Zwei Tage im Amt, zwei Entlassungen – so geht es weiter mit dem Finanzministerium unter Kukies

Nach dem vorzeitigen Ende der Ampelkoalition stehen im Bundesfinanzministerium große personelle Veränderungen an. Zwei enge Lindner-Vertraute müssen das Ministerium verlassen. Minister Kukies stellt sein Team neu auf und bereitet die finanzpolitischen Weichen für die Übergangszeit bis zu den Neuwahlen vor.
Titelbild
Der neue Finanzminister Jörg Kukies.Foto: Odd Andersen/AFP via Getty Images
Von 9. November 2024

Das vorzeitige Aus für die Ampel im Bund hat nun auch personelle Konsequenzen im Bundesfinanzministerium. Wie das „Handelsblatt“ berichtete, müssen mit dem entlassenen Minister Christian Lindner auch zwei seiner engsten Vertrauten gehen. Nachfolger Jörg Kukies wird Haushaltsstaatssekretär Wolf Reuter und Steffen Saebisch zeitnah ersetzen – für Reuter steht mit Steffen Meyer auch schon ein Nachfolger fest.

Reuter hatte erst im Dezember des Vorjahres auf Veranlassung Lindners sein Amt angetreten. Er ersetzte den zuvor seit 2005 als Staatssekretär tätigen Werner Gatzer. Dessen Entlassung galt als Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse vor knapp einem Jahr. Karlsruhe hatte der Ampel attestiert, diese durch eine rückwirkende Umwidmung von Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro aus dem Corona-Sonderfonds umgangen zu haben.

Meyer soll Kapitalmarktunion voranbringen

Noch vor seiner Entlassung hatte Gatzer im Auftrag Lindners eine Haushaltssperre verordnet. Sein Nachfolger Wolf Reuter hatte dem Rat der sogenannten Wirtschaftsweisen vier Jahre lang als Generalsekretär gedient. Im Jahr 2022 wechselte er in die Grundsatzabteilung. In der Haushaltspolitik standen sowohl er als auch Gatzer für die „schwarze Null“. Nun soll die Haushaltssperre vorerst ein Ende finden.

Steffen Meyer wiederum ist – wie auch Jörg Kukies selbst – seit Jahren ein enger und langjähriger Vertrauter des Kanzlers. Zu seinen Schwerpunkten gehört die europäische Kapitalmarktunion, für die er bereits zuvor versucht hatte, Impulse zu geben. Zuletzt hatten Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Sommer einen Vorstoß für ein sogenanntes europäisches Sparprodukt unternommen.

Der neue Finanzminister Jörg Kukies (l.), Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (M.) und Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag. Foto: Sean Gallup/Getty Images

Auf diesem Wege soll mehr privates Kapital für zentrale politische Vorhaben der EU mobilisiert werden. Außerdem will man den zunehmenden Abfluss privaten Kapitals in die USA stoppen. Ein Konzept dazu hatte auch Ex-Minister Lindner präsentiert. Allerdings gilt der Spielraum als eng. Es wären 27 unterschiedliche Kapitalmarktordnungen zu harmonisieren – und selbst dann müsste Anlegern erst ein erkennbarer Mehrwert gegenüber Anlagen in bereits jetzt auf dem Markt verfügbaren Titeln geboten werden.

Zwei von Lindner eingestellte Staatssekretäre dürfen bleiben

Saebisch hatte vor seinem Wechsel in die Bundespolitik im Dezember 2021 zwölf Jahre lang in Hessen als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium gedient. Von Oktober 2014 bis zum Eintritt in das Ampelteam war er auch Hauptgeschäftsführer der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Zuletzt koordinierte er die FDP-geführten Ministerien. Über den Zeitpunkt seines Ausscheidens wird jedoch erst entschieden, sobald ein Nachfolger feststeht.

Anders als die eng an die politische Agenda der Liberalen angebundenen Lindner-Vertrauten Reuter und Saebisch sollen andere Staatssekretäre auf ihren Posten verbleiben. So will Jörg Kukies weiterhin auf Europastaatssekretär Heiko Thoms zurückgreifen. Der frühere Konsul in Teheran und Büroleiter von Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Kabinett Merkel II ist seit April 2023 Staatssekretär. Er soll weiter an der Kapitalmarktunion oder der Finanzierung internationaler Klimaprojekte arbeiten.

