Zwang als legitimes Mittel gegen „singuläre Krisen“: Prof. Heinz Bude verteidigt Corona-Maßnahmen
Der Soziologe Prof. Dr. Heinz Bude hat während einer Podiumsdiskussion in Graz zur Aufarbeitung der Corona-Krise eine dystopische Zukunft für Deutschland vorhergesagt. Dabei plauderte er nach eigenen Worten „aus dem Nähkästchen“ seiner frühen Erfahrungen aus der COVID-19-Task-Force des Bundesinnenministeriums (BMI), die im März 2020 auf Anweisung Horst Seehofers (CSU) von seinem Staatssekretär Markus Kerber ins Leben gerufen worden war.
„Wir mussten […] ein Modell finden, um Folgebereitschaft herzustellen“, erklärte Bude seine damalige Aufgabe. Dieses Modell sollte „so’n bisschen wissenschaftsähnlich“ sein. Daraufhin sei man in der Gruppe auf die „Formel ‚Flatten the Curve‘“ („Die Kurve abflachen!“) gekommen: Den Kniff, auf diese Weise an die Bereitschaft der Menschen zu appellieren, sich „diszipliniert“ zu verhalten, hätten die Task-Force-Mitarbeiter „irgendwie toll“ gefunden. Den Slogan selbst habe man „von einem Wissenschaftsjournalisten“ „geklaut“.
Bude sieht Zwang als legitimes Mittel
„Meiner Ansicht nach laufen wir auf wieder singuläre Krisen absehbar hinaus in unserer gesellschaftlichen Entwicklung“, erklärte Bude weiter. Diese Krisen hätten „den Charakter“ von Extremwetterereignissen, Pandemien und Kriegen und träten „vermehrt“ auf: „Auch Europa wird in mittlerer Frist wieder Kriege haben“, sagte Bude voraus. Insofern müsse man überlegen, „welche Art von Vorratsreflexion sozialwissenschaftlicher Art“ man brauche, um „auf diese absehbare Herausforderung, die vor uns steht“, reagieren zu können (Video auf „YouTube“).
Die Antwort hatte der frühere Inhaber des Kasseler Lehrstuhls für Makrosoziologie bereits kurz zuvor selbst gegeben: Krisen wie die skizzierten würden seiner Ansicht nach „individuelle Verhaltensänderungen verlangen“, wenn man ihnen „als Gesellschaft in kollektiver Handlungsfähigkeit standhalten“ wolle.
Singuläre Krisen, die ich vor Augen sehe, werden damit zu tun haben, dass man auf individuelles Verhalten zugreifen muss.“ (Prof. Dr. Heinz Bude, Graz, 24. Januar 2024)
Als Beispiel wählte Bude „Extremwetterereignisse“, bei denen Leute aus ihren Häusern „evakuiert“ werden müssten. In derartigen Fällen werde man „Zwang ausüben müssen auf Leute, die sagen, ‚ich hab‘ aber andere Informationen, ich lasse mich hier nicht evakuieren‘“. Nach Budes Meinung handele es sich in so einem Fall um „legitimen Zwang“.
„Folgebereitschaft“ mit Angstbotschaften herstellen
Demzufolge stelle sich für ihn die Frage, wie man einen solchen Zwang „in einer modernen, liberalen Gesellschaft“ durchsetzen könne: „Muss man da nicht hinterrücks ganz furchtbare Dinge wie Angstkommunikation, also sozialpsychologische Dinge benutzen, um solche Arten von Folgebereitschaften zur Veränderung von individuellem Verhalten vorzunehmen?“
Daphne Hruby, ORF-Mitarbeiterin und Moderatorin der Gesprächsrunde, stellte sichtlich überrascht die Frage, wer denn dafür zuständig sein solle, über die „Legitimation und Verhältnismäßigkeit“ von Zwangsmaßnahmen zu entscheiden. Budes Antwort: „Erst mal darüber nachdenken“. Als Hruby nachhakte, war Budes Replik kaum zu verstehen, weil er sein Handmikrofon beiseitegelegt hatte („YouTube“).
