Zentraler statt regionaler: ARD will Kräfte in „Kompetenzcentern“ bündeln

„Jetzt ist die Zeit für Reformen, und es gibt kein Zurück mehr“: ARD-Chef Prof. Kai Gniffke will die Zusammenarbeit seiner neun Landesrundfunkanstalten intensivieren. Bestimmte Themen sollen ab 2024 in zentraler Verantwortung liegen.
Ein junges Paar sitzt mit einer Fernbedienung vor einem Fernsehgerät. Nachrichten aus dem Fernsehen bleiben für die meisten die wichtigste Quelle. (Symbolbild)
Bei bestimmten Themen will die ARD künftig auf das Motto „zentraler statt regionaler“ setzen. Das Symbolbild zeigt zwei junge Leute vor einem „smarten“ Fernsehgerät.Foto: Daniel Reinhardt/dpa
Von 23. Juni 2023

Skandale in den Chefetagen, Moderatoren auf der Payroll von Politikern und immer wieder Forderungen nach noch höheren Rundfunkgebühren: Die ARD hatte in den vergangenen Monaten nicht gerade viele positive Schlagzeilen für sich verbuchen können.

Höchste Zeit für den ARD-Boss, SWR-Intendant Prof. Kai Gniffke, etwas entgegenzusetzen. Und dieses „Etwas“ soll offensichtlich in organisatorischen Umstrukturierungen liegen. „Jetzt ist die Zeit für Reformen, und es gibt kein Zurück mehr“, hatte Gniffke nach einem Artikel der „ZEIT“ am Rande eines zweitägigen Treffens der Intendanten aller neun Landesrundfunkanstalten (LRA) in Stuttgart verkündet. „Wir ändern uns, weil sich die Mediennutzung gravierend verändert hat“.

Nach einer ARD-Pressemeldung vom 22. Juni einigten sich die Oberhäupter der Funkhäuser darauf, ihre „Ressourcen“ künftig stärker zu bündeln. Das sei nach Aussage Gniffkes „deutlich wirtschaftlicher und effizienter“.

Ab 2024 zentrale „Kompetenzcenter“ für Klima, Verbraucher und Gesundheit

Drei „Themenfelder“ sollen künftig nur noch an jeweils einem Standort beackert werden. Nämlich „Klima, Verbraucher und Gesundheit“. Dafür sollen schon im ersten Halbjahr 2024 drei neue „Kompetenzcenter“ entstehen. Weitere könnten folgen, habe Gniffke angedeutet – etwa für die Bereiche „Künstliche Intelligenz“, Reise beziehungsweise Touristik und Ernährung.

In den „Kompetenzcentern“ sollen „zentralisiert lineare und digitale Angebote“ geschaffen werden, die dann „von den Landesrundfunkanstalten übernommen werden“ könnten, hieß es in der ARD-Pressemeldung. Sicher sei man sich, dass die Umstrukturierung „mehr publizistische Exzellenz und mediale Wirksamkeit“ erzeugen werde.

Außerdem könnten die „Kompetenzcenter“ helfen, „Doppelarbeit zu vermeiden“ und so Kosten zu sparen, wie die „ZEIT“ unter Berufung auf eine dpa-Meldung berichtete. Demnach gehe es auch darum, „eine bessere Steuerung der Berichterstattung zu erreichen“.

Im Klartext: Die zentrale Bündelung könnte sicherstellen, dass sich kein ARD-Reporter abseits des „Kompetenzcenters“ selbstständig um eine Recherche im Gesundheitswesen, zur Klimapolitik oder zum Verbraucherschutz kümmert – und so vielleicht andere Ergebnisse oder Perspektiven verbreitet werden als vom zentralen Themenverantwortlichen gewünscht.

Standorte noch unklar

In welchen Rundfunk-Standorten genau die „Kompetenzcenter“ ihre Arbeit ab 2024 aufnehmen werden, soll nach Informationen der „ZEIT“ bis September entschieden werden. Klar scheint momentan also lediglich, dass der Schwerpunkt jeweils auf der „überregionalen Berichterstattung“ liegen soll, auch wenn „die Heimat und die Stärke der ARD“ nach eigenem Bekunden noch immer „in den Regionen, in den Städten und Dörfern Deutschlands und in den Ländern“ liegt.

Ähnliche Pläne verfolge man für die Hörspielproduktion: Auch hier solle im ersten Halbjahr 2024 eine zentrale „Gemeinschaftsredaktion“ an den Start gehen.