Im Amt bleiben wird auch Luise Hölscher. Die Steuerexpertin ist CDU-Mitglied. Sie war von 2013 bis 2017 bereits auf Landesebene Staatssekretärin im hessischen Finanzministerium. Vor ihrem Wechsel ins Bundesfinanzministerium im Januar 2022 übte sie leitende oder beratende Funktionen bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), bei der Boston Consulting Group und bei der SRH Holding SdbR aus.

Die Schließung der sogenannten Lindner-Lücke

Kukies soll mit seinem personell umstrukturierten Team nun einen weiteren Stillstand auf Regierungsebene der kommenden Wochen verhindern. Die SPD hofft dabei auch auf Unterstützung aus der Union.

Eine besondere Priorität wird dabei der Schließung der sogenannten Lindner-Lücke von 11 Milliarden Euro zukommen. Diese war im ursprünglichen Haushaltsentwurf über eine „globale Minderausgabe“ abgebildet worden. Der für einen solchen Posten verhältnismäßig hohe Betrag sollte durch Einsparungen auf Ebene der Ministerien und einige Kunstgriffe abgedeckt werden.

Bislang wählte man beispielsweise den Weg über eine Eigenkapitalerhöhung der Bundesbahn, um einen Teil des Fehlbetrags abzudecken. Jetzt sollen auch eingesparte Subventionen mobilisiert werden. Zehn Milliarden Euro waren für die Unterstützung der Ansiedlung des Halbleiterkonzerns Intel in Magdeburg vorgesehen. Der Konzern legte sein Engagement jedoch bis auf Weiteres auf Eis. Kukies möchte diese Mittel nun zum Stopfen von Haushaltslöchern nutzen.

Heil wirft Lindner „ideologische Maximalforderungen“ vor

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil appelliert bereits jetzt an das staatspolitische Verantwortungsbewusstsein der Union. Unter anderem gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“ beklagte er „ideologische Maximalpositionen“ Lindners und äußerte:

„Verantwortung tragen in der Demokratie nicht nur die Abgeordneten aus Regierungsfraktionen, sondern auch die aus Oppositionsfraktionen.“

Die Sozialdemokraten hoffen, zumindest noch für einige zentrale Vorhaben im Bundestag eine Mehrheit organisieren zu können, bis dieser neu gewählt wird. Dazu gehören das von der FDP zuletzt blockierte Rentenpaket, ein Wirtschaftspaket, die geplante Erhöhung beim Kindergeld und steuerliche Entlastungen. Zuletzt forderte die SPD auch eine Ausnahme von der Schuldenbremse, um die Ukraine-Finanzierung ausweiten zu können.

Union: „Kein Vertrauen mehr in kaputte Ampel“

Im Gegenzug deutet man in der SPD an, der Union bezüglich des Termins der Neuwahlen entgegenkommen zu wollen. Diese will nicht erst bis März warten, ehe die Bürger an die Urnen schreiten können. Kanzler Scholz hat die Vertrauensfrage erst für 15. Januar angekündigt.

Die Union winkt bisher ab. Man habe kein Vertrauen in die „kaputte Ampel“, erklärte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt argwöhnt mit Blick auf den Terminplan des Kanzlers auf dem Weg zu Neuwahlen:

„Dabei kommt sofort der Verdacht auf, dass er wieder irgendwas zu tricksen versucht.“

Gleichzeitig kommen aus den Reihen des Bundeswahlleiters Bedenken bezüglich einer zu frühen Ansetzung von Neuwahlen. Bundeswahlleiterin Ruth Brand fordert, den 60-Tage-Zeitraum zwischen Auflösung des Bundestages und Neuwahlen voll auszuschöpfen, um Chaos zu vermeiden. In einem Brief an den Kanzler warnte sie, eine Verkürzung des Zeitraums könne zu „unwägbaren Risiken auf allen Ebenen“ beitragen.



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