Zweifel an wissenschaftlicher Studie zu Toten an der DDR-Grenze
Anderthalb Jahre nach Erscheinen einer großangelegten Studie zur Zahl der Mauertoten haben Journalisten des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) die Methodik kritisiert und eine Korrektur der Angaben nahegelegt. Die Autoren hätten bei ihrer Arbeit „sogar Täter zu Opfern gemacht“, hieß es in einem am Dienstag ausgestrahlten Bericht des Senders. Er berief sich auf eigene Recherchen. Demnach zählte die Untersuchung auch Offiziere der DDR-Grenztruppen, die Suizid begingen, zu den Opfern.
Forscher der Freien Universität Berlin hatten ihre mit Geldern von Bund und Ländern geförderte Untersuchung im Juni vorigen Jahres vorgestellt. Bei dieser handelte es sich ausdrücklich nicht um eine Aufstellung von bei Fluchtversuchen erschossenen Menschen, sondern um eine Zählung aller Todesfälle im Kontext des sogenannten DDR-Grenzregimes entlang der innerdeutschen Grenze in den Jahren 1949 bis 1989.
Wie die Verfasser damals darlegten, listeten sie für ihre viel beachtete 684 Seiten starke Analyse verschiedene Kategorien von Opfern auf, die sich auf eine Zahl von 327 addierten. Dazu zählten auch 44 „Selbsttötungen von Grenzpolizisten und Grenzsoldaten mit dienstlichem Hintergrund“, 21 „Todesfälle im kausalen Zusammenhang des DDR-Grenzregimes“ und 24 „Todesfälle in Ausübung des DDR-Grenzdiensts“, hieß es damals.
Somit flossen unter anderem Grenzer in die Aufstellung ein, die von desertierenden Kameraden oder irrtümlich von anderen Grenzern erschossen wurden. Berücksichtigt wurden demnach auch Suizide, bei denen laut Einschätzung der Studienverfasser Hinweise auf eine Verbindung „mit dem dienstlichen Alltag und den damit verbundenen Zwangslagen und Gewissensnöten von jungen DDR-Bürgern“ vorlagen.
Der RBB bezweifelt nach eigenen Angaben nun rund 50 „Opferfälle“. Der Sender verwies dabei unter anderem auf den Fall eines Majors, der sich 1988 nach einem Dienstgespräch erschoss. Dieser werde in der Studie zum „Todesopfer des DDR-Grenzregimes“, obwohl er „Täter war“. Darüber hinaus habe der Mann auch ein Alkoholproblem gehabt.
Die von dem Sender kontaktierten Verfasser der Studie verteidigten ihre Arbeit. Die Ergebnisse seien formuliert worden „nach guten Denken und Überlegen, wie wir mit solchen Biografien umgehen“, sagte der Politikwissenschaftler Jochen Staadt. Ein Vertreter der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft warf den Forscher laut RBB hingegen Manipulation und unwissenschaftliches Arbeiten vor.
(afp)
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