Zu wenig Organspender: Abgeordnete fordern Widerspruchsregelung, auch für Ausländer

Eine Änderung der aktuellen Regelungen zur Organspende soll die Anzahl der Spenderorgane erhöhen. Sie würde bedeuten, dass jeder, der einer Organspende nicht ausdrücklich widersprochen hat, als Spender infrage kommt.
Eine Frau hält einen Organspendeausweis in ihren Händen.
Eine Frau hält einen Organspendeausweis in ihren Händen.Foto: Hendrik Schmidt/dpa
Von 24. Juni 2024

Eine überparlamentarische Gruppe aus Bundestagsabgeordneten hat am Montag, 24. Juni, einen Antrag zur Einführung einer Widerspruchsregelung im Transplantationsgesetz vorgestellt. Zwar habe die Deutsche Stiftung Organtransplantation mit 965 Organspenden eine Steigerung von elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet, aber noch immer würden 8.400 Patienten auf ein Spenderorgan warten, heißt es zur Begründung in dem Entwurf.

Die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar sagte in einer Pressekonferenz: „Wir sind schlicht und ergreifend nicht zufrieden mit den Zahlen, die uns vorliegen.“ Seit Jahren stagnierten die Zahlen der Organspenden auf einem niedrigen Niveau. „Täglich versterben uns drei Menschen auf der Warteliste.“

Ziel der Änderung sei es, die Versorgung der Menschen, die auf eine Organ- oder Gewebespende angewiesen sind, deutlich zu verbessern und die Anzahl der Organspenden zu erhöhen. Aus diesem Grund sollen zukünftig auch diejenigen, die einer Spendenentnahme nicht ausdrücklich widersprochen haben, als Organ- oder Gewebespender in Betracht kommen.

Die Abgeordneten verweisen auf die Umfrage „Einstellung, Wissen und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende 2022“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, laut der rund 84 Prozent der Menschen in Deutschland einer Organ- und Gewebespende positiv gegenüberstehen.

Durch die Einführung der Widerspruchslösung soll es zur Selbstverständlichkeit werden, dass sich die Menschen zumindest einmal im Leben mit dem Thema auseinandersetzen und dazu eine Entscheidung treffen, die sie jedoch nicht begründen müssen.

Widerspruch muss auffindbar sein

„Ein erklärter Widerspruch muss verlässlich und jederzeit auffindbar sein und vor einer Entscheidung über eine Organ- oder Gewebeentnahme berücksichtigt werden“, heißt es in dem Gesetzesentwurf.

Wenn das im März in Betrieb genommene Register keinen Eintrag enthalte, dem Arzt kein schriftlicher Widerspruch des potenziellen Spenders vorliege und auch aus Gesprächen mit Angehörigen kein anderer Wille bekannt sei, sei eine Organ- oder Gewebeentnahme zulässig.

Anders verhält es sich jedoch, wenn die Person in „einem erheblichen Zeitraum vor Feststellung des Todes“ keine selbstbestimmte Willenserklärung treffen konnte und auch nicht abgegeben hat, beispielsweise bei dementen Menschen. Dann sei die Entnahme unzulässig. Der Begriff „erheblicher Zeitraum“ wurde in Anlehnung an Regelungen gewählt, die in Großbritannien gelten.

Die überparlamentarische Gruppe verspricht sich durch die neue Regelung – so sie denn eine Mehrheit im Bundestag findet – eine Entlastung sowohl der Ärzte als auch der nächsten Angehörigen, denen nicht wie bisher zugemutet werden soll, solche schwierige Entscheidung zur Organ- oder Gewebespende zu treffen.

Regelung für Ausländer

Auch Ausländer müssen sich mit dem Thema Organspende beschäftigen, wenn sie sich in Deutschland aufhalten.

Doch anders als in Österreich, wo man mit Einreise ins Land als potenzieller Organspender gilt, wenn kein Widerspruch vorliegt, soll es eine weniger stringente Regelung geben. Bei Ausländern soll eine Mindestaufenthaltsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden, wie die Abgeordneten in einer Pressekonferenz erklärten.

Kosten in Millionenhöhe

Mit der Einführung der Widerspruchslösung ist eine breite Aufklärung der Bevölkerung aller Bürger vorgesehen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Das sind rund 65 Millionen Menschen. Ihnen sollen ein Informationsflugblatt mit integriertem Organspendeausweis zukommen. Allein die Druckkosten werden mit mindestens 27,5 Millionen Euro beziffert.

Hinzu kommen weitere Beträge wie die Kosten für die Überarbeitung bereits bestehender Materialien in Höhe von 850.000 Euro. Zusätzlich müsse eine neue Kampagne – darunter Flugblätter, Erklärfilm, Website und Social-Media-Inhalte – vorbereitet und gestartet werden, deren Kosten auf 1,5 Millionen Euro jährlich geschätzt werden.

Entscheidung im nächsten Jahr

Die Gruppe strebt eine Entscheidung über die Initiative im Bundestag noch in dieser Wahlperiode möglichst bis zum Frühjahr 2025 an, wie die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann sagte.

Zu erwarten sei, dass es auch noch weitere Anträge geben dürfte. Vorgesehen sind eine offene Debatte im Bundestag und Expertenanhörungen. Ob das Ergebnis anders ausfällt als im Jahr 2020, bleibt abzuwarten. Damals fand die Widerspruchslösung nicht die erforderliche Mehrheit.

Auch jetzt regt sich wieder Kritik. Die FDP-Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr sagte der „Deutschen Presse-Agentur“, die Widerspruchslösung sei ein massiver Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen. „Anstatt auf staatliche Bevormundung zu setzen, sollten wir die selbstbestimmte Entscheidung über eine Spende verbindlicher gestalten. Darüber, wie eine verbindliche oder verpflichtende Entscheidungslösung ausgestaltet werden kann, werden wir im Deutschen Bundestag diskutieren“, so Helling-Plahr.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der „Augsburger Allgemeinen“: „Wer schweigt, stimmt nicht automatisch zu.“ Grundsätzlich sei jeder medizinische Eingriff ohne Zustimmung des Betroffenen eine Körperverletzung. In den Vorzeigeländern Europas mit deutlich mehr Organspendern hätten erst organisatorische und strukturelle Maßnahmen zu steigenden Zahlen geführt.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion