Zensur und Selbstzensur: Bundestag beschließt umstrittene Urheberrechtsreform
Der Bundestag hat die umstrittene Reform des Urheberrechts beschlossen. Mit den Stimmen der schwarz-roten Koalition machte das Parlament am Donnerstag den Weg frei für die neuen Regeln für Urheber, Presseverlage, Internetplattformbetreiber und Nutzer.
Die Grünen enthielten sich. AfD, Linke und FDP stimmten dagegen. Deutschland muss eine entsprechende EU-Richtlinie zum Urheberrecht bis Juni in nationales Recht umgesetzt haben.
Plattformbetreiber haften bei urheberrechtlich geschützten Uploads
Bei der Reform geht es unter anderem darum, die bisherigen Urheberregeln an den Gebrauch im Internet anzupassen – vor allem geht es um Plattformen, auf die Nutzer Inhalte hochladen können. Künftig sollen Plattformbetreiber in Haftung genommen werden können, wenn Nutzer urheberrechtlich geschützte Werke wie Bilder, Texte oder Videos unerlaubt und ohne Lizenzvereinbarungen hochladen.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) teilte mit: „Das Kernstück der Reform ist die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen wie YouTube, Facebook oder TikTok. Diese müssen künftig kreative Inhalte lizenzieren, die von Usern auf den Plattformen geteilt werden.“
Das Bundeskabinett hatte den Gesetzesentwurf im Februar beschlossen. Urheber und Kreative sollen an der Wertschöpfung im Netz stärker beteiligt werden und ihre Auskunftspflichten sollen sich verbessern. Bei der umfangreichen Gesetzesreform ist auch ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage vorgesehen.
Die Folge: Upload-Filter und Beschränkung der Meinungsfreiheit
Vor der EU-Richtlinie hatte es vor zwei Jahren massive Proteste und Demonstrationen in vielen Ländern gegeben – Internetnutzer fürchteten Einschränkungen durch Upload-Filter und eine Beschränkung der Meinungsfreiheit, wenn zu viele Inhalte vor dem Hochladen von den Plattformen rausgefiltert werden. Allein in Berlin demonstrierten am 23. März 2019 rund 15.000 Menschen gegen die geplante Urheberrechtsreform der EU.
Die Bundesregierung wollte solche Filter möglichst vermeiden – Oppositionspolitiker sehen diese Pläne als gescheitert an. Die Projektleiterin Julia Reda vom Verein Gesellschaft für Freiheitsrechte schrieb auf Twitter, man werde Fälle von Sperrung legaler Inhalte sammeln und falls nötig klagen.
Im März 2019 räumte die Bundesregierung ein, dass die Reform auf den Einsatz der umstrittenen Upload-Filter hinausläuft. „Aus Sicht der Bundesregierung werden bei großen Datenmengen bereits aus Praktikabilitätsgründen wohl algorithmenbasierte Maßnahmen anzuwenden sein“, schrieb das Bundesjustizministerium.
Im Koalitionsvertrag schlossen die Regierungsparteien eine Pflicht zur Einrichtung von Upload-Filtern aus. „Die Bundesregierung bricht ihren eigenen Koalitionsvertrag“, sagte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle dazu der FAZ. Die Bundesregierung hatte bislang behauptet, die Richtlinie schreibe Upload-Filter nicht vor.
Die Pflicht steht tatsächlich nicht mehr wörtlich im Richtlinienvorschlag, aber viele Fachleute rechnen damit, dass deren Einsatz unausweichlich sein wird.
Nur wenig Proteste auf der Straße 2021
Proteste auf der Straße gab es in diesem Jahr bei der Umsetzung in das nationale Recht so gut wie nicht. Verbände und Organisationen machten zugleich ihrem Unmut immer wieder Luft. Es gab auch gemeinsame Protestbrief-Aktionen von Musikern und Künstlern.
Ein Dorn im Auge ist der Musik-, Medien- und Filmbranche ein Passus, der es erlaubt, dass man kurze Ausschnitte von urheberrechtlich geschützten Werken wie Ton, Video oder Text auch ohne Lizenz auf einer Plattform hochladen darf. Der Passus blieb trotz der Kritik in dem Gesetz. Die Wirtschaftszweige fürchten finanzielle Nachteile für sich und auch für Urheber.
Große Verbände sind zufrieden
Verleger sind zufrieden mit dem Leistungsschutzrecht. Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) begrüßten, dass es nun ein Schutzrecht für journalistische Inhalte gebe.
„Mit dem neuen Leistungsschutzrecht und den schon seit Januar geltenden Regeln zur Beschränkung des Marktmissbrauchs großer Internetkonzerne werden wir uns wirksam gegen eine Ausbeutung journalistischer Inhalte wehren können“, teilten die beiden Verbände mit. Eine angemessene Beteiligung an den Gewinnen, die Digitalanbieter auch mit der Nutzung redaktioneller Inhalte Dritter erzielten, sei ein Knackpunkt für die Zukunft des digitalen Journalismus.
Der Google-Chef für Zentraleuropa, Philipp Justus, schrieb in einem Blog-Eintrag des Konzerns, man werde mit deutschen Verlagen zusammenarbeiten, um eine Einigung über eine erweiterte Vorschau von Inhalten, die möglicherweise durch das neue Gesetz geschützt seien, zu erzielen. „Diese Verhandlungen werden auf Basis einheitlicher Kriterien geführt.“
Gewerkschafter äußerten sich zum Teil kritisch zur Reform. Der Deutsche Journalisten-Verband sieht etwa darin einen Mangel, dass es kein Verbandsklagerecht gebe. Verdi sieht Urheber und Künstler im Vergleich zu Plattformen und großen Verlagen insgesamt benachteiligt. (dpa)
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