Zeitenwende in Migrationspolitik gefordert: Ungebremster Zuzug von Flüchtlingen alarmiert Kommunen

Die Kommunen in Deutschland schlagen Alarm und fordern eine dringende „Zeitenwende" in der Migrationspolitik. Angesichts des ungebremsten Zuzugs von Flüchtlingen stehe das System kurz vor dem Kollaps, warnte Reinhard Sager, Präsident des deutschen Landkreistages.
Flüchtlinge warten in einer Landeserstaufnahmestelle in einer Schlange. Der Landkreistag spricht sich für die Prüfung von Asylanträgen an den EU-Außengrenzen und die Beendigung freiwilliger Aufnahmeprogramme aus.
Der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager, fordert eine „Zeitenwende“ in der Flüchtlingspolitik.Foto: Carsten Rehder/dpa
Von 26. Mai 2023

Die Kommunen fordern eine „Zeitenwende“ in der Migrationspolitik. Für den Präsidenten des deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, wird der ungebremste Zuzug von Flüchtlingen zu einem immer größeren Problem. „Es ist zahlenmäßig kaum noch zu schaffen. Wir haben erhebliche Probleme in der Unterbringung. Wir haben Probleme in der Kita- und Schulversorgung, bei der Integration, weil wir auch erheblichen Personalmangel haben“, schildert Sager die Lage im Videointerview mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND). Es kämen schlicht und einfach zu viele Menschen auf einmal.

Geht es so weiter, „kollabiert das System irgendwann“

Sager machte deutlich, dass seit Jahresbeginn bereits mehr als 100.000 Menschen mit einem Asylbegehren nach Deutschland gekommen seien. Die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine seien in diese Zahlen nicht einberechnet. Wenn das in dieser Größenordnung weitergehe, „dann kollabiert das System irgendwann“. Reinhard Sager verweis darauf, dass es nicht darum gehe, nur Unterkünfte bereitzustellen. „Wir haben das Problem, dass wir die Menschen dann nicht betreuen können, schon gar nicht integrieren.“ Schon heute fehlte bundesweit Personal in einer sechsstelligen Größenordnung in Schulen und Kindergärten. Die Kommunen bräuchten viel mehr Kräfte, die sie nicht hätten. „Deshalb gibt es gar keine Alternative dazu, als die Migrationspolitik zu ändern in Deutschland.“

Die Kommunen erwarten daher von der Bundesregierung ein Umsteuern in der Flüchtlingspolitik. „Der Bundeskanzler hat ja im letzten Jahr von einer Zeitenwende gesprochen. Das ist wahr. Wir haben auch in der Migrationspolitik eine Zeitenwende nötig. Insofern ist die Bundesregierung hier massiv gefordert“, sagte Sager. In Richtung Ampelkoalition appellierte der Präsident des Landkreistages: „Es muss einfach der Zustrom nach Deutschland zum Abebben kommen. Sonst werden die Kommunen, die Landkreise, in Deutschland nicht mehr fertig mit der Situation. Und so weit darf es nicht kommen.“

Es geht nicht in erster Linie um Geld

Bei dem seit Monaten brennenden Streit zwischen Bund, Ländern und Kommunen beim Thema Flüchtlingsversorgung ginge es laut Sager nicht in erster Linie ums Geld. Vielmehr gehe es um ein Abschotten der irregulären Zuwanderung nach Deutschland. Die Bundesregierung müsse nun entsprechende Maßnahmen ergreifen. „Wir brauchen Harmonisierung in der EU. Wir brauchen keine Weiterleitung von Flüchtlingen auf Kommunen, die von vornherein keine Bleibeperspektive haben, weil hinterher auch das Abschiebungsproblem da ist.“, so Sager.

Der Bundesregierung warf Sager im Interview weiter vor, dass diese aus seiner Sicht träge in der Migrationspolitik vorgehe. Obwohl schon zu Ostern zugesagt, fand das Treffen zwischen den Länderchefs und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erst im Mai statt. Das Ergebnis war von den meisten Ministerpräsidenten im Nachgang als mager bewertet worden. Der nächste Gipfel wurde für den November vereinbart, deutlich nach den wichtigen Landtagswahlen in Bayern und Hessen. „Man schiebt es jetzt über den Juni auf den November.“ Es sei falsch, wenn die Bundesregierung das Thema weiter schleifen und liegen lasse. Sager betonte: „Wir sind jederzeit gesprächsbereit. Und die Bundesregierung muss eine neue Agenda der Migrationspolitik aufsetzen.“

Faeser lehnte gerade erst Grenzkontrollen ab

Grenzkontrollen an der polnischen und tschechischen Grenze, über die im Moment tausende illegale Migranten unkontrolliert nach Deutschland einreisen, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gerade erst abgelehnt. In einem Brandbrief vom 4. Mai hatten die beiden CDU-Landesinnenminister Michael Stübgen (Brandenburg) und Armin Schuster (Sachsen) angeregt, zeitweise wieder Grenzkontrollen durch die Bundespolizei einzuführen. An der Grenze zwischen Bayern und Österreich gibt es diese schon heute.

Beide Minister betonten in ihrem Schreiben, dass die Lage im Moment so schlimm sei wie seit dem Krisenjahr 2016 nicht mehr. Allein binnen 14 Tage hätten sich Ende April täglich hundert illegal Eingereiste in den Aufnahmeeinrichtungen gemeldet.

Lage nicht schlimm genug für Grenzkontrollen

Im dreiseitigen Ablehnungsschreiben, das der „Bild“  vorliegt, argumentiert Faeser, dass die Lage noch nicht schlimm genug sei für diesen Schritt. „Die vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen setzt eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit voraus und hat dabei stets ultima ratio Charakter.“, schreibt die Bundesministerin.

Die Zahlen der Grenzübertritte hält Faeser nicht für zu hoch. Sie argumentiert in ihrem Schreiben: „Während die deutsch-österreichische Landgrenze angesichts der europäischen Migrationsrouten seit Jahren den Schwerpunkt des Migrationsgeschehens an den deutschen Grenzen darstellt, ergeben sich an der deutsch-polnischen Grenze bislang schwankende Feststellungszahlen, die erst seit Ende Februar dieses Jahres über denen an der Landgrenze zu Österreich liegen.“

An der deutsch-tschechischen Grenze spricht die Ministerin sogar davon, dass diese seit einem Höchststand im September „stark rückläufig“ seien.

Wiedereinführung zeitweiser Grenzkontrollen nicht Gegenstand von Überlegungen

An der Grenze zu Österreich glaubt Faeser in ihrem Brief an eine „weitere Verstetigung das Migrationsgeschehens“. Dem Ansinnen ihrer Länderkollegen erteilt sie daher eine Absage: „Im Ergebnis dessen ist das ultima ratio-Instrumentarium der vorübergehenden Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen an den Grenzen zur Republik Polen und zur Tschechischen Republik derzeit nicht Gegenstand der hiesigen Überlegungen.“

Länderchefs hatten sich mit Scholz auf Kontrollen verständigt

Die deutliche Ablehnung durch die Bundesinnenministerin widerspricht der letzten Aussage des Bundeskanzlers. Auf dem Bund-Länder-Migrationsgipfel hatte sich die Ministerpräsidenten mit Scholz höchstpersönlich darauf geeinigt, Grenzkontrollen zukünftig zeitweise auszubauen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion