„Zwei-plus-Vier-Vertrag“ infrage gestellt? Pistorius wird neues Hauptquartier für NATO in Rostock einweihen

Russland gehört zu den Ostsee-Anrainerstaaten. Das Binnengewässer ist auch für mehrere NATO-Staaten, inklusive Deutschland, aufgrund der dort verlegten kritischen Infrastruktur ein wichtiger Ort. Nun soll ein Hauptquartier für die NATO von Rostock aus den Ostseeraum schützen. Doch dies könnte Vereinbarungen aus dem „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ infrage stellen.
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Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (r.) und Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer.Foto: Adam Berry/Getty Images
Von 15. Oktober 2024

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In Deutschland könnte sich mit der Einweihung des neuen Marine-Hauptquartiers „Commander Task Force Baltic“ für die NATO für den Ostseeraum in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) eine Verschärfung der deutsch-russischen Beziehungen anbahnen.

Am Montag, 21. Oktober, werden Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und der Bundeswehr-Generalinspekteur, Carsten Breuer, den Standort des „Commander Task Force Baltic“ (CTF Baltic) offiziell einweihen. Es fungiert als nationales Führungsquartier mit multinationaler Beteiligung unter einem deutschen Konteradmiral. Seine Stellvertreter kommen aus Polen und Schweden, berichtet der NDR.

Die NATO hat in der Anpassung ihrer Führungsstruktur seit 2017 unter anderem auch die Aufstellung von ständigen maritimen Hauptquartieren auf der sogenannten obersten taktischen Ebene entschieden, heißt es dazu in einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums.

Diese Entwicklung könnte eine Zäsur für die friedliche Annäherung zwischen Russland und dem Westen nach dem Ende des Kalten Krieges, eingeleitet mit der Unterzeichnung des „Zwei-plus-Vier-Vertrages“, der Deutschland seine Souveränität zurückbrachte, und dem bis 1994 vollzogenen Totalabzug des Sowjet-Militärs aus Deutschland (380.000 Soldaten) darstellen.

Bereits im März 2018, also vor dem Ukraine-Krieg, der 2022 begann, gab es erste Medienberichte, die titelten: „Rostock wird NATO-Hauptquartier”.

Im Januar 2019 erklärte der damalige Marineinspekteur Andreas Krause in seiner Eröffnungsrede zur Indienststellung eines neuen Bundeswehr-Marinestabes in Rostock, dass „der Nordatlantik und die Nordflanke” der NATO, inklusive der Ostsee, erst in den vergangenen Jahren „überhaupt wieder potenzielle Operationsgebiete für die Deutsche Marine geworden” seien.

Die BRD habe vor 1990 von der militärischen Rückendeckung der NATO-Partner profitiert. Nun wolle die Deutsche Marine „Verantwortung” für die neuen NATO-Partner im Nordosten und die weiteren verbündeten Ostseeanrainer übernehmen.

Foto: Screenshot der Webseite des Bundesministeriums für Verteidigung vom 17.10.2024, 11:08 Uhr (https://www.bmvg.de/de/presse/pistorius-weiht-maritimes-hauptquartier-fuer-nato-ein-5848000)

Konzentrierung der Marinekräfte in Rostock

Dabei fanden Schritt für Schritt seit Anfang der 2000er ein Aufbau und eine Konzentration von Bundeswehr-Marinekräften in Rostock in ehemaligen Einrichtungen der Nationalen Volksarmee der DDR statt.

So ist seit dem Jahr 2006 in Rostock-Warnemünde das 1. Korvettengeschwader der Marine mit den entsprechenden Kriegsschiffen für den Ostseeraum stationiert.

Ab 2012 wurden die bestehenden Führungsstrukturen der deutschen Seestreitkräfte in Norddeutschland im neuen Marinekommando in Rostock zusammengezogen.

Im Jahr 2019 wurden schließlich auch die Einsatzstäbe der Bundeswehrmarine in Kiel und Wilhelmshaven mit dem bereits in Rostock vorhandenen Stab zum DEU MARFOR (NATO-Abkürzung für German Maritime Forces Staff) zusammengeführt.

Dieser nationale militärische Führungs- und Einsatzstab mit multinationalem Anteil plant und führt nicht nur kleinere Einsätze der Deutschen Marine, sondern auch größere multinationale maritime Manöver und Operationen mit EU- und NATO-Bündnispartnern aus EU.

NATO oder EU können NATO-Hauptquartier aktivieren

In Krisenzeiten können NATO oder die EU den Stab als maritimes Hauptquartier aktivieren, um multinationale Flottenverbände samt U-Booten, Kampfflugzeugen und -hubschrauber zu befehligen. Dies kann in einer festen Infrastruktur an Land oder aber an Bord von deutschen oder verbündeten Kriegsschiffen erfolgen.

