Zweifel und Zustimmung: Politisches Echo auf Haushaltskompromiss

Nach einer nächtlichen Marathonsitzung haben sich SPD, Grüne und FDP auf einen Haushaltskompromiss geeinigt. Während SPD und Grüne Teilerfolge feiern, darunter eine Erhöhung des Kindergeldes und Investitionen in die Digitalisierung von Schulen, kritisieren CDU und CSU den Kompromiss als unzureichend. Die AfD äußert Zweifel an der finanziellen Solidität des Haushalts.
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Die Ampel hat sich auf den Haushalt geeint: Scholz demonstrierte Zuversicht. Bei Wirtschaft und Opposition bleiben Zweifel.Foto: RALF HIRSCHBERGER/AFP via Getty Images
Von 5. Juli 2024

Die ganze Nacht haben die Spitzen von SPD, Grüne und FDP beraten, bis sie sich am Morgen auf einen Haushalt geeinigt haben. Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) dürften nach dem nächtlichen Marathon müder gewesen sein als die Abgeordneten ihrer jeweiligen Fraktionen, denen sie gleich am Morgen um 7 Uhr entgegentraten. Die Fraktionen der SPD und der Grünen hatten eine Fraktionssitzung in ihren Fraktionsräumlichkeiten angesetzt, während die FDP zeitgleich digital über das Ergebnis der vergangenen Nacht berieten. Die Einigung im wochenlang schwellenden Haushaltsstreit ist da – so viel war am Freitagmorgen schon durchgedrungen. 

Schnell wurde aber auch deutlich, dass jede Partei in der Regierungskoalition auch Federn lassen musste. Die Sozialdemokraten mussten aus dem Mund von Bundeskanzler Scholz hören, dass für die Etats Verteidigung und Entwicklungszusammenarbeit nicht die Mittel bewilligt wurden, die Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ursprünglich beantragt hatten. 

Schuldenbremse an FDP gescheitert

Im kommenden Jahr darf der Verteidigungsminister, so die Einigung der Ampel, 1,25 Milliarden Euro mehr ausgeben. Vor den langwierigen Verhandlungen hatte Pistorius 6,7 Milliarden Euro mehr gefordert. Schulze hatte knapp 12,2 Milliarden Euro in den Verhandlungen eingefordert, was dem Haushaltsansatz von 2023 entspreche. Diese Forderung wies Lindner allerdings schon im Mai zurück. Laut der damals öffentlich gewordenen Finanzplanung, von der unter anderem die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, wollte Lindner den Etat von Schulze auf 10,3 Milliarden Euro absenken. Auf welchen Betrag man sich nun am Ende geeinigt hat, blieb bei der Pressekonferenz am Mittag offen. Klar ist aber, dass die Entwicklungshilfe im Haushaltsentwurf gekürzt wurde.

Über einige Erfolge können sich die SPD-Genossen dann doch freuen: Eine Erhöhung des Kindergeldes ist geplant, ebenso wie Mittel für die Digitalisierung von Schulen sowie Investitionen in die Schiene und Straßen. In dieser Hinsicht sind die Sozialdemokraten vorerst zufrieden. Sie hätten jedoch lieber einen Notfall ausgerufen, die Schuldenbremse gekippt und mit den Krediten dann die Unterstützung für die Ukraine finanziert. Das war allerdings mit der FDP nicht zu machen. Immer wieder hatten sich die Liberalen für eine Beibehaltung der Schuldenbremse ausgesprochen.

Grüne: Haushalt wird Lage im Land nicht gerecht

Die grüne Co-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte nach der Fraktionssitzung laut der Nachrichtenagentur dpa: „Gerade im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit und auch der humanitären Hilfe wird aus unserer Sicht der Haushalt nicht der Lage im Land gerecht.“ Man habe allerdings eine Flexibilisierung ausgehandelt. Das bedeutet, dass noch Spielraum besteht, besonders wenn sich die außenpolitische Situation, insbesondere in der Ukraine, weiter verschärft.

Die Liberalen sind zufrieden, dass vorerst die Schuldenbremse eingehalten wurde und keine Ausnahmen beschlossen wurden. Eine Diskussion über eine Reform der Schuldenbremse konnten sie vorerst abwenden. 

