, die ihre Organe nicht spenden wollen, nicht erforderlich und kontraindiziert. Der zwingend für die Diagnostik vorgeschriebene Apnoetest kann sogar das Ergebnis produzieren, was die Mediziner erst nachweisen wollen, den Hirntod. Zudem werden dem potentiellen Organspender notwendige Schmerzmittel vorenthalten, da sie einen Hirntod vortäuschen könnten. Schmerzmittel wirken auf das Gehirn, das dadurch gedämpft wird. Dabei braucht der Patient beispielsweise bei einer Hirnschwellung dringend Schmerzmittel, damit die Hirnschwellung abklingt.
Die Hirndtoddiagnostik nützt nicht diesem Patienten, kann ihm sogar immens schaden, sondern dient Dritten, den potentiellen Organempfängern und vor allem der dahinterstehenden Transplantationsindustrie“, so Renate Greinert.
Sie sieht in der gesetzlichen Handlungsweise eine „Übergriffigkeit an wehrlosen Patienten, die nicht hinnehmbar ist und im Widerspruch zum Grundgesetz und anderen gesetzlich verankerten Rechten“ steht.
Bundestagsabgeordnete beschließen Gesetz
„Der ungehinderte Zugriff des Transplantationsbeauftragten auf alle Krankenakten untergräbt bereits heute das Vertrauen der Bevölkerung in die Medizin und den Staat, der dies per Gesetz ermöglicht“, hieß es in einem Schreiben von Greinert.
Dieses verfasste die Initiative KAO zur Wahrung der Patientenrechte und schickte es am 7. Januar 2019 an alle Bundestagsabgeordneten. In ihrem Schreiben bat sie die Abgeordneten darum, die Rechte des wehrlosen Patienten auf der Intensivstation zu bewahren. In dem Schreiben heißt es auch:
Es sei wichtig, dass der Transplantationsbeauftragte auf der Intensivstation klar erkennbar sei und dass medizinischen Maßnahmen der Behandlung des Patienten gelten, und nicht seinen Organen. Nur so können ein Hirnversagen verhindernde Maßnahmen ergriffen werden.“
Eine Antwort von den Bundestagsabgeordneten blieb aus. Stattdessen wurde diese zweite Änderung des Transplantationsgesetzes beschlossen und wird nun schrittweise umgesetzt.
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