Zuwanderung, Klimaschutz, Sozialstaat: Deutsche Wählerschaften driften rasant auseinander
In Deutschland zeichnet sich eine zunehmende Polarisierung des politischen Raums ab, wie eine aktuelle Studie mit dem Titel „Wachsende Unterschiede zwischen Wählerschaften“ der Konrad-Adenauer-Stiftung nahelegt. Die Ergebnisse der Studie basieren nach Angaben der Stiftung auf fünf repräsentativen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts USUMA, die im Zeitraum zwischen 2020 und 2024 durchgeführt wurden. Befragungsschwerpunkt waren dabei die Themen Zuwanderung, Klimaschutz und Sozialstaat.
„So ist es wenig überraschend, dass die Anhängerschaften der Parteien sich in Sozialstaats-, Zuwanderungs- oder Klimafragen räumlich unterscheiden. Das war schon immer so“, schreiben die Macher der Studie.
Dennoch ergäben sich mit „Blick auf das gesellschaftliche Meinungsklima und Verschiebungen im Parteiensystem“ neue Fragen: Haben sich die Distanzen zwischen den Parteianhängerschaften vergrößert? Gibt es Hinweise auf eine zunehmende Polarisierung? Wo sortiert sich die Wählerschaft der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in diesem politischen Raum ein?
Deutliche Verschiebung beim Thema Klimaschutz
Wie die Studie nachweist, haben die Unterschiede in den politischen Einstellungen zwischen den Anhängern der unterschiedlichen Parteien in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Vor allem bei den Themen Zuwanderung, Klimaschutz und Sozialstaat ist eine kontinuierliche Verschiebung der gesellschaftlichen Mitte zu beobachten.
Die deutlichste Verschiebung hat dabei laut der Studie beim Thema Klimaschutz stattgefunden. Während 2020 der Klimaschutz noch hoch im Kurs stand, hat sich bis 2024 die Haltung der Deutschen dazu merklich in Richtung einer ausgewogeneren Sichtweise verschoben, die Klimaschutz und Wirtschaftswachstum stärker abwägt.
Diese Entwicklung zeigt sich parteiübergreifend, wobei insbesondere die Anhänger von SPD, CDU/CSU und AfD ähnliche Trends aufweisen. Eine besonders starke Veränderung ist jedoch bei der AfD zu beobachten: Die Kluft zwischen den Positionen der AfD und der Grünen zum Klimaschutz ist größer geworden. 2020 lagen die Meinungen noch relativ nah beieinander, doch bis 2024 hat sich die Differenz deutlich vergrößert, was die politische Polarisierung in dieser Frage verschärft.
Interessanterweise haben Veränderungen in der Parteizugehörigkeit auch die durchschnittlichen Einstellungen innerhalb der Parteien beeinflusst. Viele ehemalige FDP-Wähler, die eher konservative Ansichten zum Klimaschutz hatten, sind zur Union gewechselt, wodurch die verbleibenden FDP-Wähler nun eine progressivere Haltung einnehmen. Ähnliches ist bei der Linken zu sehen, wo die Partei durch den Verlust gemäßigter Wähler indessen stärker linksorientierte Positionen vertritt.
Die Studie zeigt auch, dass in den Reihen von AfD und BSW viele das Gefühl haben, sich den Klimaschutz finanziell nicht leisten zu können. Diese Ansicht wird besonders deutlich, wenn man die hohe Zahl derer betrachtet, die angeben, im Alltag finanzielle Einschränkungen zu erleben. Diese wirtschaftlichen Sorgen sind bei diesen Gruppen wesentlich ausgeprägter als im Durchschnitt der Bevölkerung.
Zuwanderung polarisiert zunehmend
Auch beim Thema Zuwanderung hat sich das Meinungsklima deutlich gewandelt. Während die Gesellschaft 2020 noch eine tendenziell offene Haltung zur Migration einnahm, neigt sie im Jahr 2024 zu einer restriktiveren Ansicht. Diese Entwicklung wird auch dadurch deutlich, dass das Thema Migration seit Oktober 2023 wieder als das wichtigste politische Problem in Umfragen eingestuft wird.
Bei den politischen Parteien in Deutschland sieht man deutliche Unterschiede in ihren Einstellungen zur Zuwanderung. Die CDU/CSU hat ihre Meinung etwas verschärft. Sie war 2020 noch moderater, hat sich aber bis 2024 zu einer strengeren Haltung bewegt. Die SPD hat ihre Einstellung kaum geändert und bleibt relativ offen für Zuwanderung.
Zwischen diesen beiden großen Parteien ist der Unterschied in der Einstellung zur Zuwanderung größer geworden. Was früher nur ein kleiner Unterschied war, ist jetzt deutlicher zu sehen. Die AfD hat ihre sehr strenge Haltung zur Zuwanderung beibehalten und ist sogar noch strikter geworden.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht positioniert sich zwischen der CDU/CSU und der AfD. Es nimmt eine mittlere Position ein und versucht, Wähler aus beiden Lagern anzusprechen.
Distanz zunehmend größer geworden
Seit 2020 haben sich ebenfalls die Einstellungen der Deutschen zum Sozialstaat deutlich verändert und polarisiert. Wie die Studie zeigt, ist die Distanz zwischen den Anhängern verschiedener Parteien, insbesondere zwischen den Anhängern der AfD und der Grünen, zunehmend größer geworden. Das hat laut der Studie der Adenauer-Stiftung dazu geführt, dass die Wähler weniger bereit sind, zwischen den Parteien zu wechseln. Die Gründe für diese Polarisierung liegen in den unterschiedlichen Meinungen darüber, ob der Sozialstaat ausgebaut werden soll, was höhere Steuern bedeuten würde, oder ob er zurückgebaut werden soll, um die Steuerlast zu verringern.
Die anfängliche leichte Präferenz aller Wahlberechtigten für einen Ausbau des Sozialstaats im Jahr 2020 (durchschnittlicher Wert: 4,7) hat sich in den letzten Jahren zu einer ausgewogenen Haltung entwickelt (2024: 5,0). Im Jahr 2023 zeigte sich sogar kurzzeitig eine Tendenz zu geringeren sozialstaatlichen Leistungen (5,2), was auf eine leichte Verschiebung in den gesellschaftlichen Einstellungen hindeutet.
Im zeitlichen Verlauf hat sich das Spektrum der Parteianhängerschaften zunehmend aufgefächert. Während die Distanz zwischen den Anhängern von Linken/Grünen und der AfD im Jahr 2020 noch 2,5 Punkte betrug, ist sie bis 2024 auf 4 Punkte angestiegen. Diese wachsende Polarisierung ist auch zwischen den großen Volksparteien SPD und CDU/CSU zu beobachten, wo sich der Abstand von 0,4 auf 1,7 Punkte vergrößert hat. Insgesamt verdeutlicht dies, dass die Wählerschaften sich weiter differenziert haben und die politischen Einstellungen innerhalb der Parteianhängerschaften homogener geworden sind, wodurch der „Sprung“ zu einer anderen Partei nun größer erscheint.
Für die Wähler des BSW gibt es zwar noch keine kontinuierliche Zeitreihe, jedoch zeigt sich eine interessante Momentaufnahme: Die BSW-Wählerschaft hat sich 2020 noch sehr nah am Gesamtdurchschnitt bewegt und sich inzwischen leicht davon distanziert (2024: 4,8). Diese Gruppe konnte insbesondere Stimmen von der Linken, der SPD, der CDU sowie aus dem Lager der Nichtwähler gewinnen, wobei vor allem Wähler von der Linken abwanderten, die weniger typische linke Positionen, etwa in der Sozialpolitik, vertreten. Das erklärt den deutlichen Zuwachs der Linken-Wählerschaft und die nun mittigere Positionierung des BSW, die sich genau zwischen den Positionen von Union und SPD befindet und von beiden Seiten Zulauf erhalten hat.
Gedämpfte Hoffnungen im Kampf um AfD-Wähler
Die Studie dämpft aber auch die Hoffnung, zur AfD abgewanderte Wähler wieder für die Parteien der politischen Mitte zurückgewinnen zu können.
Der starke Zulauf zur AfD habe nicht für eine insgesamt moderatere AfD-Wählerschaft gesorgt, heißt es in der Studie. „Trotz steigender Umfragewerte sind die Positionierungen der AfD-Wählerschaft im Durchschnitt noch weiter nach rechts gewandert beziehungsweise verharren beim Themenbereich Zuwanderung in der bekannten Extremposition.“ Das erschwere auch den Wechsel der AfD-Wähler zu „moderaten“ Parteien.
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