Besonders erfreut sind sie über ein sogenanntes Wachstumspaket, das zur Ankurbelung der Wirtschaft gedacht ist. Die Bezeichnungen für dieses Paket variierten zwischen den Parteien – von einem „Wirtschaftswendepaket“ der FDP bis zum „Dynamisierungspaket“ bei der SPD. Der Beschluss sieht nun Erleichterungen für die Wirtschaft vor, jedoch keine umfangreichen Milliardenförderungen.

Burgfrieden einer erschöpften Koalition

Kritik am Haushaltskompromiss kam aus der Opposition. CDU-Chef Friedrich Merz machte auf einer Pressekonferenz am Freitag deutlich, dass er mit der Haushaltseinigung der Koalitionsspitzen „unzufrieden“ sei. Es handle sich lediglich um den „Burgfrieden einer erschöpften Koalition für wenige Tage“, so der CDU-Chef. Bei der jetzt anstehenden Ausarbeitung der Etatpläne im Detail werde es neue Konflikte in der „Ampel“ geben, sagte Merz voraus. „Dann geht der Streit erst richtig los.“

Der Chef der größten Oppositionspartei hob hervor, dass der Bund mit dem jetzt anvisierten Nachtragshaushalt und dem Etatentwurf 2025 knapp 100 Milliarden Euro Schulden in zwei Jahren aufnehme – und dies bei Einhaltung der Vorgaben der Schuldenbremse. „Das zeigt, dass es gut ist, dass es wenigstens diese Schuldenbremse gibt“, sagte er. Ohne diese Vorgaben wäre der Bund bei der Neuverschuldung „leicht beim Doppelten“.

Der „große Verlierer“ der Haushaltspläne sei die Bundeswehr, so Merz. Der anvisierte Zuwachs im Wehretat von 1,25 Milliarden Euro decke noch nicht einmal die steigenden Kosten bei Personal und Betriebskosten. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der sich einen deutlich höheren Zuwachs gewünscht hatte, sei abermals von der Regierung „düpiert“ worden. Pistorius arbeite „offenbar ohne Rückendeckung des Kanzlers“, sagte der CDU-Chef. Das werfe Fragen nach der Glaubwürdigkeit des Ministers auf.

Misslungenes Dilettantenstück

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte die Haushaltspläne der Koalitionsspitzen als „misslungenes Dilettantenstück“. Was die Ampelspitzen vorgelegt hätten, sei „kein Haushaltsentwurf, sondern ein Haushaltsfragment“. Die Einigung könne zu einem „Zündfunken für den nächsten explodierenden Haushaltsstreit in der Koalition“ werden, sagte Dobrindt.

Der Präsident des Münchner ifo Instituts, Clemens Fuest, lobte, wie dpa berichtet, die von der Bundesregierung geplante Wachstumsinitiative als Schritt in die richtige Richtung, betonte jedoch die Notwendigkeit weiterer Reformen. Der Ökonom hob hervor, dass das Paket zwar positive Effekte habe, aber auch auf langfristige Investitionen ausgerichtet sein solle, um die Wirtschaftsleistung langfristig zu steigern. 

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm begrüßte gegenüber dpa die Haushaltseinigung der Bundesregierung und unterstützte spezifische Maßnahmen wie die Senkung der Stromsteuer und Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. Sie warnte jedoch vor Anreizen für arbeitende Rentner, die möglicherweise zu früherem Ruhestand führen könnten und die Rentenversicherung belasten würden.

Viel auf Kante genäht

Auch der Wirtschaftsrat der CDU e.V. sieht den Haushaltskompromiss der Ampel ambivalent. Positiv sei die Einhaltung der Schuldenbremse, jedoch kritisiert der Verein die fehlende Priorisierung bei den Ausgaben. Insbesondere der Bedarf eines Nachtragshaushalts für das Bürgergeld zeige den Reformbedarf in der Sozialausgabenpolitik auf. 

