Zur „Entlastung für die arbeitende Mitte“: SPD will Vermögensteuer zurückbringen

Ein Jahr vor der Bundestagswahl holt die SPD ein längst abgeschafftes Instrument wieder hervor: die Vermögensteuer. Damit will sie die „arbeitende Mitte“ entlasten und die Spitzenverdiener stärker belasten. Der Vorstoß stößt sowohl innerhalb der Ampel als auch bei Experten auf Widerstand.
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Wie auch schon in mehreren Wahlkämpfen zuvor will die SPD mit der Wiedereinführung der Vermögensteuer punkten.Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Von 16. Oktober 2024

Ein Jahr vor der Bundestagswahl liegt die Kanzlerpartei SPD in den meisten Umfragen weiterhin nur auf Platz 3. Zusätzlich zum Rückstand auf Union und AfD verliert man auch Stimmen an das BSW, das ähnliche sozialpolitische Forderungen aufstellt – nur ohne Waffen für die Ukraine. In der Hoffnung, damit bei der „arbeitenden Mitte“ an Street Credibility zu gewinnen, bringen die Sozialdemokraten erneut einen nicht ganz so neuen Vorschlag auf den Tisch: die 1997 abgeschaffte Vermögensteuer.

SPD will Vermögensteuer zusätzlich zu höherem Spitzensteuersatz und Reform der Schuldenbremse

Dem Vorschlag zufolge, den die SPD am Wochenende bei einer Klausurtagung in Berlin erörtert hatte, sollen künftig 95 Prozent der Steuerzahler weniger Einkommensteuer bezahlen. Davon sollen vor allem arbeitende Familien profitieren. Im Gegenzug soll es höhere Belastungen für Spitzenverdiener und besonders Vermögende geben.

Fraktionsvize Achim Post, der nicht mehr für den Bundestag kandidieren will, sprach gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) von einer höheren Einkommensteuer für „allerhöchste Einkünfte“. Dazu soll es eine „gerechte Erbschaftssteuer“, eine „grundlegende Reform der Schuldenregeln“, aber auch eine „neue Vermögensteuer“ geben.

Wie hoch diese ausfallen soll, erläuterte Post noch nicht. Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 war jedoch von einem „maßvollen, einheitlichen Steuersatz von einem Prozent für sehr hohe Vermögen“ die Rede. Um Fehlsteuerungen zu vermeiden, solle es hohe persönliche Freibeträge geben und die Substanz von Betrieben von der Steuer verschont bleiben. Parteichefin Saskia Esken spricht zudem von einer stärkeren Einkommensbesteuerung bei Monatsverdiensten ab 15.000 Euro.

BSW und Linke hatten ähnliche Gedanken

Neben der SPD hatte sich bereits im Umfeld seiner Gründung das Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW) für eine Vermögensteuer bei den „Superreichen“ ausgesprochen. Dessen Schatzmeister Ralph Suikat, selbst millionenschwerer Unternehmer, ist sogar Gründer der Kampagne „Tax Me Now“, in der Reiche ihre eigene hohe Besteuerung fordern.

Die Linkspartei fordert eine „Milliardärssteuer“ von 12 Prozent auf Vermögen von mehr als einer Milliarde Euro. „Niemand benötigt Milliarden Euro – und niemand hat sie allein durch eigene Leistung verdient“, äußert Noch-Parteichefin Janine Wissler gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“. Ziel sei eine „gerechte Umverteilung“ und „langfristig die Abschaffung der Milliardäre und Milliardärinnen“.

Die Befürworter einer solchen Maßnahme berufen sich unter anderem auf Umfragen. Diesen zufolge würden 62 Prozent der befragten Bundesbürger die Wiedereinführung der Vermögensteuer begrüßen. Zur Debatte stand eine Abgabe auf Vermögen bereits ab einer Million Euro. Das entspräche in Zeiten der Teuerung zumindest in einigen Gebieten des Landes bereits dem Wert eines größeren Einfamilienhauses plus Grundstück.

Idee der SPD ohne Vertrauensvorschuss durch das Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hatte 1995 hingegen die damals geltende Vermögensteuer für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin wurde sie 1997 ausgesetzt und seither auch in abgewandelter Fassung nicht mehr in Kraft gesetzt.

Die Richter in Karlsruhe hatten damals eine unterschiedliche Behandlung von Immobilienvermögen und sonstigen Vermögens als gleichheitswidrig gerügt. Zudem dürfe die gesamte Steuerbelastung aus Einkommensteuer und Vermögensteuer 50 Prozent nicht überschreiten.