Mitautor des BMI-Papiers „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“
Blickt man noch einmal zurück auf die Arbeit der COVID-19-Task-Force, in der Bude die Rolle des Experten für Soziologie ausfüllte. Das Gremium hatte dafür zu sorgen, dass möglichst wenige Menschen es wagen würden, die Corona-Zwangsmaßnahmen der Bundesregierung infrage zu stellen.
Wie Bude in Graz bestätigte, gehörten neben dem Volkswirt Michael Hüther vorwiegend „Rechtsmenschen“ und „Management-Leute“, aber kein einziger Virologe zur Task-Force. Er selbst sei persönlich von BMI-Staatssekretär Kerber angerufen worden, weil dieser einen Soziologen haben wollte, „der die Pandemie als Totalereignis überhaupt konzeptionell in den Griff kriegen“ könne.
In kurzer Zeit entstand das bekannte BMI-Strategiepapier „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“ (PDF-Datei), mit dem die Task-Force – laut „Welt“ abermals auf Wunsch von Kerber – eine möglichst starke Schockwirkung erzielen und Todesangst in den Köpfen der Menschen verankern sollte. Wie sich erst im Frühjahr 2022 herausstellte, hatte der österreichische Germanistik-Doktorand Otto Kölbl, Mao-Bewunderer und gelegentlicher Auftragnehmer der Kommunistischen Partei Chinas, zentrale Teile zum „Panik-Papier“ beigesteuert.
Nach Informationen des Onlineportals „FragdenStaat.de“ gehörten insgesamt acht Männer zum Autorenteam des Strategiepapiers:
- Prof. Dr. Heinz Bude, Universität Kassel
- Otto Kölbl, Universität Lausanne
- Prof. Dr. Michael Hüther, Institut der Wirtschaft Köln
- Prof. Dr. Boris Augurzky, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
- Dr. Hubertus Bardt, Institut der Wirtschaft Köln
- Roland Döhrn, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
- Dr. Maximilian Mayer, The University of Nottingham China (UNNC)
- Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph M. Schmidt, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
Corona – ein Fehlalarm?
Im Mai 2020 verfasste der BMI-Oberregierungsrat Stephan Kohn eine eigene Schaden-Nutzen-Analyse der Corona-Politik. Auf 83 Seiten kam der Beamte, der beim BMI für das Referat „Schutz kritischer Infrastrukturen“ arbeitete, zu dem Schluss, dass sein Ministerium mit seinem Corona-Krisenmanagement einen „Fehlalarm“ ausgelöst hätte (PDF-Datei). Kohn wurde sofort suspendiert und erhielt Hausverbot bei seinem Dienstherren.
Auch Bode wollte in Graz von einem Corona-Fehlalarm im März 2020 nichts wissen. Er äußerte vielmehr sein Erstaunen darüber, wie viele Menschen sich den Regeln widersetzt hatten. Inzwischen aber, so Bude, habe er gelernt, dass er damals drei Dinge unterschätzt habe:
Erstens habe er nicht erwartet, dass so viele Menschen ihre individuellen Freiheitsrechte durch das „soziale Wohlfahrtsrecht“ Gesundheit „ausgehebelt“ sehen würden. Zweitens habe er das Dilemma zwischen Selbstwirksamkeit und „sozialer Resonanz“ unterschätzt. Und drittens habe er den „Irrsinn“ der Leute unterschätzt. Deren „Einbildungskraft“ habe letztlich zu einer „Zunahme des Rechtspopulismus“, zur „Systemskepsis“ und zur „Systemfeindschaft“ geführt, die heute in „allen westlichen Gesellschaften“ zu beobachten seien. Nun stelle sich für ihn die Frage: „Was macht man mit dem Irrsinn der Leute?“ (Video circa ab Minute 5:34 auf „YouTube“).
Wenig Verständnis für Individualisten
Bude hatte schon früher keinen Hehl aus seiner Verständnislosigkeit gegenüber störrischen Maßnahmenkritikern gemacht. In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ vom November 2021 etwa unterstellte er Impfskeptikern, in Wahrheit gar keine Angst vor der Spritze zu haben: „Die meisten testen doch eher ihre Vetokraft aus, weil sie das System insgesamt für verdorben halten.“ Im gleichen Interview betonte er die „Staatsbedürftigkeit der Gesellschaft“.
Eine eigene Verantwortung für die Folgen der Corona-Politik lehnte er schon damals ab:
Die Bilder aus Bergamo haben seinerzeit keinen Zweifel daran gelassen, wie ernst die Lage ist und dass gehandelt werden muss. Wir haben nur einen Vorschlag unterbreitet, was zu tun ist.“
Die freie Journalistin Aya Velázquez veröffentlichte bereits im August 2022 einen umfangreichen Artikel über Bude. Darin attestierte sie dem „No-COVID“-Aktivisten eine „verstörende Rhetorik“. Bude äußerte sich in einem Interview vom 7. Dezember 2021 wie folgt:
Impfgegner müssen fühlbare Nachteile haben. Und im Grunde, in gewisser Weise, kann man sich nicht länger mit denen beschäftigen. Das ist so. Die kann man nicht nach Madagaskar verfrachten.“
Task-Force war sich schnell einig
Während der Podiumsrunde in Graz hob Bude insbesondere auf die schwierigen Umstände ab, denen die COVID-19-Task-Force des BMI im März 2020 ausgesetzt gewesen sei: Man habe nur zehn Tage Zeit gehabt, „das Corona-Kabinett mit einem Ratschlag zu versorgen“. Außer „Blaupausen aus Taiwan, Südkorea und China“, früheren Erfahrungen mit SARS oder Cholera und „Daten über die Verfügbarkeit von Intensivbetten“ hätten wenig Anhaltspunkte vorgelegen, an denen sich das Team hätte orientieren können.
Dennoch sei dem Gremium von Anfang an klar gewesen, dass man nicht auf die Krankenhäuser habe hoffen können. Insofern sei man sich schnell einig gewesen, dass man aufs Abstandhalten, auf die Isolation von Infizierten, aufs Testen und auf Nachverfolgung setzen würde. Statt wie Schweden auf das Modell „natürliche Selektion“ zurückzugreifen, habe die Gruppe also insgesamt eine „gezielte Eindämmung“ wie in Österreich favorisiert. Das Thema Übersterblichkeit sei „kein Kriterium“ gewesen.
Dass man generell „Kulturfragen aus dem Spiel“ herauslassen wollte, sei ebenfalls früh Konsens gewesen. Die „wirtschaftlichen Konsequenzen von Lockdowns“ aber stets im Blick, habe das Gremium beschlossen, „den industriellen Stock zu schützen und die Kommunikationswissenschaft […] im Grunde zu schwächen, Wirtschaft, Restaurationsbetriebe usw. usw.“ (Video circa ab Minute 29:42 auf „YouTube“).
Im Juli 2022 legte die ehrenamtliche „Evaluationskommission“ gemäß Paragraf 5 (9) IfSG ihren mit Spannung erwarteten Bericht über die „Evaluation der Rechtsgrundlagen und Maßnahmen der Pandemiepolitik“ vor (PDF-Datei). Kommissionsmitglied Prof. Werner Bergholz kritisierte im Anschluss weit mehr als nur fehlende oder mangelhafte Daten.
Die Podiumsdiskussion mit Prof. Heinz Bude fand unter dem Titel „Gesellschaft im Ausnahmezustand – Was lernen wir aus der Corona-Krise?“ schon am 24. Januar 2024 an der Universität Graz statt. Der Videomitschnitt in voller Länge fand aber in Deutschland erst vor ein paar Tagen seinen Weg in die sozialen Netzwerke.
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