Kernaufgabe ist dabei die Landes- und Bündnisverteidigung in Form des Schutzes der NATO-Nordflanke samt der Kontrolle über die Ostsee.

Von den 100 Dienstposten umfassenden DEU MARFOR-Stab sind 25 mit Austausch- und Verbindungsoffizieren aus Partnerstaaten besetzt. Es beinhaltet zudem ein dauerhaftes Marine-Kommando aus Marineoffizieren von NATO-Staaten unter dem Namen Baltic Maritime Component Command (BMCC). Sie sollen unter anderem aus Dänemark, Schweden, Finnland, Polen und den baltischen Staaten kommen.

Das BMCC ist Teil des CTF Baltic das neben deutschen Soldaten noch Soldaten aus elf weiteren Nationen beinhaltet. Insgesamt können laut Verteidigungsministerium 60 multinationale Dienstposten von 180 im CTF Baltic bereits in Friedenszeiten besetzt werden. Im Krisen- und Konfliktfall kann der Stab auf bis zu 240 Dienstposten aufwachsen.

Aktuell ist geplant zunächst 26 Stellen mit Personal aus Partnerstaaten zu besetzen.

Bundeswehr besitzt eigene Werft in Rostock

Das BMCC soll in Rostock ab 2025 Marineoperationen in der Ostsee, aber auch entlang der gesamten NATO-Nordflanke und darüber hinaus führen können.

In Rostock-Warnemünde besitzt die Marine der Bundeswehr seit August 2022 erstmalig eine eigene Werft, die sie für 87 Millionen Euro erwarb. Das eigens für die DEU MARFOR errichtete Gebäude kostete 66 Millionen Euro.

Das unter DEU MARFOR als Kommandoführung im September 2019 durchgeführte NATO-Seemanöver Baltic Coasts, das seit 2007 jährlich stattfindet, machte deutlich, dass es im Kern um die Abwendung einer möglichen Bedrohung durch Russland geht.

Geübt wurde damals eine militärische Reaktion der NATO auf die fiktive Besetzung einer Ostseeinsel durch einen Staat (Russland) und damit eine Bedrohung der Seewege in der Ostsee.

Zwei-plus-Vier-Vertrag

Mit dem in Moskau am 12. September 1990 unterzeichneten „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ wurde unter anderem festgelegt, dass zwar gesamtdeutsche Truppen zukünftig der NATO angehören können, aber keine ausländischen Streitkräfte auf ostdeutschem Gebiet stationiert werden dürfen.

Der Vertrag wurde ausgehandelt und unterzeichnet zwischen den beiden deutschen Staaten BRD und DDR und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges – den USA, der Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien.

Wörtlich heißt es im Artikel 5 unter Abschnitt 3: „Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands [Gebiet der damaligen DDR] weder stationiert noch dorthin verlegt.“

Abzug der russischen Soldaten nach Wiedervereinigung

Der Vertrag gilt als „Friedensvertrag“, der für Deutschland seine innere und äußere Souveränität des vereinten Deutschlands wiederherstellte.

Im Artikel 7 Abschnitt 1 heißt es, dass alle Siegermächte „ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes“ beenden.

„Als Ergebnis werden die entsprechenden, damit zusammenhängenden vierseitigen Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken beendet und alle entsprechenden Einrichtungen der Vier Mächte aufgelöst.“

Während die Sowjetunion und danach die Russische Föderation alle ihre militärischen Einrichtungen in der ehemaligen DDR räumte und ihr gesamtes dort stationiertes Militär abzog, gibt es aufgrund von NATO-Abkommen und anderen Verträgen weiter Militärkräfte anderer Staaten in Deutschland.

Im Juni 2023 erklärte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag, dass im Jahr 2022 insgesamt 38.000 US-Soldaten in Deutschland dauerhaft stationiert waren. Dazu kamen 94 Soldaten aus Belgien, 156 aus Kanada, 458 aus Großbritannien sowie jeweils 576 aus Frankreich und den Niederlanden.

Basis für ihr dauerhaftes Aufenthaltsrecht auf deutschem Staatsgebiet ist der „Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland“ vom 23. Oktober 1954. Daneben gibt es noch temporär in Deutschland stationierte Soldaten aus dem Ausland.

BND: Russland könnte schon bald NATO angreifen

Erst diese Woche warnte der Bundesnachrichtendienst vor einer weiteren Aufrüstung Russlands, die sich direkt gegen Deutschland oder die NATO richten könnte, wie Epoch Times berichtete.

Der Kreml sehe die Bundesrepublik als Gegner, sagte BND-Präsident Kahl in einer Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, heißt es dort.

Dem russischen Präsidenten Putin gehe es nicht um die Ukraine, sondern darum, eine neue Weltordnung zu schaffen, wird der BND-Chef dort zitiert.

Laut Kahl dürften die russischen Streitkräfte spätestens im Jahr 2030 in der Lage sein, einen Angriff auf die NATO durchzuführen, heißt es.



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