Derzeit gibt es in Deutschland dem „Manager Magazin“ zufolge gerade einmal 249 Milliardäre. Dies entspreche einem Plus von 23 gegenüber dem Jahr zuvor. Der Linkspartei zufolge verfügten die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung über 60 Prozent des Vermögens im Land. Die gesamte untere Hälfte käme zusammen nicht einmal auf ein Prozent. Die SPÖ war vor wenigen Wochen im Nationalratswahlkampf in Österreich mit der Vermögensteuer als zentraler Forderung aufgetreten. Unter den Wählern war das Echo eher verhalten.

Mehr Ungleichheit als Folge der Anlagestrategien

Der sogenannte Gini-Koeffizient, der die Vermögensungleichheit in einem Gemeinwesen zum Ausdruck bringt, ist mit 0,761 verhältnismäßig hoch. Der Wert liegt zwischen 0 und 1, je höher er ist, umso ungleicher ist die Verteilung der Vermögen. Die Haushaltseinkommen als solche seien bei einem Gini-Koeffizienten von 0,292 hingegen verhältnismäßig gleich verteilt.

Außerdem hat sich die Ungleichheit zwischen 2009 und 2021 einer Bundesbank-Studie zufolge leicht verringert. Auch ist das mittlere Nettovermögen pro Haushalt von 51.000 Euro auf 74.000 Euro angestiegen. Insgesamt hat es demnach in allen Einkommensgruppen Zuwächse gegeben, allerdings in den reichsten Haushalten überdurchschnittlich.

Dass das Vermögen unterschiedlich schnell steigt, hat nach Einschätzung der Bundesbank auch mit einem unterschiedlichen Anlageverhalten zu tun. Bei weniger wohlhabenden Haushalten dominierten liquide und risikoarme Anlagen als Puffer für unerwartete Ausgaben. Demgegenüber investierten reichere Haushalte langfristiger und diversifizierter – in Wertpapiere, Immobilien, Beteiligungen oder Betriebsvermögen. Höhere Summen erzielten dadurch eine höhere Rendite.

DIW: Vermögensteuer würde Durchschnittsverdiener um 100 Euro jährlich entlasten

Inwieweit eine Vermögensteuer tatsächlich zu einer Entlastung der Haushalte und kleineren Einkommen führen würde, ist ungewiss. Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) äußerte sich zu dem SPD-Vorstoß, den der Seeheimer Kreis vorbereitet hatte, kritisch.

Gegenüber der „Welt“ äußert er, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 48 Prozent würde vier zusätzliche Milliarden Euro für den Haushalt bedeuten. Damit würde man einen Durchschnittsverdiener jährlich um gerade einmal 100 Euro entlasten können. Dies wäre der Gegenwert von „zwei Cappuccinos im Monat“.

Innerhalb der Ampel ist FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner derjenige, der sich einer Neuauflage der Vermögensteuer vehement entgegenstellt. Es sei nicht die Zeit für weitere Belastungen, sondern für Entlastungen – vor allem der Betriebe. Ein Ende der kalten Progression sei deutlich wichtiger.

Lindner weist darauf hin, dass die meisten Vermögen sich aus bereits versteuerten Einkommen zusammensetzen. Außerdem zeigten bereits die Erfahrungen von vor 1997, dass die Erhebungskosten im Zusammenhang mit der Vermögensteuer rund ein Drittel des Aufkommens ausgemacht hätten.

Norwegen: Hohe Ungleichheit trotz Vermögensteuer – und Exodus von Milliardären

Befürworter der Vermögensteuer verweisen auf Länder wie die Schweiz oder Norwegen, die diese auch kennen würden. Tatsächlich erheben in der Schweiz einzelne Kantone eine jährliche Steuer auf das Nettovermögen von Privatpersonen. Im Schnitt liegt diese bei 0,3 Prozent. Die Steuerlast insgesamt ist dort aber deutlich geringer als in Deutschland.

Norwegen hat seit 1892 eine jährliche Vermögensteuer auf das Nettovermögen über einem Freibetrag von etwa 150.000 Euro. Lange Zeit betrug diese etwa 0,85 Prozent. Im Jahr 2022 stieg sie auf bis zu 1,1 Prozent. Aus Sicht der Betroffenen brachte dies allerdings das Fass zum Überlaufen. Erst verlegten Multimillionäre ihre gemeldeten Lebensmittelpunkte in Dörfer wie Bö in Vesterålen, das den Satz auf fast null reduzierte.

Insgesamt aber verlegten Betroffene binnen kürzester Zeit umgerechnet 54 Milliarden US-Dollar ins Ausland. Statt der angestrebten zusätzlichen Mittel von 146 Millionen US-Dollar landeten 594 Millionen weniger im Haushalt. Der Gini-Koeffizient in Norwegen liegt trotz Vermögensteuer bei 0,8.

 



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