Zusammenarbeit intensivieren

Überhaupt solle es „zunächst bei den Kultur- und Infowellen eine noch engere Zusammenarbeit geben“. Dafür wolle man „einen neuen Inhalte-Pool“ schaffen, dem „die ARD Medienhäuser Beiträge, Reportagen und Sendungen“ zuliefern sollen. Aus dem Pool könnten sich dann wiederum alle LRAs für ihre Programmstrecken bedienen.

Solche Pool-Lösungen werde es neben „inhaltliche[n] Kooperationen“ verstärkt auch für die „Dritten Programme“ geben, kündigte die ARD-Pressestelle an – und zwar unter Mitwirkung der noch einzurichtenden „Kompetenzcenter“.

Großprojekt „digitale Erneuerung“

Noch im Verlauf des Jahres 2023 sollten auch erste Details zur „digitalen Erneuerung der ARD“ ausgearbeitet werden, dem strategisch gesehen wohl wichtigsten Langfristprojekt der ARD. Es trägt der Tatsache Rechnung, dass gerade jüngere Hörer oder Zuschauer kaum noch über die „linearen Verbreitungswege“ zu erreichen sind. In der „Beitragsperiode 2025 bis 2028“ sollen dafür „rund 250 Millionen Euro“ ausgegeben werden.

Die Mammutaufgabe „digitale Erneuerung“ habe man ARD-intern bereits in „18 Module“ aufgeteilt. Jedes Modul sei während der Stuttgarter Konferenz einem der neun ARD-Medienhäuser zugewiesen worden. Die verantwortlichen Beauftragten vor Ort seien nun angewiesen, Wege zu finden, mit denen Verbesserungen für die „digitale Infrastruktur“ erreichbar seien. Mehrere Jahre habe man gemeinsam eingeplant, um die 18 Module final abzuarbeiten.

Einig sei man sich schon jetzt, dass am Ende „eine gemeinsame technische Infrastruktur für alle Landesrundfunkanstalten“ stehen solle, so die ARD-Pressestelle.

Vor knapp drei Monaten hatte ARD-Chef Gniffke bereits seine Pläne für „eine Gesamtplattform von ARD, ZDF und DRadio“ vorgestellt, die den großen kommerziellen Streaming-Diensten wie Netflix, Amazon oder Disney ab 2030 Konkurrenz machen soll. Eine eigene soziale Plattform, der „Public Space Incubator“, sei als Alternative zu Twitter und Co bereits im Aufbau.

KEF will im August neue Beitragshöhe bekannt geben

Das alles kostet natürlich. Erst vor wenigen Wochen hatte ARD-Chef Gniffke auf der Digitalmesse re:publica deshalb angekündigt, trotz Rekordeinnahmen für einen Monatsbeitrag von bis zu 25 Euro kämpfen zu wollen.

Große Teile der Gebührenzahler wehren sich gegen eine Erhöhung, manche wollen den Beitrag in Höhe von derzeit 18,36 Euro sogar ganz abschaffen. Der tatsächliche Betrag wird auf Grundlage von LRA-Prognosen von der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ (KEF) berechnet. Der nächste KEF-Bericht soll im August 2023 vorliegen. Das letzte Wort über eine Beitragsanpassung haben aber die 16 Länderchefs.

Schlagzeilen hatte vor wenigen Tagen auch die Wahl einer neuen rbb-Spitze gemacht: Mit Ulrike Demmer machte die frühere stellvertretende Sprecherin der Regierung Merkel das Rennen. Für viele ein weiterer Beleg für die engen Verflechtungen von Medien, Parteien und Politik. Demmer ist bereits die dritte rbb-Intendantin innerhalb eines Jahres: Nachdem Patricia Schlesinger wegen allerlei Skandalen im August 2022 ihren Stuhl räumen musste, war Katrin Vernau als schnelle Übergangslösung eingesprungen.

ARD-Moderatoren auf Politiker-Payroll

Ebenfalls für Aufregung hatten vor einigen Wochen jene Enthüllungen gesorgt, nach denen die Bundesregierung seit 2018 fast 900.000 Euro Steuergeld für private Dienstleistungen von Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgegeben hatte. Auch die im Fernsehen zu politischer Neutralität verpflichtete Ex-Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis gehörte zu den Begünstigten.

Auch beim ZDF hielt man offenbar nicht immer jenen Neutralitätsabstand zu Spitzenpolitikern, wie ihn der Rundfunkstaatsvertrag eigentlich vorsieht: Der TV-Moderator Günther Jauch plauderte kürzlich über seine „gruseligen“ Alltagserfahrungen bezüglich politischer Einflussnahme beim Mainzer Sender.



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