Die FDP und Bundesfinanzminister Lindner wurden für die Verteidigung der Schuldenbremse vom Wirtschaftsrat der CDU gelobt. Die Behauptung, die Schuldenbremse führe zu einem Sparhaushalt, sei widerlegt, da trotz hoher Neuverschuldung keine Sparpolitik erkennbar sei. 

Wie gegensätzlich die Sichtweisen innerhalb der Ampel bleiben, würde daran deutlich, dass das „Rumoren innerhalb der Fraktionen noch immer kein Ende gefunden“ habe, so der Wirtschaftsrat. Es sei zu viel auf Kante genäht, heißt es. Ebenso kritisieren selbst die eigenen Abgeordneten Schönrechnerei und das Verwenden haushaltstechnischer Tricksereien. Die Einigung war noch nicht einmal offiziell vorgestellt, da hätten die Fraktionen von SPD und Grüne die Ergebnisse bereits relativiert und unter den Vorbehalt der parlamentarischen Beratungen gestellt, so der Wirtschaftsrat weiter. Auch das Ziehen der Notfallklausel im Verlauf der Haushaltsberatungen werde weiterhin ganz bewusst in den Raum gestellt. „Nach dem Streit bleibt also absehbar vor dem Streit“, so der Wirtschaftsrat. 

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte nach der Fraktionssitzung gegenüber dem ARD-„Hauptstadtstudio“ gesagt, dass die Schuldenbremse aus seiner Sicht noch nicht vom Tisch sei. Es seien „eine Menge Kunstgriffe nötig“ gewesen, um die Milliardenlücke im Bundeshaushalt 2025 zu schließen. Er behalte sich vor, über einen Notlagenbeschluss eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu ermöglichen.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr sieht anders als Mützenich für eine Aussetzung der Schuldenbremse keinen Spielraum. Deutschland sei nun auf dem Kurs einer soliden Finanzpolitik. Es sei kein Geheimnis, dass die FDP im politischen Raum „hier und da oftmals alleine“ dastehe. In der Öffentlichkeit sei das anders, sagte Dürr: „Die weite Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet die Schuldenbremse, und deswegen ist es der Auftrag der FDP, das auch in Regierungsverantwortung umzusetzen.“

Der K.O. ist nur verschoben worden

CSU-Chef Markus Söder betrachtet den Durchbruch der Ampelkoalition beim Haushalt 2025 nicht als ausreichend für einen grundlegenden Wandel in Deutschland. In Berlin sagte der bayerische Ministerpräsident laut dem „Bayerischen Rundfunk“, die Ampel habe sich „noch mal zusammen gerappelt, um eine Einigung zu finden“. Söder glaubt allerdings nicht, dass das reicht. „Der K.O. ist nur verschoben worden.“

Es fehle der Ampelregierung eine langfristige Perspektive, die sich nicht nur in Teilmaßnahmen zeige, „sondern durch eine gemeinsam getragene Philosophie“, sagte Söder. Für eine grundlegende Wende brauche es eben mehr. Die Union werde sich jetzt die Verhandlungsergebnisse im Detail genau ansehen.

Die Koalition wollte die Bürger mit einer frohen Botschaft in die Sommerpause schicken, aber es bleiben viele offene Fragen, sagt der stellvertretende Bundessprecher der AfD, Peter Boehringer. „Die Haushaltsberatungen im Herbst werden zeigen, ob dieser Haushalt seriös durchfinanziert ist“, so der AfD-Politiker. Daran habe er seine Zweifel. „Die Einigung kam unter erheblichem Druck zustande“, sagte er weiter, „nachdem die Ampel monatelang ratlos und zerstritten war.“ 

Man wisse nicht, wo die Regierung die erforderlichen Einsparungen hergenommen habe. „Es gab viele Äußerungen und vor allem Aussagen, wo man nicht sparen will.“ Zudem müssten Einsparungen in Milliardenhöhe noch konkretisiert werden. „Es besteht die Gefahr, dass Posten wie das explodierende Bürgergeld auch für 2025 noch nicht unter Kontrolle sind“, warnt Boehringer. „Womöglich ignoriert man solche Risiken auch einfach und rechnet sich den Haushalt auf diese Weise schön“, vermutet der AfD-Vize.



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